Fintechs

(Er)Wachsen?

Quelle: Flickr / cafecredit

Jede Branche lebt von Veränderungen, von Anpassungen an eine sich wandelnde Umwelt mit neuen (Über-)Lebensbedingungen und -chan -cen. Diese Veränderungen beruhen vor allem auf dynamischen Unternehmern, die Innovationen durchsetzen, Pioniergewinne erzielen und den Konjunkturaufschwung herbeiführen. Nur dieser Prozess "schöpferischer Zerstörung", so beschreibt es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter, ermögliche Wachstum und technischen Fortschritt.

Für die Banken und Sparkassen, die sich jahrzehntelang kaum neu erfinden mussten, weil auf der einen Seite Einlagen einsammeln und auf der anderen Kredite ausreichen ein zu einträgliches und sicheres Geschäft war, änderte sich diese Bequemlichkeit schlagartig mit dem Einzug der Technik in des Leben der Verbraucher. Finance & Technology hieß das neue Zauberwort, das endlich für Bewegung in der Branche sorgte. Neue Unternehmen, andere Typen, weil frech, jung und wild (und kundenorientiert), trieben die etablierten Anbieter vor sich her. Fintechs erfreuen sich trotz all der Skepsis, die ihnen entgegenschlug, stetig wachsender Kundenzahlen. Damit stieg das Interesse von Investoren, was wiederum neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnete. 2017 floss den Fintechs mit über 700 Millionen Euro eine Rekordsumme zu. Allerdings, so mahnen Experten wie Maik Klotz an, lässt die Wachstumsrate stark nach. So betrug die Steigerung nur noch 9 Prozent, was sich im Vergleich mit den Zuwächsen von 45 Prozent und 135 Prozent in den beiden Vorjahren geradezu bescheiden ausnimmt.

Das ist zum einen natürlich der stetig wachsenden Basis geschuldet. Doch auch die Unternehmen selbst, die die Branche aufmischten, kämpfen mit den Problemen, die größere Organisationen nun mal so innehaben, müssen sich regulatorischen Vorschriften beugen, werden schlicht erwachsen, wodurch die Innovationskraft vielleicht ein bisschen verloren geht.

Da sind Negativschlagzeilen Gift, auch wenn zur schöpferischen Zerstörung natürlich immer auch das Scheitern gehört. Wenn allerdings diejenigen scheitern, die man doch als Angreifer und Aufmischer gesehen hat, ist die zarte Pflanze Vertrauen in Gefahr, möchte man meinen. Am 1. Dezember 2017 eröffnete das Amtsgericht München ganz offiziell das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gegen das Bauunternehmen Conrem Ingenieure GmbH. Damit herrscht traurige Gewissheit: Das erste deutsche Immobilien-Crowdinvesting-Projekt, das von der Plattform Zinsland betreute Wohnungsvorhaben "Luvebelle" in Berlin, ist pleite. Den 274 privaten Schwarminvestoren, die Conrem für das Bauprojekt 499 500 Euro geliehen haben, droht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Totalverlust. Sie haben dem Schuldner die bei Crowdinvesting üblichen Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt und müssen deshalb auf eine ausreichend große Insolvenzmasse hoffen. Diesbezüglich sieht es jedoch düster aus: Der zuständige Insolvenzverwalter teilte bereits mit, dass die Insolvenzmasse nach derzeitigem Stand nicht einmal ausreiche, um die erstrangigen Gläubiger voll zu befriedigen.

Der Verlust der weißen Weste kommt für die junge Schwarmgemeinde auf den ersten Blick zu einem psychologisch ungünstigen Zeitpunkt. Laut crowdinvest.de betrug das für Immobilienprojekte bereitgestellte Schwarmkapital 131,7 Millionen Euro - ein Plus von knapp 230 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. Inmitten dieser Aufbruchsstimmung ist die durch "Luvebelle" verursachte negative Publicity eigentlich Gift.

Eigentlich, denn bei genauerem Hinsehen lässt sich hinsichtlich etwaiger Sorgen um einen Vertrauensverlust schnell Entwarnung geben. Die Privatinvestoren haben dem Segment nicht den Rücken gekehrt, im Gegenteil: Allein im November 2017, also wenige Wochen nach Bekanntwerden der Probleme bei "Luvebelle", sammelten die Crowdinvesting-Plattformen insgesamt 20 Millionen Euro ein - ein neuer Monatsrekord. Dass Anbieter ihre Fundingaktivitäten wie gewohnt innerhalb kurzer Zeit erfolgreich beenden können, liegt dabei nicht zuletzt an den unverändert günstigen Rahmenbedingungen für ihr Geschäftsmodell: Neben dem florierenden deutschen Immobilienmarkt sind es die anhaltend mauen Sparzinsen, die Privatanleger in das Segment treiben. Die bei schwarmfinanzierten Immobilienprojekten üblicherweise in Aussicht gestellten Renditen zwischen 5,5 und 9,0 Prozent (bei "Luvebelle" waren es 7,0 Prozent) könnten derzeit nicht verlockender sein.

Die damit verbundenen Risiken werden da bereitwillig ausgeblendet. Noch, denn der Wunsch der deutschen Kunden nach besser regulierten Produkten abseits des "grauen Kapitalmarkts" ist dem Vernehmen nach mittlerweile sehr groß. Hinzu kommt, dass Projektentwickler teilweise gerne deutlich größere Summen von der Crowd in Anspruch nehmen würden. Diesen Wünschen können die Anbieter bislang jedoch nicht nachkommen, da sie innerhalb der engen Grenzen des unregulierten "grauen" Kapitalmarktes agieren. Dieser sieht ein maximales Investmentvolumen der Schwarmgemeinde in Höhe von 2,5 Millionen Euro vor. Alles, was darüber liegt, würde unter anderem eine mit signifikanten Kosten verbundene Prospektpflicht zur verbesserten Aufklärung der Kunden erforderlich machen.

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, erscheint der mühsame Schritt vom "grauen" in den "weißen" Kapitalmarkt dennoch ratsam. Nur so können die Crowdinvesting-Plattformen attraktiver für Projektentwickler werden und mithilfe neuer Produkte auch besser besichern als jetzt. Vermutlich deshalb arbeiten derzeit mehrere Anbieter an der Etablierung entsprechender Strukturen. Das erste Unternehmen, das Nägel mit Köpfen gemacht hat, ist der Marktführer Exporo. Das Fintech hat vor wenigen Wochen die Voraussetzungen zur Begebung von Anleihen - also vollregulierten Wertpapieren inklusive Prospektpflicht - geschaffen. Die dafür benötigte KWG-Lizenz erhielt das Unternehmen Mitte Dezember 2017. Vermittelt werden sollen die Anleihen über die neue Exporo Investment GmbH und für die digitale Konto- und Depotführung konnte die Baader Bank gewonnen werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X