Sparkassen I

Hessischer Realismus

Quelle: Helaba

Gerhard Grandke hat in seinem Leben einiges gesehen und erlebt. Von 1994 bis 2006 war der gebürtige Offenbacher Oberbürgermeister seiner Heimatstadt, übernahm direkt im Anschluss die Geschäftsführung der OFB Projektentwicklung GmbH, einer Tochtergesellschaft der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen und ist seit 1. März 2009 geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen. Grandke gilt als kritisch, als positiv unbequem, aber auch als vorausschauend und konstruktiv. Von daher lohnt es stets, ihm sehr genau zuzuhören, nicht nur, wenn er sich zu wichtigen sparkassenpolitischen Themen äußert, aber auch dann.

Grandke ist zweifelsohne einer der großen Befürworter der Sparkassen-Zentralbank. Aber er ist auch Realist genug, zu wissen, wie viele Fallstricke auf dem Weg zu einem Spitzeninstitut noch warten. Und es klang schon ein wenig skeptischer als noch vor einigen Monaten, als er auf der Bilanzpressekonferenz seines Verbandes davon sprach, dass es endlich eine "Koalition der Willigen" brauche, dass die "Idee sinnvoll, aber der Weg lang und steinig" sei.

Das Grundproblem: Die Sparkassen, die eine Fusion von Deka und Helaba - eventuell sogar unter Einbeziehung der Nord LB - vorantreiben, sind meist nur Minderheitsaktionäre der Landesbanken. Diese befinden sich überwiegend in der Hand der Landesregierungen. Regionale Sparkassenverbände seien "völlig überfordert", wenn es darum gehe, den Bundesländern deren Anteile abzukaufen, so der hessisch-thüringische Sparkassen-Präsident. Die Finanzierung einer solchen Neuordnung könne nur dem Sparkassensektor insgesamt gelingen, auch durch Solidarbeiträge innerhalb der Gruppe.

Spätestens hier wird es aber erneut schwierig, da unter anderem Bayern und Baden-Württemberg eine Beteiligung am Spitzeninstitut ablehnen. Es scheint, als sei der Traum von DSGV-Präsident Schleweis und Gerhard Grandke, der seit Ludwig Poullain Anfang der siebziger Jahre immer wieder die S-Familie bewegt, in weite Ferne gerückt. Grandke, der in diesem Jahr in den Ruhestand geht, kann sich all das gelassen von außen anschauen.

Auch an anderer Stelle legte der Präsident des SGVHT den Finger noch einmal tief in die Wunden: Er vermisse ein "Zielbild, wie die EZB den Weg zurück in die Normalität schaffen will". Denn die Banken und Sparer lebten, was das Zinsniveau angehe, seit Jahren in einer Welt des Schmerzes. Durch die Anleihekaufprogramme fehlen den Instituten wichtige Anlage- und damit überlebenswichtige Einnahmequellen, die Niedrigst- und Negativzinsen führen zu einer hohen Inflation bei Vermögenswerten wie Immobilien, Aktien und Edelmetallen und vernichteten gleichzeitig Vermögenswerte der einfachen Sparer. Dadurch gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Allerdings weiß Grandke auch, dass eine Zinswende nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie "in weite Ferne" gerückt ist.

Zweites Stichwort: Regulierung. Es habe sich in der Corona-Pandemie gezeigt, dass bestimmte regulatorische Elemente prozyklisch und damit wie ein Brandbeschleuniger wirken würden. Grandke schlägt daher vor, notleidende Risikopositionen nicht wie geplant noch schneller von den kreditwirtschaftlichen Eigenmitteln abziehen zu müssen, sondern stattdessen mehr Flexibilität zu schaffen, indem notleidende Forderungen bis zu einem bestimmten Schwellenwert von den Banken und Sparkassen gehalten werden dürfen. Und auch der enorme Meldeaufwand, durch den lediglich ein "riesiges Datenmonster" entstehe, müsse runter. Eine Lösung können Plattformen sein, in die die Institute nur noch entsprechende Rohdaten einliefern, die sich die Aufsichtsbehörden ziehen können. Erste Projekte in diese Richtung laufen.

Gerhard Grandke kann all das mit einer ordentlichen Portion Freiheit ansprechen. Denn seine Sparkassen sind einmal mehr gut durch turbulente Zeiten gekommen. Zwar sank das Betriebsergebnis nach Bewertung kräftig um 190 Millionen Euro auf 733 Millionen Euro. Allerdings ist das ausschließlich dem Bewertungsergebnis geschuldet. Dieses summierte sich auf 165 Millionen Euro, wovon mehr als die Hälfte auf Pauschalwertberichtigungen entfiel. Grandke sprach entsprechend von einem überraschend guten Ergebnis. Auch weil beim Zinsüberschuss die Ausschüttungen von Deka und Helaba in Höhe von rund 60 Millionen Euro fehlten, und der Rückgang trotzdem fast komplett von steigenden Provisionsüberschüssen und sinkenden Aufwendungen aufgefangen werden konnte. Das Haus ist also gut bestellt.

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