Bundesbank

Korrektivfunktion des Präsidenten

Angesichts der Minderheitenmeinung, die Jens Weidmann im EZB-Rat in entscheidenden Fragen der (europäischen) Geldpolitik vertritt und nach innen und außen verteidigt, durfte man sich oft fragen, wie lange er die Beschlüsse des Rats noch mittragen kann. Inzwischen scheint das weniger relevant. Denn der Bundesbankpräsident hat sich offensiver als zu Beginn seiner Amtszeit mit seiner Rolle arrangiert, sich in wichtigen Fragen der aktuellen Notenbankpolitik an der Devise auszurichten, die europäische Währungsunion stabiler aufzustellen und für seine Position unter den Kollegen um Zustimmung zu werben. Weil er dabei die politischen Hürden für eine echte Fiskalunion mit einer Zusammenführung von Handlung und Haftung in einer Hand derzeit für zu hoch hält, betont er diese Option zwar immer mal wieder. Seine praktische Arbeit ist aber eher davon getrieben, "die Schwachstellen und Widersprüche des unverändert gültigen, auf Eigenverantwortung basierenden Maastrichtrahmens zu beheben".

Wie von Anfang an gewohnt lässt er sich auf diesem Weg kaum von verbalen Emotionsausbrüchen leiten, hat aber inzwischen zumindest im Umgang mit den Medien einen Stil entwickelt, seine Position stets mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, aber doch zunehmend lockerer vorzutragen.

In diesem Sinne hat er Ende Februar auch bei der Vorstellung des Jahresabschlusses 2015 der Deutschen Bundesbank argumentiert. Mit Blick auf die jeweils aktuellen globalen Rahmenbedingungen der Geldpolitik gibt er sich keineswegs dogmatisch, formuliert aber klar seine Bedenken gegen eine weitere Lockerung des ohnehin schon sehr expansiven geldpolitischen Kurses. So räumt er mittlerweile ein, dass die positiven Effekte der Ölpreissenkung auf die Weltkonjunktur angesichts der Verschlechterung der Staatshaushalte vieler öl produzierender Länder und der davon getriebenen Erhöhung der Produktionsmengen eine gewisse Abwärtsdynamik entfalten könnten. Gleichzeitig betont er den positiven konjunkturellen Effekt und warnt vor den Risiken und Nebenwirkungen einer weiteren geldpolitischen Lockerung, wie sie vor der Ratssitzung in der zweiten Märzwoche diskutiert und bis zum Erscheinen dieser Ausgabe möglicherweise beschlossen ist. Für einen schmalen Grat hält er die schiere Fülle der Bankenregulierung, die ihrerseits selbst zu einem Unsicherheitsfaktor wird. Als Schritt in die richtige Richtung wertet er hingegen den eingeleiteten Regimewechsel von bail-out zu bail-in.

Besonders sensibel reagiert der Bundesbankpräsident bei der immer wieder ins Spiel gebrachten Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik. Wenn jetzt in Europa zur Durchsetzung der angestrebten Wirkungen der Niedrigzinspolitik nicht zuletzt aus geldpolitischen Gründen über eine Abschaffung des Bargeldes diskutiert wird, erinnert Jens Weidmann, wie schon im Sommer vergangenen Jahres, entschieden an die tieferen Ursachen des Niedrigzinsniveaus, nämlich die allgemeine Wachstumsschwäche in entwickelten Volkswirtschaften. Angefangen von der Qualität der Bildung, über die trotz günstiger Marktbedingungen immer noch viel zu hohe Staatsverschuldung bis hin zu einem Blick auf eine ausgewogene Einkommensverteilung fallen ihm noch viele wirksamere Maßnahmen zur Überwindung der Nullzinsgrenze ein als die Bargeldabschaffung. Wenn nun zusätzlich noch die Debatte um Helicopter Money breiten Einzug in die Diskussion hält, kann irgendwann auch eine noch so sympathische Gegenrede Einzelner den Vertrauensverlust in die Notenbanken und deren Geldpolitik nicht mehr retten. Von einer Unabhängigkeit der Notenbanken kann man schon heute nur noch schwerlich reden. Und unbegrenzt ist ihre Glaubwürdigkeit sicherlich nicht.

Der Abschluss der Deutschen Bundesbank für das Berichtsjahr 2015 tritt vor dem Hintergrund solch zentraler Fragen einer glaubwürdigen Notenbankpolitik fast in den Hintergrund (siehe Zentralbanken Seite 299). Die Bundesbank hat 2015 nicht zuletzt dank einer Verringerung der Risikovorsorge um 0,8 Milliarden Euro auf 13,6 Milliarden Euro einen Überschuss von 3,2 (3,0) Milliarden Euro erzielt und den Gewinn Ende Februar 2016 in voller Höhe an den Bund überwiesen.

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