Deutsche Bundesbank

Röntgenbild der Geldpolitik

Dr. Jens Weidmann, Präsident Deutsche Bundesbank

Bild: Manjit Jari

Weshalb hat Jens Weidmann als Einstieg in die Jahrespressekonferenz der Deutschen Bundesbank die Bilanz seines Hauses als Röntgenbild der Geldpolitik bezeichnet? Wenn ein Notenbanker gerade dieses Bild aus dem medizinischen Bereich bemüht, soll das wohl zur Diagnose anregen. Und diese orientiert sich üblicherweise zuerst einmal an auffälligen Veränderungen gegenüber dem Normalzustand. Setzt man diesen wiederum als die Zeit vor der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken an, zeigen sich gewaltige Verschiebungen bei Bilanzstruktur und -volumen. So hat sich die Bilanzsumme der Notenbank seit dem Jahr 2006 nahezu vervierfacht. Allein für das Berichtsjahr 2016 hat sie sich im Zuge der geld- und währungspolitischen Geschäfte um 381 Milliarden Euro auf 1 393 Milliarden Euro erhöht. Und angesichts der von der EZB schon beschlossenen Fortführung der Ankaufprogramme wird sich dieser Trend auch im laufenden Jahr fortsetzen, ab April mit einem wieder auf monatlich insgesamt 60 Milliarden Euro reduzierten Ankaufvolumen.

Auf der Aktivseite der Bundesbankbilanz entfiel ein großer Teil der Bilanzausweitung 2016 auf den Anstieg des Bestandes der Wertpapiere für geldpolitische Zwecke um 185,4 auf 357,7 Milliarden Euro. Allein dem Ankauf deutscher Staatsanleihen schreibt die Bundesbank im Berichtsjahr einen Zuwachs von 165,4 Milliarden Euro zu. Zudem schlugen sich die Liquiditätszuflüsse aus dem Ausland in einer Zunahme der Target-2-Forderungen gegenüber der EZB um 170,1 Milliarden Euro auf 754,3 Milliarden Euro nieder - auch diese Bilanzposition dürfte weiter ansteigen. Auf die fast schon obligatorische Frage nach den Risiken der Target-2-Salden konnte und kann Jens Weidmann nur betonen, dass der Jahresabschluss auf der Annahme einer Fortführung der Europäischen Währungsunion basiert. Bei der Einschätzung der Risikolage gibt es inzwischen aber die Mahnung beziehungsweise Erinnerung von Mario Draghi an Parlamentarier in Italien und sicherlich auch andere Länder, nicht so leichtfertig mit einem Euroaustritt zu kokettieren, ohne dabei darüber aufzuklären, dass dieser vorher mit einem Ausgleich der Target-2-Salden an die EZB verbunden wäre - zumindest der Vertragslage nach. Die Bundesbank spricht diese grundsätzliche Risikolage in ihrem Geschäftsbericht 2016 auch klar an. Aber was passiert konkret, wenn ein Mitgliedsstaat austritt und nicht zahlt?

Auf der Passivseite der Bundesbankbilanz haben sich die Einlagen von Kreditinstituten um 202,6 Milliarden Euro auf 411,3 Milliarden Euro fast und die Euro-Guthaben in- und ausländischer Einleger um 123,8 auf 222,8 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. In der GuV-Rechnung 2016 trug diese verkehrte Welt übrigens dazu bei, der Bundesbank Erträge aus Negativzinsen von insgesamt 1,047 Milliarden Euro zuzuspülen. Und genau dafür hat die Notenbank für den nicht unwahrscheinlichen Fall von Leitzinserhöhungen und den damit verbundenen Zinsaufwendungen erstmals Wagnisrückstellungen für Zinsänderungsrisiken gebildet, die den Großteil der um 1,75 Milliarden Euro erhöhten Risikovorsorge ausmachen. Misst man die Höhe dieser und der anderen Wagnisrückstellungen aus Wechselkursrisiken, Kreditrisiken aus den Refinanzierungsoperationen sowie Ausfallrisiken aus dem geldpolitischen Ankauf von Wertpapieren - in Summe sind das 15,35 (13,60) Milliarden Euro - an der Bilanzsumme, so sieht Jens Weidmann die Bundesbank innerhalb des Eurosystems eher im Mittelfeld positioniert. Er lässt dabei aber keinen Zweifel aufkommen, dass sein Haus bei der Dotierung von Wagnisrückstellungen eher konservativ agiert.

Den nicht zuletzt durch die erhöhten Wagnisrückstellungen bedingten Rückgang des überwiesenen Bundesbankgewinns (von 3,189 Milliarden Euro auf 399 Millionen Euro; rund 600 Millionen wurden wegen der neuen HGB-Regelungen zur Abzinsung der Altersvorsorgevorschriften nicht ausgeschüttet) wird der Bundesfinanzminister übrigens verschmerzen können. Denn der Überschuss im deutschen Staatshaushalt ist mit 23,7 Milliarden Euro noch stärker ausgefallen als zuletzt erwartet und liegt allein beim Bund bei 7,7 Milliarden Euro.

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