Deutsche Bank

Zu lange schon im Wandel

Quelle: Deutsche Bank

Bis 2012 war doch eigentlich alles in Ordnung. Der Gewinn nach Steuern lag im Gesamtjahr 2011 bei 4,3 Milliarden Euro nach 2,3 Milliarden im Vorjahr. Das Ergebnis je Aktie (verwässert) betrug 4,30 Euro gegenüber 2,92 Euro im Jahr 2010. Die Eigenkapitalrendite vor Steuern nach Zielgrößendefinition und bezogen auf das durchschnittliche Active Equity lag 2011 bei 9,8 Prozent nach 14,7 Prozent im Jahr 2010. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen der Hauptversammlung für 2011 eine zum Vorjahr unveränderte Dividende von 0,75 Euro je Aktie vor. Es war das letzte Jahr in der Verantwortung von Josef Ackermann, der mit der Hauptversammlung 2012 den Vorstandsvorsitz niederlegte. Er sagte damals auf der Bilanzpressekonferenz: "Die Deutsche Bank hat erneut bewiesen, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen ansehnliche Ergebnisse erzielen kann. Unsere klassischen Geschäftsfelder haben 2011 mit Rekordergebnissen marktbedingte Schwächen im Investmentbanking ausgeglichen. Kapital, Liquidität und Refinanzierungsquellen wurden deutlich gestärkt. Insgesamt verfügt die Bank damit über eine hervorragende Ausgangsbasis, den Erfolgskurs der vergangenen Jahre auch in Zukunft fortzusetzen."

Davon können Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter von Deutschlands ehedem so mächtigen und bedeutenden Geldhaus nur noch träumen. Denn ganz offensichtlich war in der Ära Ackermann fast jedes Mittel recht, um Geschäft und damit Geld zu machen. Darunter leidet die Deutsche Bank bis heute. Erst kam die Doppelspitze mit dem Investmentbanker Anshu Jain und dem international erfahrenen Traditionalisten Jürgen Fitschen, die 2013 den Kulturwandel ausriefen: "Dies ist die umfassendste Umgestaltung der Deutschen Bank in der jüngeren Zeit. Mit der Initiierung der Strategie 2015+ im September haben wir einen wohlüberlegten, aber manchmal unbequemen Wandel auf den Weg gebracht, um langfristig und nachhaltig erfolgreich zu sein. Gleichzeitig haben wir einen grundlegenden kulturellen Wandel in der Bank eingeleitet. Diese Aufgabe wird uns nicht nur die nächsten Monate, sondern über Jahre hinweg beschäftigen." Wenigstens mit dem letzten Satz hatten die beiden recht. Der angekündigte Kulturwandel - eine neue Vergütungspraxis mit weniger variablen Vergütungen, stärkere Kontrollmechanismen, höhere Integrität gegenüber Kunden, mehr operationelle Disziplin und stärkere siloübergreifende Zusammenarbeit - ließ jedoch auf sich warten. Jain und Fitschen konnten das Projekt nicht mehr vollenden.

Denn es folgte der ehemalige Aufsichtsrat und Vorsitzende des Kreditausschusses John Cryan an der Vorstandsspitze. Er nahm die Vorgänge der vergangenen Jahre zum Anlass, sich zu entschuldigen, ein beispielsloser Vorgang in der Geschichte der Deutschen Bank: "Diese Altlasten haben uns nicht nur viel Geld, sondern auch Reputation und Vertrauen gekostet. [...] Das möchte ich zum Anlass nehmen, um im Namen des Vorstands der Deutschen Bank unser tiefes Bedauern auszudrücken für das, was geschehen ist. Wir möchten uns dafür entschuldigen." Die neue Deutsche Bank sollte ein Haus sein, das ehrlich rüberkommt, voller Demut und Dienstbarkeit. Eine Bank, die "wirtschaftliches Wachstum fördert und die Gemeinschaft voranbringt, eine Bank, die Positives bewirken kann." Doch auch Cryan scheiterte - an den Strukturen, an dem Machtgefüge, an den allgemeinen Rahmenbedingungen. Natürlich wäre mit höheren Zinsen sicherlich vieles besser gelaufen. Vom Kulturwandel war die Deutsche aber immer noch weit entfernt.

Es übernahm nach nur drei Jahren Cryan das Eigengewächs Christian Sewing, der wie Hilmar Kopper auch schon seine Banklehre im Alter von gerade mal 19 Jahren bei der Deutschen Bank absolviert hatte. 30 Jahre später blies er zur Jagd, wollte dem Institut endlich wieder jenes altbekannte Selbstbewusstsein und jenen Stolz einimpfen, der das Haus viele Jahrzehnte lang so erfolgreich, aber auch so unbeliebt gemacht hat. In einem Brief an die Mitarbeiter direkt nach der Ernennung zum neuen CEO kündigte er "harte Entscheidungen" an, die er treffen und umsetzen werde. Weiter schrieb er: "Mit Blick auf die Erträge müssen wir unsere Jägermentalität zurückgewinnen, uns in allen Geschäftsbereichen steigern und die Messlatte wieder höher legen." Solide dürfe nicht der Anspruch sein, stellte er fest.

Dabei wäre es vielleicht gerade ein bisschen mehr Solidität, die der Deutschen guttun würde. Denn zur Ruhe kommt das Haus auch unter dem vierten Vorstandsvorsitzenden der vergangenen sieben Jahre nicht. Die Verwicklungen in den Geldwäscheskandal samt publicityträchtiger Razzia durch die Staatsanwaltschaft zeigt einmal mehr, dass sich eigentlich nichts geändert hat. Das mag für diejenigen anders sein, die das Haus intensiv von innen kennen. Für den außenstehenden Betrachter ist es einfach nur einmal mehr der Beleg, dass den Mitarbeitern der Deutschen Bank einfach alles zuzutrauen ist. Und das ist ein Führungs- und Compliancethema. Für Sewing wird es etwas schwieriger, hier hart durchzugreifen und entsprechende Zeichen zu setzen, denn die Vorkommnisse fallen allesamt in seine Zeit bei der Deutschen. Kein Wunder bei dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit, schon richtig. Aber seit 2015 war Sewing Mitglied des Konzernvorstands und damit in verantwortlicher Position, auch wenn es nicht seinen Geschäftsbereich betraf.

Doch es geht gar nicht um den Vorstandschef. Es geht um die Mentalität einer Bank, die sich endlich neu erfinden muss. Dafür braucht sie vor allem zwei Dinge: Endlich wieder Erfolge und etwas mehr Ruhe. Für beides kann sie selbst sorgen.

PS: Wer übrigens auch bei allem dabei und beteiligt war, ist Paul Achleitner. Aber die Frage nach der Verantwortung des Aufsichtsratschefs wurde schon oft gestellt und blieb bis heute unbeantwortet - leider!

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