Bank Lending Survey

"One-size-fits-all"-Geldpolitik der EZB zu Recht umstritten

Seit September 2014 verharrt der Hauptrefinanzierungszinssatz der Europäischen Zentralbank auf einem historischen Tiefstand von lediglich fünf Basispunkten. Ziel der im November 2011 begonnenen Zinssenkungen, die durch als "außergewöhnlich" verstandene Maßnahmen flankiert werden, ist unter anderem die (Wieder-)Belebung der zögerlichen Kreditvergabe der Geschäftsbanken. Dieses Eingeständnis eines Versiegens des Kreditkanals stellt die generelle Funktionsweise geldpolitischer Transmissionsmechanismen in der Eurozone infrage.

Nach Maßgabe des vierteljährlich durchgeführten Bank Lending Survey scheint sich die Lage zu verbessern. Die Ergebnisse der repräsentativen Stichprobe (141 von der EZB im Dezember 2015 befragte Geschäftsbanken) deuten darauf hin, dass sich die Bedingungen für Unternehmenskredite weiter lockerten. Aufgrund des allgemein niedrigen Zinsniveaus erfuhr die Nettokreditnachfrage eine Belebung. Diese ist auf den Finanzierungsbedarf von Anlage- und Umlaufvermögen sowie die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten zurückzuführen.

Ein Blick in das nichtaggregierte Zahlenwerk jedoch fällt schon ernüchternder aus. In den gesondert ausgewiesenen fünf größten Volkswirtschaften der Eurozone kam es im Vergleich zum Vorquartal zu keinerlei Lockerung der Bedingungen für Unternehmenskredite. Entsprechende Entwicklungen sind eher auf den wachsenden Wettbewerb als auf konkrete geldpolitische Maßnahmen zurückzuführen. Und auch wenn es in Deutschland und Spanien zu einem Anstieg der Nachfrage nach Unternehmenskrediten kam, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Werte in Frankreich und den Niederlanden spürbar eintrübten. Ähnlich die Entwicklung im Falle der Immobilienkredite: Während sich die Nachfrage in Spanien langsam erholt, kam es in Deutschland zuletzt zu einer Abkühlung. Darüber hinaus zeigt der Bank Lending Survey, dass das Interesse der Banken an Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTROs) einbricht. Begriffen vor Jahresfrist noch mehr als die Hälfte der Banken TLTROs als Refinanzierungsinstrument, war es im Dezember 2015 nur noch ein Fünftel. Da den Banken ungeachtet einer erneuten Verschlechterung des Zugangs zu den Geldmärkten aktuell jedoch keine Finanzierungsengpässe drohen, nutzen sie TLTROs vornehmlich aus Gründen der Profitabilität - und weniger als Refinanzierungsinstrument.

Ungeachtet vereinzelter Lichtblicke darf der Bank Lending Survey nicht darüber hinwegtäuschen, dass die geldpolitische Lage in der Eurozone reichlich verworren bleibt. Es wäre verfrüht, Entwarnung zu geben. Die Gefahr einer Liquiditätsfalle ist nicht gebannt. Die Geldpolitik der EZB kann für die Volkswirtschaften der Eurozone nicht gleichermaßen adäquat sein. Der Ansatz einer Geldpolitik nach dem Motto "one-size-fitsall" ist zu Recht umstritten.

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

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