Geldpolitik II

Schlechtes Omen für Draghis Anleihekaufprogramm

Als der Präsident der EZB, Mario Draghi, im Sommer 2012 versprach, er werde tun "whatever it takes," um den Euro zu retten, gelang ihm eine Art Vertrauenstrick, denn die bis dahin stark verunsicherten Märkte wurden durch diese bloße Ankündigung nachhaltig beruhigt. Man wird im Rückblick von der Abwendung einer Notstandssituation sprechen dürfen, die dem EZB-Präsidenten durch Hypnotisierung der Markterwartungen gelang. Ob dies noch innerhalb des der EZB erteilten, recht engen Mandates zur Gewährleistung der Preisstabilität nach Artikel 127 des EU-Vertrages lag, bleibt umstritten.

Von den Kritikern wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Mandat der EZB wie das der Bundesbank gerade nicht in die allgemeine Fiskal- und Wirtschaftspolitik der EU eingebettet oder auf sie ausgerichtet ist, wie das bei der US Fed oder der Bank of England der Fall ist (sogenanntes dual mandate), sondern lediglich auf Preisstabilität. Ein so enges Mandat macht Sinn, weil die EU trotz einheitlicher Währung in der Eurozone mit einer für die EU einheitlichen Fiskal- und Wirtschaftspolitik nachhinkt. Weil also die Verwirklichung einer EU-Fiskal- und Wirtschaftsunion - die dann auch demokratisch legitimiert zu sein und sich politisch zu verantworten hätte - noch aussteht, kann es der weder legitimierten noch verantwortlichen EZB nicht zustehen, in dieser Richtung von sich aus aktiv oder gar dominant zu werden.

Zur Rechtfertigung des am 22. Januar 2015 verkündeten Anleihekaufprogramms von über 1100 Milliarden Euro beschwört die EZB Deflationsrisiken. Ob solche überhaupt drohen, wird nicht nur von Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Exbundesbankpräsident Axel Weber bestritten, die auf die eher nachfrage- und wachstumsstimulierenden Auswirkungen der stark gefallenen Ölpreise für den EU-Raum verweisen.

Draghi setzt aber auch auf die Wirtschaftsaktivität belebende Wirkungen der gigantischen monetären Flutung. Ob das in einem Umfeld von niedrigen bis negativen Zinsen die Folge sein kann, muss indes bezweifelt werden. Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten und wirtschaftspolitische Maßnahmen, welche Investitionen wie Nachfrage anregen, sind für eine allgemeine Belebung der Wirtschaftstätigkeit effektiver als pauschale monetäre Lockerung. Sichere Folgen werden lediglich das weitere Aufblähen von Aktienkursen und Grundstücksmärkten sein bei gleichzeitig harter Enteignung der Sparer von bloßen Geldvermögen. Dazu kommt das Risiko eines sich in eine Negativspirale verwandelnden Abwertungsablaufs der um Marktanteile im internationalen Exportgeschäft ringenden Währungsräume. Das Gegenteil hierzu ist die Entscheidung der Schweizer Nationalbank, die sich in Antizipation des seitens der EZB erwarteten Quantitative Easing abrupt von der im September 2011 eingeführten Wechselkursfixierung an den Euro abwandte und für den nun stärker unter Druck geratenen Export zur Verteidigung der Wettbewerbsfähigkeit eher auf Qualität und Innovation setzt.

Die Selbstrechtfertigung Draghis vor dem Urteil der Geschichte könnte lauten, dass er sich gerade angesichts einer noch immer fehlenden EU-Fiskalunion zum Handeln gezwungen sah. Wenn er Glück hat, hilft die Ölpreissenkung bei einer Stimulation der EU-Wirtschaft, sein Kaufprogramm indessen kaum. Aber die abenteuerliche Selbstermächtigung der EZB könnte noch zu gefährlichen politischen Reaktionen bei den im Aufwind begriffenen populistischen Bewegungen führen.

Michael Altenburg, Luzern

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