Redaktionsgespräch mit Günther Bräunig

"Durch aktive Kundenansprache kann sich eine starke Dynamik entwickeln."

Dr. Günter Bräuning Foto: KfW-Bildarchiv / Jens Steingaesser

Die KfW-Gruppe sieht in ihrer Rolle als Förderbank Nachhaltigkeit als Teil ihrer DNA. Um sicherzustellen, selbst dementsprechend zu arbeiten, prüfen sie, Günther Bräunig zufolge, den Fördereffekt ihrer Finanzierungen, achten auf einen nachhaltigen Bankbetrieb und die Aufstellung als verantwortungsvoller Arbeitgeber. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffes "Nachhaltigkeit" begrüßt es die KfW, dass die EU-Kommission im Mai ein Paket von Verordnungsvorschlägen vorgelegt hat, die unter anderem für den Finanzsektor definieren, was "nachhaltige Umweltaktivitäten" sind. Generell sollte nach Meinung des Autors die Finanzwirtschaft die nachhaltige Entwicklung durch die Berücksichtigung materieller Klimarisiken, passende Finanzprodukte und Instrumente zur Risikoübernahme sowie die Bereitstellung der erforderlichen Volumina unterstützen. (Red.)

Herr Dr. Bräunig, das Thema Sustainable Finance - also die Frage, welchen Beitrag die Finanzwirtschaft für ein klimagerechtes und nachhaltiges Wirtschaften leisten kann - gewinnt immer mehr an Fahrt: Wie ist die größte deutsche Förderbank mit dieser Fragestellung konfrontiert?

Wir beschäftigen uns sehr intensiv damit. Als Förderbank, bei der Nachhaltigkeit Teil der DNA ist, sehen wir uns zwar schon immer als ein Treiber für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Aber seit dem Klimaabkommen von Paris im Jahr 2015 und der Verabschiedung der SDGs, der Sustainable Development Goals im selben Jahr hat das Thema - zu Recht - nochmal deutlich an Bedeutung gewonnen.

Wie stellen Sie sicher, dass die eigene Organisation, also die KfW, in einem umfassenden Sinn nachhaltig ist?

Das steuern wir derzeit im Wesentlichen über drei Stoßrichtungen: Wir prüfen den Fördereffekt unserer Finanzierungen, achten auf einen nachhaltigen Bankbetrieb und auf unsere Aufstellung als verantwortungsvoller Arbeitgeber. Organisatorisch liegt die Gesamtverantwortung beim Nachhaltigkeitsvorstand. Aufgrund der zentralen Bedeutung des Themas ist dies in der KfW Bankengruppe bei mir als Vorstandsvorsitzendem angesiedelt. Einen wichtigen strategischen Impuls erhoffen wir uns von der kürzlich vom Vorstand beschlossenen Aufnahme der Nachhaltigkeitsratings der KfW in unsere zentrale strategische Steuerung: Wir wollen im Vergleich der nationalen und internationalen Förderbanken im Durchschnitt unter den fünf Besten sein. Das sind wir Stand heute schon, aber es wird viel zu tun sein, diese Position im Wettbewerb zu halten.

Mit welchen Maßnahmen können Mitarbeiter zu nachhaltigem Handeln motiviert werden?

Wir versuchen, die Ideen und Potenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mehr Nachhaltigkeit in Wert zu setzen: Das fängt beim betrieblichen Vorschlagswesen an, geht über das Angebot von Jobtickets und Elektro-Ladesäulen für E-Bikes bis hin zu regelmäßigen Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen im Intranet. Nachhaltiges Handeln unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heißt aber auch, ihre Aufgaben aus Nachhaltigkeitssicht richtig zu lenken: Zum Beispiel müssen die Kreditprozesse in den Marktbereichen klar und zielführend definiert sein, um den Förderzweck unserer Finanzierungen sicherzustellen und zugleich - zum Beispiel bei der Mitfinanzierung großer Infrastrukturprojekte - nicht tragbare Risiken für Umwelt und soziale Belange auszuschließen.

Sprechen wir eigentlich immer über das Gleiche, wenn wir über Nachhaltigkeit und Sustainability sprechen?

Nein, und das ist natürlich ein Teil des Problems. Nachhaltigkeit ist ein vielschichtiger Begriff mit drei unterschiedlichen thematischen Säulen - Umwelt, soziale und wirtschaftliche Entwicklung -, zwischen denen durchaus auch Zielkonflikte bestehen können.

Aus Sicht des Finanzsektors ist es deshalb unbedingt zu begrüßen, dass die EU-Kommission im Mai dieses Jahres ein Paket von Verordnungsvorschlägen vorgelegt hat, das unter anderem zum Ziel hat, für den Finanzsektor zu definieren, was "nachhaltige Umweltaktivitäten" sind. Auf der in Arbeit befindlichen Sustainable-Finance-Taxonomie aufbauend werden die Finanzmarktakteure skalierbare Finanzprodukte entwickeln können, die helfen werden, die für eine klimagerechte und nachhaltige Entwicklung nötigen enormen Investitionsvolumina zu stemmen.

Wie hoch ist der Anteil von Green Bonds aktuell am gesamten Refinanzierungsmix der KfW? Welche Zielgröße streben Sie an?

Green Bonds nehmen bisher mit zwei bis drei Milliarden Euro im Jahr in unserer Gesamtrefinanzierung von jährlich rund 80 Milliarden Euro noch einen kleinen Anteil ein.

Die jährliche Emissionsgröße wird hierbei von dem zugrunde liegenden Kreditprogramm gesteuert und nicht andersrum. In diesem Jahr waren die Kreditabrufe unter dem Erneuerbare-Energien-Programm jedoch etwas rückläufig.

Kann man mit Green Bonds neue Investorengruppen erschließen? Ergibt sich für den Emittenten ein Pricing-Vorteil?

Ein wesentliches Ziel unseres Eintritts in den Green-Bond-Markt im Jahr 2014 war, Marktteilnehmer weltweit für Sustainable Finance zu sensibilisieren und gewinnen. Denn der Kapitalbedarf für den Transformationsprozess zu einem zukunftsfähigen globalen Wirtschaftssystem ist enorm! Dieses Ziel haben wir erreicht, denn wir haben definitiv neue Investoren aus verschiedensten Ländern und Marktsegmenten für uns gewonnen. Auch gibt es am Markt immer mehr Nachfrage von Asset Managern und Funds, die nur gezielt in Green Bonds investieren dürfen und die wir ohne unser Angebot gar nicht erreichen könnten. Hierbei zusätzlich einen Preisvorteil zu erlangen, wäre wünschenswert. Bisher sehen wir dies jedoch nicht konstant am Markt, da auch Faktoren wie Emissionsvolumen und Größe der Nachfrage beispielsweise von ESG-Investoren eine wichtige Rolle spielen. Bei vereinzelten Transaktionen konnten wir am Primärmarkt Preisvorteile erreichen und sehen zum Teil auch am Sekundärmarkt "eine grüne Kurve" mit leicht abweichenden Renditen gegenüber klassischen Bonds.

Wie strikt achtet die KfW auf Nachhaltigkeit bei eigenen Investments?

Als Unterzeichnerin der Principles for Responsible Investment (PRI) hat sich die KfW bereits 2006 verpflichtet, ihr Verhalten als Wertpapierinvestorin auf Nachhaltigkeit auszurichten. Im Rahmen unserer Kapitalmarktaktivitäten verwalten wir drei Rentenportfolios mit unterschiedlichen Zielsetzungen:

Für unser Liquiditätsportfolio als Bestandteil unseres Liquiditätsmanagements haben wir 2008 einen nachhaltigen Investmentansatz eingeführt und über die Jahre weiterentwickelt. Er besteht aus den Komponenten ESG-Integration, Ausschlüsse und Engagement. Seit 2017 verfolgen wir einen Best-in-Class-Ansatz und schließen somit die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten schlechtesten Emittenten von unserem Investitionsuniversum aus.

Ferner investieren wir in zwei Förderportfolios: Gemäß Auftragsschreiben des BMWi investieren wir im Rahmen der kapitalmarktorientierten Mittelstandsfinanzierung in Verbriefungstransaktionen (ABS & ABCP), die der Finanzierung des deutschen und europäischen Mittelstandes zugutekommen. Und seit April 2015 bauen wir im Auftrag des Bundesumweltministeriums ein Green-Bond-Förderportfolio mit einem Zielvolumen von zwei Milliarden Euro auf.

Welche Rolle spielen bei der Zusage von Mitteln heute schon nachhaltige Aspekte? Übt eine KfW über bestimmte Förderanreize eine Steuerungsfunktion aus?

Natürlich, es ist ja unsere Kernaufgabe, Finanzierungen zum Beispiel für Klimaschutz, Bildung oder Innovationen bereitzustellen. Ein aktuelles Beispiel, das mir sehr am Herzen liegt, ist die neue Clean Oceans Initiative: Mit dem Meeresschutzprojekt wollen KfW, Europäische Investitionsbank und Agence Française de Développement der Verschmutzung der Weltmeere entgegenwirken. Die Partner stellen langfristige Finanzierungen in Höhe von zwei Milliarden Euro für Vorhaben bereit, mit denen die Verschmutzung der Meere mit Abfällen, insbesondere Plastikmüll, sowie die Einleitung ungeklärter Abwässer reduziert werden sollen.

Wir sind im Übrigen im Rahmen unserer internen "Roadmap Sustainable Finance" dabei, unser Steuerungskonzept zu hinterfragen. Bisher haben wir hier eine "Umweltquote", das heißt eine Zielquote für Umwelt- und Klimainvestitionen, wobei wir den langfristigen Zielwert von rund einem Drittel der Neuzusagen mit rund 43 Prozent im Vorjahr schon deutlich übertroffen haben. Gleichwohl prüfen wir derzeit intensiv, ob beispielsweise eine Steuerung nach der genannten EU-Taxonomie oder nach den SDGs zielführend wäre. Diese Fragen wollen wir bis 2020 für uns beantwortet haben.

Wie weit ist die KfW beim Thema Desinvestment von nicht nachhaltigen Finanzierungen?

Schaut man auf unsere Aktivseite, so sieht man, dass die KfW mehrere Teilbanken mit sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen hat. Zum Teil kommen hier schon Ausschlusslisten zur Anwendung. Wir arbeiten aktuell daran, diese für den Gesamtkonzern zu vereinheitlichen.

Stranded Assets sind immer wieder ein Thema. Sehen Sie auf der Risikoseite Handlungsbedarf für die KfW, Ausfallrisiken durch den Klimawandel oder durch eine sich verschärfende Klimapolitik systematischer anzugehen?

Klimarisiken lassen sich unterscheiden in physische Risiken, zum Beispiel durch Klimawandel verursachte vermehrte Naturkatastrophen, und in transitorische Risiken, zum Beispiel regulatorische Eingriffe des Staates wie eine CO2 -Steuer. Wir sehen - analog etwa zu Cyberrisiken oder demografischen Risiken - in Klimarisiken keine eigene, neue Risikoart, sondern einen wichtigen Risikotreiber für bestehende Risikoarten, wie das Kreditrisiko. Im Rahmen einer ganzheitlichen Kreditrisikoanalyse versuchen wir in der KfW bereits heute, alle relevanten Risikotreiber zu identifizieren und einzuwerten, so eben auch die Klimarisiken. Den Handlungsbedarf sehen wir als ständigen Verbesserungsprozess, nämlich diesen Risikotreiber - wie andere Risikotreiber auch - immer besser einschätzen zu können.

Sehr wichtig sind uns aber darüber hinaus die Transparenz und die Diskussion mit unseren Kunden und Stakeholdern über die - für manche vielleicht noch exotischen - Klimarisiken. Deshalb haben wir am 24. Oktober 2018 als erste Förderbank in Deutschland auch unseren Support für die Grundeinstellung der TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosure) erklärt.

Was hieße es für die KfW, wenn künftig nur noch "grüne" Geschäfte gemacht würden? Wie viele Kunden würden Sie dann verlieren, wie groß wären Sie dann noch?

Eines ist ganz klar: Auch wenn wir auf der einen Seite über eine Ausschlussliste selektiv Finanzierungen aus ethischen Gründen ausschließen und auf der anderen Seite versuchen, den Anteil unserer Finanzierungen gemäß der kommenden EU-Taxonomie oder mit nachweisbarem Beitrag zu den SDGs zu erhöhen, wird immer ein großer Abschnitt bleiben, der, wenn man so will, "neutral" ist.

Nehmen Sie als Beispiele Kredite für den Bau einer Lagerhalle oder einer Brücke oder auch einen Gründerkredit. Das Spektrum produktiver Investitionen, die nicht zwangsläufig "grün" oder "nachhaltig" sind, ist groß. Wobei man vielfach auch wiederum sagen könnte, dass dies wichtige Beiträge für die wirtschaftliche Säule der Nachhaltigkeit sind.

Welche Rolle sollte die Aufsicht spielen?

Sachgerecht sollte sie agieren, und das beobachten wir auch. Die BaFin hat beispielsweise angekündigt, Klimarisiken stärker in ihren Prüfungen aufzugreifen. Solange dabei immer auch berücksichtigt wird, Klimarisiken nach ihrer Materialität zu steuern, ist das aus meiner Sicht auf alle Fälle gerechtfertigt.

Wichtig ist uns hierbei, dass zunächst ein gemeinsames Grundverständnis mit den Aufsichtsorganen geschaffen wird, was in der Bankenbranche als Nachhaltigkeitsrisiko oder Klimarisiko zu verstehen ist. Ein Austausch zwischen Aufsicht und Akteuren angesichts dieser etwas besonderen Risiken sollte daher unbedingt erfolgen. Weitergehende Definitionen beziehungsweise Detailabgrenzungen dieser Risiken sollten jedoch - wie bei anderen Risiken auch - den Finanzmarktteilnehmern überlassen werden.

Von wem kommt derzeit der größte Druck in Sachen Sustainability: von der Politik, von Investoren oder von Kunden?

Die Politik ist aktiv, vor allem die EU. Der Druck der Investoren ist schon lange spürbar und steigt kontinuierlich. Vielleicht noch am wenigsten Druck üben die Kunden aus, aber hier hat die Finanzwirtschaft auch eine Bringschuld: Die Kunden - ob bei Krediten oder bei der Geldanlage - müssen für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert und aktiv angesprochen werden. Hieraus kann sich eine starke Dynamik entwickeln.

Es heißt vonseiten der Politik immer, die Finanzwirtschaft sei der Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Kann die Kreditwirtschaft dieser Rolle überhaupt gerecht werden?

Die Finanzwirtschaft sollte eine nachhaltige Entwicklung mit den ihr gegebenen Mitteln flankieren und unterstützen: Angemessene Berücksichtigung materieller Klimarisiken, passende Finanzprodukte, insbesondere Langfristfinanzierungen und Instrumente zur Risikoübernahme sowie Bereitstellung der erforderlichen Volumina. Aber natürlich müssen zuvorderst in der Realwirtschaft die richtigen Maßnahmen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit implementiert werden, in Industrie, Verkehr sowie Land- und Forstwirtschaft. Die aktuell erkennbar hohe Aufmerksamkeit für Sustainable Finance in Politik und Gesellschaft ist unbedingt zu begrüßen, darf hiervon aber nicht ablenken.

Was wünschen Sie sich also von der Politik?

Wie gesagt, die Politik muss die richtigen Weichen in wichtigen Sektoren auf nationaler, EU und internationaler Ebene stellen. Die Finanzwirtschaft steht zum Dialog bereit: Das im letzten Jahr gegründete Green and Sustainable Finance Cluster Germany - ein Zusammenschluss maßgeblicher Finanzmarktakteure mit dem gemeinsamen Ziel, eine nachhaltige Entwicklung zu befördern - bietet in Deutschland einen wichtigen Anlaufpunkt.

Dr. Günther Bräunig Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main
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