Redaktionsgespräch mit Felix Hufeld

"Harmonisierte Aufsicht hat nicht zur Konsequenz, dass diese europäische Aufsicht in allen Ländern das Gleiche tut"

Felix Hufeld, Präsident, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Bonn/Frankfurt am Main

Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zieht nach einem Jahr gemeinsamer Bankenaufsicht für Europa ein zufriedenstellendes Fazit, macht aber natürlich noch viel Optimierungspotenzial aus. Für die deutsche Aufsicht wie für die deutschen Institute bedeutet all das eine Umstellung auf eine datenbasiertere Aufsicht und auch höhere Anforderungen. Das sei aber zu bewältigen. Denn auch trotz einer vereinheitlichten Aufsichtspraxis aus einem neuen Aufsichtsinstitut heraus, sei Differenzierung immer noch wichtig und möglich. Mehr Sorge bereitet ihm die Ertragslage, denn es seien spürbare Rückgänge zu erwarten. Durch glättende Sonderfaktoren in den vergangenen Jahren sei die Relevanz aber noch nicht überall gleichermaßen angekommen. Die von der Kreditwirtschaft angemahnte aufsichtliche Bevorzugung von beispielsweise Fintechs oder Versicherungen sieht er nicht. (Red.)

Herr Hufeld, Sie sind seit 1. März 2015 Präsident der BaFin, kann man zehn Monate später schon eine erste Bilanz ziehen?

Die Mischung der verschiedenen Aufgaben eines BaFin-Präsidenten ist faszinierend, aber auch sehr anspruchsvoll. Die Finanzaufsicht befindet sich derzeit in einer sehr aktiven Phase. Wir stehen an mehreren Stellen unmittelbar vor oder inmitten von Umbrüchen, die es zu begleiten gilt. Aber genau das reizt mich: Eine bloß repetitive Tätigkeit in einem geordneten Umfeld, die nur der Bestandswahrung dient, würde mich weniger motivieren. Ich freue mich, dass ich diese verantwortungsvolle und herausragend spannende Aufgabe wahrnehmen darf und versuche, sie so gut zu erfüllen, wie ich kann.

Sie sprechen von einer "sehr aktiven Phase der Finanzaufsicht": Wie macht sich das im Haus BaFin bemerkbar, was hat sich seit Ihrem Eintritt in die BaFin 2013 verändert beziehungsweise verschärft?

Die größten Auswirkungen - auch institutionell - hat die neue europäische Bankenaufsicht. Erstmals wurde dadurch ein operatives Aufsichtsmandat europäisiert oder besser gesagt "euroisiert". EBA, EIOPA und ESMA sind ja in erster Linie regulatorische Harmonisierer und haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine originären Aufsichtsmandate. Der Single Supervisory Mechanism der EZB ist dagegen eine klassische Aufsichtsbehörde. Das verändert auch die Arbeit der BaFin enorm. Sich da rauf einzustellen, ist nicht einfach, aber zu managen.

Wie hat der Übergang auf die europäische Regulierung aus Ihrer Wahrnehmung heraus geklappt?

Der Übergang in diese neue Welt ist besser geglückt, als viele befürchtet haben. Aber wir befinden uns immer noch in der Phase des Aufbaus, das ist auch der EZB bewusst. In drei Jahren wird das noch ganz anders funktionieren als jetzt, nach einem Jahr. Aber vor dem Hintergrund, dass hier in kürzester Zeit mit unglaublicher Geschwindigkeit eine behördliche Tätigkeit dieser Komplexität geschaffen wurde, kann man nur sagen: Hut ab!

Zurück zu den Konsequenzen für die BaFin ...

Wir müssen uns, wie alle anderen nationalen Aufsichtsbehörden auch, in diesem Flechtwerk eines gemeinsamen Aufsichtsmandates zurechtfinden. Das letzte Entscheidungsrecht liegt zwar bei der EZB, aber dennoch handelt es sich selbst bei den großen Instituten um ein gemeinsames Aufsichtsmandat. Das wird nicht zuletzt durch die sogenannten Joint Supervisory Committees deutlich, die die praktische Aufsichtsarbeit leisten. Das erfordert ein sehr hohes Maß an Bereitschaft zur Kooperation und ganz neue Arbeitsabläufe. Natürlich ist das anspruchsvoll und in Sachen Effizienz gibt es sicherlich noch einiges zu tun. Nach einem Jahr können schlicht noch nicht alle Prozesse im Alltag reibungslos funktionieren. Aber die Bereitschaft, dies zu verbessern, ist auf allen Seiten ausgesprochen hoch.

Verändert das auch Aufgaben und Prozesse im Haus?

Natürlich. Alle Vermerke und alle Empfehlungen, die aufsichtsrechtliche Handlungen nach sich ziehen, müssen nun in den europäischen Prozess eingespeist und dort diskutiert werden, bevor die Entscheidung zum Handeln fällt. Das erhöht die Komplexität, und zwar in der laufenden operativen Aufsicht, also nicht nur bei der Harmonisierung der Regularien. Man darf beides nicht in einen Topf werfen. Die Entwicklung von Regularien ist seit Langem von internationalen Gremien geprägt. Was das angeht, ist man es gewöhnt, am runden Tisch zu verhandeln, Verbündete zu suchen, Kompromisse zu schließen und seine Interessen zu vertreten. Für die alltägliche Praxis ist das hingegen neu. Es wird seine Zeit brauchen, bis alles ganz reibungslos funktioniert. Aber wie gesagt: Es ist gut angelaufen.

Und was heißt das für die Banken? Denn auch für die Institute selbst hat die Zahl der Adressaten in der Bankenaufsicht erheblich zugenommen.

Es wird für die Institute sicherlich nicht einfacher. Nicht nur die Zahl der Spieler in der Bankenaufsicht hat sich erhöht, sondern auch die der Vorschriften. Es gibt inzwischen zahlreiche europäische Leitlinien und Rechtstexte, die es zu beachten gilt.

Nun möchte jede der angesprochenen Institutionen ihre Aufgabe so gut wie möglich erfüllen: Wie hoch ist der Koordinationsaufwand, um Doppelarbeit und damit auch Doppelbelastungen zu vermeiden? Ist das überhaupt zu verhindern?

Hier muss man differenzieren. In der gemeinsamen Aufsichtspraxis von EZB, Bundesbank und BaFin werden nicht parallel dreimal Daten erhoben, sondern nur einmal. Hier entsteht also kein Mehrfachaufwand für die Banken. Etwas anderes ist es bei der EBA, die für die Stresstests eigene Daten erhebt beziehungsweise Umfragen durchführt. Das ist in der Tat zusätzlich. Solange die EBA im Rahmen ihres Mandates aktiv wird und dies politisch gewollt ist, wird sich daran kaum etwas ändern. Es sollte allerdings nicht passieren, dass für gleiche Zwecke von unterschiedlichen Institutionen gleiche Daten erhoben werden.

Zum 1. Januar kam noch die von Frau König geführte europäische Abwicklungsbehörde SRM hinzu. Diese muss sich nun in die europäische Aufsichtswelt einfügen und ihren Platz finden. Generell funktioniert der Informationsaustausch zwischen den Behörden. Mit Blick auf den permanenten Informationsfluss sind aber sicherlich noch Optimierungen in dem einen oder anderen Ablauf möglich.

Können Sie den Unmut der deutschen Banken über die Menge der zu liefernden Daten verstehen?

Das Datenvolumen, das die deutschen Banken abzuliefern haben, ist gestiegen, und es wird auch noch weiter steigen. Das liegt aber nicht, und das muss betont werden, an einer mangelnden Behördenabstimmung oder zu vielen Spielern in der Bankenaufsicht, sondern hängt mit der Veränderung der Aufsichtspraxis hin zu einer quantitativen Beaufsichtigung zusammen. Dieser Regimewechsel ist gewollt. Für Banken anderer Länder ist das weit weniger anspruchsvoll, da dort das Niveau der Datenerhebung immer schon sehr hoch war. Diese Unterschiede darf man bei der Bewertung ebenso wenig vergessen wie die Tatsache, dass es in Deutschland den mit Abstand größten Anteil kleiner Banken gibt, die davon überproportional betroffen sind.

Wie geht die BaFin mit diesem Regimewechsel in der Aufsichtspraxis um, weg von einer qualitativen hin zu einer quantitativen Aufsicht? Ihr Haus war immer sehr stark geprägt von einem Austausch mit den verantwortlichen Managern in den Banken und Sparkassen.

Ich hoffe sehr, dass sich das nicht ändern wird. Das persönliche Gespräch ist auch durch die beste Zahlenanalyse nicht zu ersetzen. Das weiß auch die EZB. Woran derzeit noch gefeilt wird, ist die richtige Mischung. Dabei gibt es kein Schwarz und Weiß. Ein rein mechanistisches Aufsichtsbild auf Zahlenbasis ist aus meiner Sicht keine Lösung. Mir schwebt eine fakten- und analysebasierte Aufsicht vor, die sich auch weiterhin zu Ermessensentscheidungen bekennt, wenn diese notwendig und sinnvoll sind. Aber es ist absolut richtig, dass das analytische Zahlenfundament breiter und tiefer wird. Das ist für die Ba-Fin ein Impuls aus der neuen europäischen Aufsicht, den wir konstruktiv aufnehmen. Aber die Nähe zu den beaufsichtigten Instituten ist wichtig und wird wichtig bleiben.

Kann Aufsicht frei von nationalen Interessen sein?

Nein, denn Entscheidungen der Aufsicht wirken sich oft besonders stark auf ein Land oder auch nur eine Region aus. Es gibt Institute, die national nur marginale Marktanteile haben, in ihrer Region aber ein Drittel aller Filialen stellen. Für keinen Politiker kann es egal sein, was mit Finanzinstituten in seiner Heimat geschieht, denn es geht immer auch um Menschen. Das spielt auch bei der Aufsicht eine Rolle und ist verständlich - und nicht mit einer antieuropäischen Grundhaltung gleichzusetzen.

Aber spricht das dann nicht gegen das Bild einer harmonisierten europäischen Aufsicht?

Ich halte den Grundsatz, die großen Institute in Europa nach gleichen Regeln aus einer Behörde heraus zu beaufsichtigen, für richtig. Das hat nicht zur Konsequenz, dass diese europäische Aufsicht in allen Ländern das Gleiche tut. Lokale Eigenheiten werden im Urteil der Joint Supervisory Committees immer berücksichtigt. Blinde Uniformität kann und darf es da nicht geben. Aufsicht aus einer Hand ja, aber mit entsprechender Diversität. Der BaFin gelingt es schließlich auch, eine kleine Genossenschaftsbank anders zu behandeln als eine mittelgroße private Bank. Warum sollte das in Europa nicht möglich sein?

Ich gebe aber auch zu, dass der Grat zwischen Diversität und individueller Betrachtungsweise des Aufsehers auf der einen Seite und über Jahrzehnte gewachsenen, lieb gewonnenen, aber nicht mehr notwendigen Sonderlocken auf der anderen sehr schmal ist.

Welche Rolle spielen dabei die immer noch vorhandenen nationalen Wahlrechte?

Es gibt einen großen Konsens innerhalb des europäischen Aufsichtsmechanismus, diese Wahlrechte überwiegend schnell abzuschaffen, wenn sie nicht einheitlich ausgeübt werden. Das heißt nicht, dass es künftig keine Wahlrechte mehr geben wird, erst recht nicht, wenn diese politisch gewünscht sind wie beispielsweise das Festhalten am HGB. Deutschland ist das einzige Land, das weiterhin einen nationalen Bilanzierungsstandard anwendet. Auch steuerliche Fragestellungen sind sicherlich nicht über Nacht zu harmonisieren.

Die Abkehr von nationalen Wahlrechten ist kein Gegeneinander von nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden, aber es ist ein Prozess. Wer kann sicher ausschließen, dass nicht auch andere Ländern den Nutzen, der sicherlich in der Anwendung des HGB steckt, in einigen Jahren für sich entdecken?

Die BaFin hat seit einiger Zeit explizit das Mandat für den Verbraucherschutz: Ist das auch eine politisch gewollte Sonderlocke oder geübte europäische Praxis, dies auf nationaler Ebene zu belassen?

Das Thema Verbraucherschutz ist ganz bewusst nicht Bestandteil des Mandates der europäischen Bankenaufsicht. Der SSM selbst sieht sich als ein lupenreiner prudenzieller Bankenaufseher. Daher ist es Sache der nationalen Aufseher, die vielen europäischen Vorschriften zum Verbraucherschutz umzusetzen und anzuwenden, wobei es dabei über die verschiedenen Länder hinweg kein einheitliches Bild gibt.

Die Palette reicht vom Modell BaFin, bei dem alles unter einem Dach angesiedelt ist - was ich für richtig halte -, bis hin zu organisatorisch komplett getrennten Einheiten wie beispielsweise in UK.

Kann ein Level Playing Field für die Banken in Europa überhaupt gelingen?

Ein Level Playing Field zu schaffen, sprich gleiche Wettbewerbsbedingungen für Banken im Euroraum, war eines der Hauptmotive für die Gründung der europäischen Bankenaufsicht. Es ist ein Faktum, dass ein- und derselbe Rechtstext in den verschiedenen Ländern höchst unterschiedlich verstanden und angewendet werden kann. Aufsichtspraxis kann größere Unterschiede erzeugen als die regulatorischen Vorschriften selbst. Hier soll die Aufsicht aus einer Hand für verlässlichere Bedingungen sorgen, mit all den bereits erwähnten Differenzierungen.

Gibt es in Europa immer noch die Möglichkeit der sogenannten Aufsichtsarbitrage?

Es gibt noch Möglichkeiten, aber sie werden spürbar kleiner. Und ich sehe sie sehr viel stärker im Wertpapiergeschäft als bei den Banken. Im Wertpapierbereich spielen Standortentscheidungen nach wie vor eine sehr große Rolle.

Sie haben den einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus bereits angesprochen. Müsste dafür nicht das Insolvenzrecht angeglichen werden? Wo sehen Sie darüber hinaus weiteren Harmonisierungsbedarf?

Für die laufende Aufsicht über die Kreditinstitute ist die weitere Harmonisierung nicht so sehr das Thema. Wir können auch bei unterschiedlichen steuerlichen Vorschriften und unterschiedlichen Insolvenzregimen unserer Arbeit nachgehen. Bei Abwicklungsfragen ist das Thema schon wichtiger, in Sachen Einlagensicherung sehr bedeutend. Das Thema Steuerrecht würde ich an dieser Stelle ausklammern.

Es ist gut und wichtig, dass wir seit dem 1. Januar eine einheitliche Abwicklungsbehörde in Europa haben. Für die Entwicklung einheitlicher Verfahren ist die BRRD erlassen worden. Dieser Prozess läuft, wird aber bis zur Vollendung sicherlich noch etwas brauchen.

Ganz anderes ist es meiner Ansicht nach bei der Einlagensicherung. Solange kein hinreichender Harmonisierungsgrad bei Abwicklungsregimen und nationalen Einlagensicherungssystemen existiert, erzeugt eine quasi im luftleeren Raum etablierte europäische Einlagensicherung hochgradige Moral-Hazard-Probleme. Hier stimmt die Reihenfolge nicht. Erst muss die Heterogenität beseitigt werden, dann kann man über ein europäisches System reden. Alles andere ist aus deutscher Sicht strikt abzulehnen. Das hat die deutsche Politik auch schnell und deutlich getan, wofür ich dankbar bin. Die Diskussion darüber muss im europäischen Raum hart und auch kontrovers geführt werden.

Warum klammern Sie das Steuerrecht aus? Ist es nicht für deutsche Banken ein echter Wettbewerbsnachteil, dass die Bankenabgabe nicht von der Steuer absetzbar ist, wie in anderen Ländern?

Was ich meinte, ist die allgemeine Harmonisierung des Steuerrechts in Europa. Das ist ein solches Megaprojekt, dass es sicherlich auch in dreißig Jahren noch Thema wäre, denn damit wird das Herzstück der nationalen Souveränität berührt. Das ist eine europäische Verfassungsdebatte.

Über einzelne Abgabetatbestände kann man natürlich diskutieren. Ob die Nichtabsetzbarkeit der Bankenabgabe ein echter Wettbewerbsnachteil ist und wie groß er ist, mag ich nur schwer zu beurteilen, denn es gibt wiederum im deutschen Steuerrecht Möglichkeiten, die es so in anderen Ländern nicht gibt.

Wie schätzen Sie die Wettbewerbsstärke der deutschen Banken insgesamt ein?

Das Gefährliche an der aktuellen Situation ist, dass sich die Belastungen, die primär den niedrigen Zinsen geschuldet sind, wie ein schleichendes Gift in die Bilanzen hineinfressen und nicht über Nacht mit einem großen Knall kommen. Zudem haben in den vergangenen drei Jahren einige positive Ausgleichseffekte stattgefunden. Hier sind zum Beispiel günstigere Refinanzierung, Volumenausweitungen durch die günstigen Kreditkonditionen, die quasi zu einer Sonderkonjunktur bei bestimmten Finanzierungen geführt haben, und sehr geringe Belastungen aus den Bewertungsergebnissen zu nennen. Das hat in diesen Jahren den Eindruck erweckt, dass trotz aller Warnungen vor dem Niedrigzinsumfeld der Trend eigentlich in die andere Richtung geht.

Dieser Blick in den Rückspiegel gibt aber nicht das richtige Bild für die kommenden zwei oder drei Jahre wieder. Alle unsere Analysen zeigen, dass die Belastungen die Bilanzen schwer treffen werden. Man muss alle Hebel in Bewegung setzen, um gegenzusteuern, so gut das eben geht. Das Spektrum ist breit und reicht von weiteren Substanzstärkungen über Kostensenkungen und die Veränderung von Produktportfolios bis hin zu einer Überprüfung der Ertragsseite. Letzteres ist natürlich besonders schwierig, denn die Erträge können nicht auf Knopfdruck optimiert werden. Aber es müssen Potenziale gehoben werden. Ich habe beispielsweise Zweifel, ob die Gratiskultur rund um das Girokonto Bestand haben kann.

Bleibt die Frage nach dem zunehmenden Wettbewerb und der wachsenden regulatorischen Belastung: Branchenvertreter beklagen, dass Fintechs beispielsweise weniger reguliert werden als Banken, dass diese mit Banklizenzen irgendwo aus Europa hier Geschäfte machen und dass Versicherungen für Immobilienkredite geringere Eigenkapitalvorschriften erfüllen müssen. Können Sie diese Klagen nachvollziehen?

Nur ein Stück weit, denn es gibt keine Ungleichbehandlung gleicher Risiken, nur weil diese in unterschiedlichem Gewand daherkommen. Allerdings gibt es verschiedene Dinge zu berücksichtigen.

In Sachen Fintechs ist es klarer Wille des Gesetzgebers, diesen bis zu einer gewissen Materialitätsschwelle möglichst viel Freiraum zuzugestehen. So regelt beispielsweise das Kleinanlegerschutzgesetz den Umgang mit Crowd-Funding-Plattformen: Erst ab einem Gesamtvolumen von 2,5 Millionen Euro und abhängig von weiteren Kriterien unter liegen die Anleger einer Aufsicht. Dann gilt gleiches Recht für alle, das heißt, die Grundthese einer aufsichtlichen Bevorzugung von Fintechs ist falsch und würde auch niemals meine Zustimmung finden.

Davon strikt zu trennen ist das Thema der Banklizenzen aus anderen Mitgliedstaaten des Euroraums. Im Rahmen des EU-Passports ist klar geregelt, dass die Lizenz aus einem Mitgliedstaat dazu berechtigt, operative Geschäfte in den anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen. Das gehört zu den Grundfreiheiten Europas, genauso wie der freie Kapitalverkehr oder die freie Bewegung von Arbeitskräften. Sind diese Zulassungen gleich zu werten? Das Bild eines deutlichen Arbitragegefälles würde ich heute, im Jahr 2015, nicht mehr zeichnen, auch wenn es sicherlich immer Verbesserungspotenzial gibt.

Bleibt das Versicherungsthema. Kapitalerleichterungen für die Assekuranz sind dahingehend akzeptabel, dass gleiche Aufsichtsstandards zunächst einmal nur für die Versicherungsunternehmen untereinander gelten müssen.

Im speziellen Fall der Immobilienfinanzierung müssen die Ver sicherer zudem höhere Auflagen erfüllen als Kreditinstitute, beispielsweise bei den Beleihungswerten.

Und die Refinanzierung der Assekuranz ist stabiler und langfristiger als die der Banken. Unter diesen Voraussetzungen sind die Unterschiede auf der Kapitalseite vertretbar.

Wie ist es mit der Beaufsichtigung von Unternehmen wie Google, die nun Bankdienstleistungen anbieten?

Formalrechtlich relativ einfach: Jeder, der Bankdienstleistungen anbietet, braucht dafür eine entsprechende Zulassung. Allerdings erschwert das Internet die klare Zuordnung. Es ist durchaus möglich, Dienstleistungen über das Internet anzubieten, auf die jeder Deutsche zugreifen und die jeder Deutsche nutzen kann, ohne eine operative Einheit in Deutschland zu unterhalten. Das ist eine regulatorische Grauzone. Abhilfe können hier nur internationale Abkommen schaffen, die aber viele Verhandlungen erfordern.

Wie weit sind die Bemühungen vorangeschritten, auch weltweit für die großen Banken einheitlichere Wettbewerbsbedingungen zu etablieren?

Die Unterschiede nehmen meines Erachtens dank der Etablierung globaler Standards ab, aber von einem politisch gewünschten Level Playing Field für die ganze Welt sind wir noch weit entfernt. Aufgabe der Institute ist es, sich auf die jeweiligen Vorschriften und Auslegungen intelligent einzustellen, die in den Ländern gelten, in denen sie aktiv sind.

Herr Hufeld, was sind Ihre drei Wünsche oder Ziele für das Jahr 2016?

Erstens, eine weiterhin starke und relevante nationale Aufsichtstätigkeit in eine gute Balance mit der sich zunehmend etablierenden europäischen Aufsicht zu bringen.

Zum zweiten möchte ich die Weiterentwicklung der BaFin als vielseitiger und attraktiver Arbeitgeber vorantreiben. Das sind wir bereits heute, aber man darf nicht innehalten, sich auch hier zu verbessern.

Drittens schließlich gilt es, durch gute Aufsicht über alle drei Bereiche hinweg einen Beitrag zu einer gesunden und stabilen Finanzwirtschaft zu leisten, gerade angesichts der sich verschärfenden Risikolagen. Und viertens möchte ich noch hinzufügen: dem Gedanken des Verbraucherschutzes in angemessener Form Geltung zu verschaffen. Das ist eine große Kalibrierungsaufgabe.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X