Interview

Redaktionsgespräch mit Elke König / "Aufseher sind nicht die besseren Banker, aber wir wissen, was woanders schon einmal nicht funktioniert hat"

Frau König, Sie stehen seit gut zwei Jahren, zwei bewegten Jahren, an der Spitze der BaFin. Wie fällt eine Bilanz aus, eine Bilanz des Geleisteten und Erreichten, aber auch eine persönliche Bilanz?

Bilanzen ziehe ich eigentlich nicht so gerne. Aber gut, was wurde erreicht: In den vergangenen zwei Jahren haben wir eine lange Liste von Themen in Angriff genommen, vor allem auf der internationalen Agenda. Damit sind wir auf gutem Wege, auch wenn ich mir manchmal wünsche, alles könnte etwas schneller gehen. Aber das haben internationale Verfahren so an sich.

Auch national haben wir, inzwischen fünf Jahre nach Lehman, deutliche Fortschritte gemacht. Vor allem die Eigenkapital- und Liquiditätssituation der Institute hat sich verbessert. Nichtsdestotrotz sind auch hier noch Themen offen, in erster Linie die Problematik "too big to fail". Hier müssen wir weiter an Lösungen feilen. Insgesamt fällt die sachliche Bilanz positiv aus, auch wenn ich mit der typischen Ungeduld der Aufseherin gern schneller vorankommen würde.

Und persönlich?

Sind diese zwei Jahre ebenfalls positiv verlaufen. Insbesondere die sehr gute und offene Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden anderer Länder hat mich überrascht und freut mich. Aufgrund der unterschiedlichen Ansätze gibt es verschiedene Herangehensweisen an die Probleme, aber das Ziel ist das Gleiche. Es gibt nicht die "gute" Aufsicht und die "schlechte" Aufsicht.

Was sind die Herausforderungen?

In Europa ist es sicherlich nicht einfach, erfolgreich für die deutschen Belange einzutreten. Das dreigliedrige deutsche Bankensystem ist hier eine Besonderheit. Darauf müssen wir immer wieder hinweisen, auch auf die unterschiedlichen Wirkungsweisen der einen oder anderen Art der Regulierung. Aber wir dürfen die Vertreter aus Brüssel oder den anderen Ländern auch nicht ermüden, sonst kommen wir schnell in den Bereich der "Sonderlocken" und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Belange kein Gehör finden. In einem zusammenwachsenden Europa entscheiden die 28 Mitglieder der EU oder die 18 Mitglieder des Euroraums nun mal gemeinsam, und Deutschland hat jeweils nur eine Stimme.

Werden denn deutsche Argumente noch gehört, sind sie schlagkräftig genug?

Aus Sicht der deutschen Institute sicherlich zu wenig, aus Sicht der anderen vielleicht zu viel. Es ist natürlich immer ärgerlich, wenn man trotz guter Argumente eine Abstimmung verliert, aber das geht den anderen im umgekehrten Fall ja genauso. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir besonders gut oder besonders schlecht dastehen. Die Holzhammermethode hilft sicherlich am wenigsten.

Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit als Präsidentin von Ihren bisherigen Aufgaben, beispielsweise als Versicherungsvorstand?

Die BaFin ist eine große Behörde. Und sie ist eine Behörde im Wandel: Wir verlieren Aufgaben, gewinnen aber auch neue Aufgaben hinzu. Es ist daher wichtig, dass geführt wird. Nach meiner bisherigen Erfahrung hilft es, wenn man sich ab und an klar macht, dass eine solche Behörde nicht anders funktioniert als ein großes Unternehmen. Die Unterschiede sind also gar nicht so groß.

Natürlich ist die öffentliche und damit auch die politische Wahrnehmung des Wirkens der BaFin eine andere als die eines privaten Unternehmens. Dadurch steckt man mitunter in anderen Sachzwängen. Und man ist ein Stück weit im Korsett des öffentlichen Dienstes gefangen - mit allen Vor- und Nachteilen.

Wie frei von politischen Wünschen und Zielen sind Sie, ist die BaFin in ihrem Tun noch?

Eine Aufsichtsbehörde agiert nie in einem völlig politikfreien Raum. Aber ich glaube schon, dass wir bei unseren Themen im Wesentlichen sachgetrieben sind. Gleichwohl ändern sich Schwerpunkte, beispielsweise das Thema Verbraucherschutz, das als Folge der Krise politisch motiviert sehr viel stärker in allen seinen Facetten in den Fokus geraten ist. Aufsicht war immer schon Verbraucherschutz, aber heute hat die Öffentlichkeit hier andere, sehr viel höhere Erwartungen. Darauf muss man sich als Aufsichtsbehörde einstellen.

Müssen Sie diplomatischer sein?

Auch in der Privatwirtschaft ist es selten von Erfolg gekrönt, den Elefant im Porzellanladen abzugeben.

Blicken wir auf die deutsche Kreditwirtschaft: Wie ist die Lage im Frühjahr 2014 einzuschätzen? Sind Sie zufrieden?

Zufrieden zurücklehnen darf sich ein Aufseher nie. Aber im Jahr fünf nach Lehman ist die Situation der Institute spürbar besser geworden. Die Banken haben erhebliche Anstrengungen unternommen, ihre Kapitalbasis zu stärken und die Bilanzen zu bereinigen. Hierzulande ist zudem die gesamtwirtschaftliche Situation sehr gut, ein spezieller Vorteil für die deutschen Institute. Insofern beobachte ich mit Blick auf den Asset Quality Review und den anstehenden Stresstest die Lage eigentlich relativ entspannt.

Welche Themen treiben Sie als deutsche Aufseherin derzeit am meisten um?

Zunächst die anhaltende Niedrigzinsphase. Diese ist nicht nur ein Thema für Lebensversicherer und Bausparkassen, sondern auch für Banken, weil die Zinsmarge stückchenweise kleiner wird. Zweitens beschäftigt uns Aufseher weiterhin das Thema Geschäftsmodelle. Die meisten Banken konzentrieren sich berechtigterweise auf ihre Kernmärkte. Mit Blick auf den deutschen Mittelstand mache ich mir keine Sorgen, dass es eine Kreditklemme geben könnte, frage mich aber manchmal schon, ob es für alle Anbieter genug Mittelstand gibt. Entscheidend ist doch: Banken müssen Gewinne erzielen. Nur dann können sie Eigenkapital aus eigener Kraft generieren.

Bleiben die Themen Verbraucherschutz und große Banken. Was geschieht, wenn große Häuser nicht reüssieren? Auch sie müssen den Markt verlassen können. In Deutschland gibt es dafür zwar konkrete Regeln zur Sanierung und Abwicklung systemgefährdender Institute, die durch das Restrukturierungsgesetz und das Abwicklungsgesetz in das KWG eingefügt wurden. Sobald man aber über die Grenzen Deutschlands blickt, besser gesagt auf Unternehmen, die international tätig sind, ist das Problem "too big to fail" noch längst nicht gelöst. Eine Deutsche Bank wäre genauso wenig ohne Schleifspuren abwickelbar wie JP Morgan, Barclays, General Electric, Ford, Siemens oder die Allianz. Das muss man so klar sagen. Alles andere wäre Augenwischerei.

Wie ist dann bei aller Ungeduld das bislang Erreichte einzuschätzen?

Es ist sicherlich mehr passiert, als in der Öffentlichkeit zuweilen wahrgenommen wird. Das ganze Thema Eigenkapital steht heute sehr viel mehr im Fokus als früher. In der Folge hat sich die Eigenkapitalsituation der Banken verbessert. Natürlich kann auch der Puffer im Ernstfall an seine Grenzen stoßen, aber überzogene Forderungen wie eine Eigenkapitalquote von über 20 Prozent sind auch nicht zielführend. Es war auch richtig, dass der Finanzsektor mit Zentralbankgeld stabilisiert wurde. An der erforderlichen, mühsamen Suche nach der richtigen Exitstrategie aus dem billigen Geld ändert das nichts.

Zweitens ist die Aufsicht heute vorausschauender ausgerichtet, was vor allem in den Stresstests und der wesentlich stärkeren Verankerung des Risikomanagements im Bankbetrieb zum Ausdruck kommt. Und drittens sind wir auf internationaler Ebene vorangekommen, ob bei der Zusammenarbeit der Aufseher oder bei wichtigen Themen wie grenzüberschreitender Abwicklung, Schattenbanksektor oder grauer Kapitalmarkt. Wir sind noch nicht am Ende des Weges angekommen, aber die eingeschlagene Richtung stimmt.

Und schließlich ist die Informationsbasis eine bessere geworden. Es gibt mehr Informationen und mehr Daten, und sie sind vergleichbarer geworden. Das stärkt das Vertrauen und lässt darum hoffen, dass wir nicht noch einmal einen völligen Zusammenbruch des Interbankenmarktes erleben werden wie 2007/2008.

Nun ist die Aufsicht nicht nur quantitativer geworden, sondern legt zunehmend auch Wert auf qualitative Faktoren: Wo ist hier die Grenze zu Eingriffen in die Geschäftsführung?

Entscheidungen über Geschäfte und Geschäftsmodelle treffen der Vorstand und der Aufsichts- oder der Verwaltungsrat. Sie müssen also grundsätzlich selbst beurteilen, ob eine Entscheidung gut oder schlecht für ihr Unternehmen ist.

Aufgabe der Aufsicht ist es, den Vorstand und die Gremien mit Fragen herauszufordern und hinreichend zu bewerten, ob das Haus in seiner Gesamtheit zukunftsfähig ist. Ist das nicht der Fall, können wir frühzeitiger und auch härter eingreifen als früher. Wir Aufseher sind nicht die besseren Banker, aber wir beaufsichtigen sehr viele Institute und haben darum einen besseren Gesamtüberblick. So können wir überprüfen, ob Annahmen valide sind. Wir wissen, was woanders schon einmal nicht funktioniert hat.

Gibt es in Deutschland zu viele Banken?

Es gibt sicherlich nicht zu wenige Institute. Sowohl beim Privatkundengeschäft als auch beim Firmenkundengeschäft herrscht hierzulande ein hoher Wettbewerbsdruck. Wir haben es also mit einem sehr dichten, vielleicht sogar zu dichten Markt zu tun. Strukturpolitik gehört aber nicht zu den Aufgaben der Aufsicht.

Der Abbau risikogewichteter Aktiva kostet mitunter viel Geld, das dann wieder zur Bildung von Eigenkapital fehlt. Ist es dennoch richtig, die Bilanzen drastisch zu verkürzen und koste es was es wolle?

Das muss jedes Institut in jedem einzelnen Fall entscheiden. Es macht durchaus Sinn, Assets abzustoßen, die wie ein Mühlstein um den Hals hängen, auch wenn das Geld kostet. Die Bank befreit sich damit von Altlasten und setzt Eigenkapital frei. Ich bin überzeugt, dass die Institute hier ökonomisch sinnvoll entscheiden. Dass die Veräußerung zu einem Verlust geführt hat, würde mich jedenfalls noch nicht daran zweifeln lassen, dass eine Maßnahme sinnvoll ist. Insgesamt hat sich die Situation hier übrigens spürbar entspannt: Es gibt für solche Assets wieder einen Markt, also Käufer.

Befürchten Sie ein erschreckendes Ergebnis des Stresstests, mit dem sich die EZB gleich als harter Aufseher einführt und das wiederum zu Verunsicherung führen wird?

Der Test muss hart, darf aber auch nicht zu hart sein. Es kann nicht das Ziel sein, möglichst viele Institute aufgrund zu scharfer Vorgaben durchfallen zu lassen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse transparent und vergleichbar sind. Ziel ist es herauszufinden, ob der Bankensektor solide dasteht.

Dafür haben die deutschen Institute einiges getan. Sie haben ihre Bilanzen spürbar bereinigt, was nicht zuletzt an den zahlreichen Transaktionen abzulesen ist. Wenn nur wenige Institute beim Stresstest durchfallen, muss das also nicht Ausdruck zu laxer Vorgaben sein, sondern es wäre eine Bestätigung für die gute Arbeit der Banken. Mich würde es jedenfalls wundern, wenn wir in Deutschland größere negative Überraschungen erleben würden. Klarheit werden wir natürlich erst haben, wenn alle Arbeiten dazu abgeschlossen sind.

Nun geistern aus verschiedensten Quellen wie Analystenumfragen oder beispielsweise dem IWF seit geraumer Zeit bereits Zahlen über den möglichen Rekapitalisierungsbedarf der europäischen Banken durch die Medien. Ist das valide und vor allem dient es dem Prozess?

Vor einem solchen Test gibt es immer Umfragen dieser Art. Die Zahlen sprechen häufig für sich - ich habe etwa von 800 Milliarden Euro gelesen, die offenbar selbst ernannte "Experten" erwarten.

Allen Beteiligten muss klar sein, dass diese Übung gelingen, dass sie aber auch ernsthaft sein muss. Dabei kann man es nie allen recht machen. Aber ich hoffe, dass die von der EZB angekündigte Transparenz der Bedingungen und die logische Stringenz eine überzeugende Antwort für alle liefert. Aus meiner Sicht ist die Validierung der Ergebnisse so sicher, wie sie nur sein kann. Ich habe noch nie einen Prozess erlebt, der mit so vielen "checks and balances" arbeitet. Verantwortlich sind zunächst die Institute selbst, sie müssen modellieren und rechnen. Anschließend müssen die nationalen Aufsichtsbehörden die Ergebnisse bewerten und ihre Einschätzung abgeben. Im nächsten Schritt prüft die EZB durch eigene Berechnungen, ob die Ergebnisse stimmen können. Das ist ein stringenter Prozess.

Aber die Spannbreite der Schätzungen geht sehr weit auseinander?

Wenn unterschiedliche Annahmen oder Zukunftserwartungen zugrunde gelegt werden, führt das zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für uns als Aufsichtsbehörde ist maßgeblich, ob wir der Meinung sind, dass ein Institut so aufgestellt ist, dass es realistisch zu erwartende Herausforderungen überstehen wird.

Sie haben mehrfach die Bedeutung der Transparenz betont, werden die unterschiedlichen Annahmen und auch Vorgehensweisen zu wirklich vergleichbarem Zahlenmaterial führen?

Um glaubwürdig zu sein, müssen wir Aufseher transparent und einheitlich arbeiten. Die Verantwortung ist groß. Restrukturierte Kredite beispielsweise müssen überall gleichwertig behandelt werden. Ich sehe die Hauptaufgabe der EZB darin, mit Augenmaß für eben diese Gleichbehandlung zu sorgen.

Das Comprehensive Assessment ist der notwendige Startpunkt und die Grundlage für eine bessere Transparenz. Die teilnehmenden Länder haben bisher keine gemeinsame Datenbasis. Deutsche Banken etwa haben bisher längst nicht so granulare Daten erhoben wie die in anderen Ländern. Das muss nun nachgeholt werden.

Italien und Spanien haben Maßnahmen zur Stärkung des eigenen Bankensektors ergriffen, die Deutschland und andere Länder so nicht haben - Stichwort Notenbankbeteiligung und Härtung latenter Steuerforderungen. Ich erwarte, dass EZB und EBA das berücksichtigen und Empfehlungen abgeben, wie dies zu bewerten ist. Sonst leiden die Vergleichbarkeit und auch die Glaubwürdigkeit. Windowdressing nutzt niemandem.

Was verspricht sich ein Aufseher von solchen Stresstests, wie groß ist der Erkenntnisgewinn wirklich?

Für mich ist ein in regelmäßigen Abständen durchgeführter Stresstest ein hilfreiches Instrument, um die Auswirkungen von Szenarien, durchaus auch extremeren Annahmen, auf die Institute und die Stabilität des Finanzsystems durchzuspielen. Stresstests haben also durchaus ihre Berechtigung, auch wenn sie Arbeit machen, Stress verursachen. "Was wäre wenn"-Gedankenspiele helfen den Aufsehern, mögliche Risiken zu erkennen.

Auf einem anderen Blatt steht, ob es Sinn macht, die Ergebnisse der Tests zu veröffentlichen. Darüber kann man trefflich diskutieren. In einem normalen Umfeld hielte ich es für sinnvoller, die Ergebnisse nicht zu veröffentlichen. Das ist in diesem speziellen Fall und zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Ich hoffe, dass es uns Aufsehern gelingt, die Wellen nicht so hoch schlagen zu lassen wie 2011.

Können Sie den Unmut der deutschen Banken über das Vorgehen der EZB und den angeblich mangelnden Informationsfluss verstehen?

Der Aufwand für die Banken ist enorm, da liegen die Nerven mitunter blank. Die Kritik kann ich durchaus verstehen. Es gibt leider immer noch viele Detailfragen, von denen man sich erhoffen könnte, dass sie schneller geklärt werden, um den Häusern Planungssicherheit zu geben. Es fehlen beispielsweise noch eindeutige Aussagen dazu, wie Staatsanleihen behandelt oder wie Tier-1- oder gar Tier-2-Kapitalbestandteile anzurechnen sind. Da ist die Ungeduld der Banken gerechtfertigt.

Gleichzeitig muss man auch Verständnis für die EZB haben, die sich in Sachen Bankenaufsicht ja immer noch in der Aufbauphase befindet.

Ganz generell gilt das Prinzip: erst denken, dann veröffentlichen. Ein wesentliches Problem beim Stresstest 2011 war, dass die Bedingungen im Nachhinein immer wieder verändert wurden. Das sorgt nur für Verwirrung.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Ergebnisse wirklich erst am Ende des Stresstests bekannt werden und keine Wasserstandsmeldungen über die Presse verbreitet werden?

Ich wäre sehr froh, wenn die Ergebnisse erst zum Ende der Untersuchung bekannt werden würden. Das heißt also: höchste Disziplin bei allen Beteiligten. Das heißt aber auch, dass es unterwegs keine relevanten Erkenntnisse gibt, die Unternehmen per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen müssten. Das ist zumindest für Deutschland meine Hoffnung. Realistisch betrachtet wird es in den kommenden Monaten mit Sicherheit eine gewisse Gerüchteküche geben, die munter vor sich hinbrodelt.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Ergebnisse wirklich erst am Ende des Stresstests bekannt werden und keine Wasserstandsmeldungen über die Presse verbreitet werden?

Ich wäre sehr froh, wenn die Ergebnisse erst zum Ende der Untersuchung bekannt werden würden. Das heißt also: höchste Disziplin bei allen Beteiligten. Das heißt aber auch, dass es unterwegs keine relevanten Erkenntnisse gibt, die Unternehmen per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen müssten. Das ist zumindest für Deutschland meine Hoffnung. Realistisch betrachtet wird es in den kommenden Monaten mit Sicherheit eine gewisse Gerüchteküche geben, die munter vor sich hinbrodelt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es international zu einem Level Playing Field kommen wird, sprich, dass die Dinge überall gleich scharf umgesetzt werden?

Sicherlich ist das sogenannte "gold-plating", also das Hinzufügen nationaler Besonderheiten zu internationalen Vorschriften, wahrscheinlicher als die komplette Vereinheitlichung aller Regeln. Nichtsdestotrotz muss es weltweit einheitliche Standards und Vorgehensweisen geben. Das geht: Nehmen Sie das Beispiel Leverage Ratio. Hier sah es lange Zeit so aus, als würde es eine amerikanische und eine europäische Version geben. Das haben die Aufsichtsbehörden Anfang Januar verhindert.

Wie ist der Vorschlag zu einer europäischen Richtlinie zur Abwicklung von Banken und die Einigung auf eine europäische Einlagensicherung aus deutscher Sicht zu bewerten?

Mit der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten (abgekürzt BRRD) werden nach dem Muster des deutschen Restrukturierungsgesetzes erstmals europaweit einheitliche Regeln für die Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten geschaffen. Die Richtlinie gibt ganz klar vor, wer in welcher Reihenfolge haftet, wenn es zur Abwicklung eines Finanzinstitutes kommt, die sogenannte Haftungskaskade. Eigentümer stehen hier an erster Stelle, dann folgen die Gläubiger. Das ist ein solider und richtiger Schritt nach vorne. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es europaweit kein einheitliches Gesellschaftsrecht gibt und die Institute sehr unterschiedliche Rechtsformen haben. Daher halte ich eine gewisse Variabilität der Vorschriften für wichtig.

Mit Blick auf den einheitlichen Abwicklungsmechanismus, den Single Resolution Mechanism, ist das Thema Rechtssicherheit von größter Bedeutung. Es bedarf im Zweifel einer Änderung europäischer Verträge, um klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zu schaffen. Der eingeschlagene Weg ist für den Moment durchaus gangbar, muss aber in den kommenden Jahren sicherlich noch überprüft und verbessert werden.

Es ist sicherlich schon eine Menge gewonnen, wenn die europäischen Einlagensicherungssysteme auf eine harmonisierte Basis gestellt und mit Vermögenswerten unterlegt werden. In einem zweiten Schritt sind dann Details zu klären, etwa inwieweit sich die einzelnen Systeme Kredite geben dürfen. Das ist aber nicht vorrangig. Priorität haben BRRD und SRM.

Es gibt in Deutschland bereits einen Topf durch die Bankenabgabe. Was passiert mit diesen Mitteln, ist der europäische Topf zusätzlich zu besparen, oder werden zunächst diese bereits aufgelaufenen Gelder verwendet?

Die Trilog-Verhandlungen, die in Brüssel zur Ausgestaltung des europäischen Abwicklungsfonds geführt werden, befinden sich aktuell in einer heißen Phase. Ich rechne fest mit einer Einigung noch innerhalb dieser EU-Legislaturperiode. Nach dem aktuellen Verhandlungsstand sollen die nationalen Töpfe in den neuen europäischen Abwicklungsfonds integriert werden. Dabei werden innerhalb des Fonds sogenannte nationale Kammern geschaffen. Dafür hatte sich Deutschland in den Verhandlungen eingesetzt. Auf dieser Grundlage soll die Inanspruchnahme von Mitteln einer nationalen Kammer für Kriseninstitute anderer Staaten für einen Übergangszeitraum von acht Jahren begrenzt werden. Wie die laufende Finanzierung des Fonds zukünftig konkret aussehen wird, werden die weiteren Verhandlungen zeigen.

Welche Folgen haben BRRD und SRM für die nationalen Insolvenzrechte?

Da die Abwicklung eine Alternative zum Insolvenzverfahren für potenziell systemgefährdende Institute darstellt, werden die neuen Regelungen neben dem nationalen Insolvenzrecht stehen.

Welche Konsequenzen wird das europäische Aufsichtsregime, das ja zunächst nur 128 Bankengruppen betreffen soll, auch für die übrigen, in der Vielzahl kleineren Banken in Deutschland haben?

Die Zusammenarbeit zwischen der EZB, der EBA und den nationalen Aufsichtsbehörden ist klar geregelt. Die nationalen Aufseher müssen bei kleineren Instituten regelmäßig an die EZB berichten. Diese kann nur im Ernstfall die Aufsicht an sich ziehen. Grundsätzlich wird sich für die Institute selbst in näherer Zukunft nur wenig ändern. Ansprechpartner und Procedere bleiben die gleichen.

Wird sich in der Zusammenarbeit von BaFin und Bundesbank etwas ändern?

Nein, in Deutschland gibt es keinen Änderungsbedarf. BaFin und Bundesbank arbeiten sehr gut zusammen. Und sowohl Mitarbeiter der BaFin als auch der Bundesbank werden Teil der sogenannten Joint Supervisory Teams sein, die die bedeutenden Institute gemeinsam mit den Mitarbeitern der EZB überwachen werden.

Behindert das derzeitige Vakuum in der Bankenaufsicht bei der Bundesbank, auch mit Blick auf die internationalen Verhandlungen?

Nein, in keiner Weise. Es gibt aktuell mit Herrn Nagel einen Verantwortlichen für die Bankenaufsicht bei der Bundesbank. Die Zusammenarbeit und die Abstimmung gelingen ebenso reibungslos wie früher. Auf Arbeitsebene sind die Verantwortlichkeiten ohnehin unverändert. Wir bewegen uns also keineswegs in einem Vakuum. Diese gute Zusammenarbeit wird in Zukunft erhalten bleiben. Insoweit warten wir in Ruhe ab, bis die Bundesbank die Ressorts neu verteilt hat.

Hat eine Allfinanzaufsicht wie die BaFin auch in einem solchen europäischen Aufsichtsregime noch eine Zukunft?

Anlass für die Schaffung einer Allfinanzaufsicht war die Beaufsichtigung der Finanzkonglomerate. Diese haben bekanntermaßen nicht reüssiert. Ich halte eine Allfinanzaufsicht dennoch für ausgesprochen sinnvoll, da es viele Schnittstellen zwischen Banken und Versicherungen gibt und damit auch viele Wechselwirkungen. Auch die EZB hat erkannt, dass sie auf Informationen aus der Versicherungs- und Wertpapieraufsicht angewiesen sein wird, um ihre neuen Aufsichtsaufgaben zu erfüllen. Sie beabsichtigt, Memoranda of Understanding mit den entsprechenden nationalen Behörden abzuschließen. Dass dieser unerlässliche Austausch zwischen den verschiedenen Aufsichtsbereichen in der BaFin unter einem Dach erfolgen kann, zeigt mir, dass die Allfinanzaufsicht noch lange kein Auslaufmodell ist.

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