Interview

Redaktionsgespräch mit Liane Buchholz - "Der VÖB hat die ganz konkrete Chance, sich von einem Neben- zu einem Hauptdarsteller zu entwickeln"

Sind Sie gerne VÖB-Hauptgeschäftsführerin, und was reizt Sie an dem Job?

Klare Antwort: Ja, ich bin sehr gerne Hauptgeschäftsführerin! Der besondere Reiz liegt in der Zukunftsoption des VÖB. Kein Bankenverband in Deutschland hat solche Entwicklungsmöglichkeiten. Insbesondere die große Zahl, der durch die EZB beaufsichtigten VÖB-Mitglieder gibt dem Verband Impulse, sich zu euro päisieren. Die permanenten Verbindungen zur

EZB, zur EBA und zur ESMA werden der europäischen Fach arbeit einen weiteren Schub geben. Der VÖB hat die ganz konkrete Chance, sich von einem Neben- zu einem Hauptdarsteller zu entwickeln.

Der Verband könne also künftig VÖBE heißen?

Die klare Ausrichtung nach Europa wird sich nicht im Namen widerspiegeln, aber es ist klar, dass der inhaltliche Schwerpunkt weg von Deutschland nach Europa gehen wird.

... und das mit sechs Landesbanken und 19 Förderbanken ...?

Wir sind fachlich sehr gut aufgestellt, in Brüssel, London und Paris für unsere Mitglieder präsent und werden den noch stärkeren Fokus auf Europa gut bewerkstelligen. Wir werden uns dort neu aufstellen, wo es nötig ist, um ein noch besserer Dienstleister für unsere freiwilligen Mitglieder zu sein, und dort hart arbeiten, um weiter der starke Interessensvertreter der öffentlichen Banken zu sein.

Aber der VÖB repräsentiert doch nur einen kleinen Teil der Kreditwirtschaft in Deutschland und erst recht in Europa?

Das stimmt nicht. Das Volumen der EZB-beaufsichtigten Institute von 5,2 Billionen Euro entfällt in Deutschland zur Hälfte auf die Commerzbank und die Deutsche Bank, und den Rest verantworten im Wesentlichen die VÖB-Mitglieder, deren Anliegen wir vertreten. 14 der 24 deutschen Institute sind bei uns Mitglied.

Sollte man den VÖB dann nicht zum Spitzenverband erklären?

Das ist der Verband schon heute als Spitzenverband der Öffentlichen Banken in Deutschland. Ein interessanter Punkt ist, dass wir Mitglieder beziehungsweise Zweitmitgliedschaften aus allen drei Säulen haben, Landesbanken, Förderbanken, private Banken und Genossenschaftsbanken.

Damit können wir wettbewerbsneutrale Fragen, das sind zum großen Teil aufsichtrechtliche, steuerliche oder bilanzielle Sachverhalte, über alle Bankengruppen hinweg säulenübergreifend aufgreifen, abstimmen und austauschen. Das macht den großen Reiz dieses Verbandes aus.

Der Antrieb, sich im Wechselspiel zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern auszutauschen, ist dabei groß. Beispielsweise der Dialog über Fragen der IFRS-Rechnungslegung und das Zusammenspiel mit der HGB-Bilanzierung wird schon seit einigen Jahren vom VÖB moderiert. Die Bilanzierung nach HGB hat in Deutschland eine lange Tradition, die besonders in der Banksteuerung weiter genutzt wird. Wir kennen diese Vorteile und werden sie nicht ohne Weiteres opfern, weil jetzt aufsichtrechtliche Anforderungen auf IFRS-Basis kommen. Wir machen uns vielmehr Gedanken und formulieren Angebote, wie IFRS-Fragen aus HGB-Sicht beantwortet werden können.

Also eine Art Überleitungsrechnung ...

Die nach HGB bilanzierenden Institute sollen ohne "Strafzölle" durch AQR und Stresstest kommen, das wollen wir in der Sache sicherstellen. Aber wir wirken keineswegs darauf hin, dass die vielen kleinen Institute, die weiter unter HGB bilanzieren, eine Überleitungsrechnung anwenden müssen.

Wird IFRS auf absehbare Zeit nicht ohnehin für alle Institute gültig?

Bei dieser Frage lehne ich mich ganz entspannt zurück. Denn beispielsweise im AQR werden die Standards nicht zuletzt durch die sogenannte Prudent Valuation doch gerade zunehmend in Richtung des HGB entwickelt. Bei näherem Hinschauen wird jedenfalls das Transparenzprinzip durch

immer mehr Vorsichtsregeln auf Prinzipien zurückgeführt, die Vordenker des HGB eingeführt haben. Das Vorsichtsprinzip des HGB, auch das ist eine Lehre aus der Finanzmarktkrise, hat so manchen früheren Kritiker zu einem stillen Bewunderer des HGB gemacht.

Demzufolge rate ich meinen Mitgliedsinstituten zu einer eher abwartenden Haltung. Ein stiller Verlustausgleich durch flexiblen Einsatz von stillen Reserven hat noch niemandem geschadet. Auch das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) registriert übrigens diese Rückbesinnung bei IFRS-Standards auf die Grundsätze des HGB.

Wie sehen Sie die in der Rechnungslegung wie im Aufsichtsrecht angelegten Bestrebungen zur europaweiten Angleichung von Meldestandards?

Die Sehnsucht nach einem Level Playing Field bei all diesen Dingen ist sehr groß. Denn der eindeutige Vorteil wäre eine einheitliche Basis für eine wirkliche Vergleichbarkeit. Die Praxis wird uns freilich zeigen müssen, inwieweit und vor allen Dingen wie schnell das gelingen kann. Der Weg ist klar vorgezeichnet, und für eine Bankenunion ist ein einheitliches Meldewesen ein wichtiger Hygienefaktor. Aber auf europäischer Ebene wird bisher noch unterschätzt, dass die Validität von Daten viel Zeit braucht. Das wissen im Übrigen sicher auch die Verantwortlichen für die EZB-Aufsicht.

Stichwort Stresstest: Im Vorfeld schreiben die Italiener ihre Beteiligungen an der Notenbank hoch, die Spanier aktivieren latente Steuern um nur zwei der prominentesten Aktivitäten zu nennen. Wer kommentiert bei den Ergebnissen diese Unterschiede? Wird das eine Aufgabe der Medien?

Aus meiner Sicht wird nicht der Stresstest der Hebel sein, sondern der AQR. Denn dieser umfasst die Überprüfung von mehr als der Hälfte der Risikoaktiva nach einem einheitlichen Standard, wie immer man den bewerten mag. Entscheidend ist das Zustandekommen eines AQR, der am Ende eine bis zum Schluss unbekannte Kapitalabzugsposition zutage fördern kann, die gegen die Stresstestergebnisse läuft. Genau das ist der Hebel. Das schafft auch den größten Erwartungsdruck.

Was hören Sie aus Ihren Instituten mit Blick auf den AQR? Ist die Überprüfung grundsätzlich sinnvoll?

Das ist eine große Belastung für alle Institute, und ich halte es nicht für sinnvoll, AQR und Stresstest zur jährlichen Übung werden zu lassen. Aber ich habe großes Verständnis, dass die EZB kein Institut übernehmen will, das nicht wenigstens einmal intensiv durchforstet worden ist, das ist auch bei jeder guten M&A-Transaktion gute Praxis. Die EZB braucht zunächst einmal Stabilität, um ihre aufsichtsrechtlichen Standards durchzusetzen.

Sind die eingeschalteten Berater auf dem notwendigen fachlichen Level für die laufenden Prüfungen?

Davon bin ich in der Gesamtschau überzeugt, ohne dabei das Prozedere für jeden Einzelfall zu kennen und ohne die Vorgaben des AQR-Handbuches im Detail beurteilen zu wollen.

Dass der Stresstest der EZB besser werden muss als der EBA-Stresstest, ist unbestritten. Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich an die EZB? Was wäre ein gutes Ergebnis? Wie viele Institute müssen durchfallen, um Glaubwürdigkeit am Markt zu vermitteln?

Die bisherige Kommunikation ist unbestritten besser als beim EBA-Stresstest. Aber ich halte es für gefährlich, dazu heute schon eine vorgefertigte Erwartungshaltung zu formulieren. Wenn das tatsächlich ein neutrales Beurteilungsinstrument sein soll, muss die EZB darüber heute genauso im Dunkeln sein, wie alle anderen Beobachter. Man kann im heutigen Stadium einfach noch nicht wissen, was herauskommen wird. Durch die Unterteilung zwischen AQR und Stresstest hat die EZB dem Stresstest jedenfalls ein intelligentes Instrument mit Feedback-Schleife vorgeschaltet. Dadurch wird klar, wie viel Kapital bis zu diesem Schnitt schon benötigt wird.

Von diesem Punkt aus wird dann der Stresstest durchgeführt, die Kapitalabzugsposition gegen den Stresstest gesetzt und dann die Frage gestellt, ob das bei den einzelnen Instituten reicht. Allein schon durch diese Vorgehensweise ist ein neutrales und gut initiiertes Bewertungsverfahren angelegt. Das ist sehr intelligent. Durch diese, nennen wir es mal Tresorlösung, kann die EZB im eigenen Hause sicherstellen, dass erst durch Zusammenführung der beiden Ergebnisse das Endergebnis feststeht und damit alles andere bis zu diesem Zeitpunkt glaubhaft als Spekulation dargestellt werden kann.

Müsste die EZB selbst die geschilderte Sichtweise nicht auch genau so kommunizieren?

Die EZB ist in all diesen Dingen erst im Aufbau ihrer Strukturen begriffen. Und diese Art der Öffentlichkeitsarbeit, vielleicht sogar mit der geschilderten spielerischen Form, wählt man erst, wenn das Gebäude steht. Aber das wird zweifellos kommen.

Noch einmal zurück zum VÖB: Anders als beim BdB ist die Heterogenität der Mitglieder durch die gruppenübergreifenden Themen demnach gar kein Problem?

Richtig, über gemeinsame Positionen hinsichtlich Europa und die Aufsicht finden wir immer eine gemeinsame Klammer, die allen unseren Mitgliedern wichtig ist.

Gibt es in dieser Ausrichtung natürliche Partner in Europa?

Ja, das beginnt mit dem europäischen Partnerverband EAPB (European Association of Public Banks). Es ist aber an dieser Stelle festzustellen, dass noch für viele Punkte eine gemeinsame Position formuliert werden muss. Dieser Entwicklungsprozess wird aber durch die Renaissance eines öffentlichen Bankwesens zweifellos vorangetrieben.

Das zeigt als Folge der Finanzkrise nicht zuletzt die konstruktive Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen des föderalistischen deutschen Förderbankensystems. Es wird sehr stark die Frage diskutiert, wie unser Ansatz nach Europa getragen werden kann. Die Positionierung einer griechischen Förderbank mit deutscher Unterstützung ist nur ein Beispiel dafür. Mit den Förderinstituten des Bundes und der Länder hat Deutschland einen echten Exportschlager für andere EU-Mitgliedstaaten.

Fühlen sich die europäischen Länder an dieser Stelle nicht gleich wieder von Deutschland belehrt oder bevormundet?

Nein, überhaupt nicht, weil der Gedanke durch einen günstigen Nährboden befruchtet wird. Gerade in Spanien und Griechenland, aber auch in anderen europäischen Ländern, werden hiesige Politiker häufig mit dem Anliegen nach Unterstützung beim Ausbau nationaler Förderbanken konfrontiert.

Man erkennt überall in Europa an, dass es einer Institution bedarf, die das Gründungs- und Aufbau-Knowhow hat, über das die deutschen Förderbanken verfügen. Dass wir die notwendige Starthilfe zum Aufbau nationaler Förderinstitute in anderen europäischen Staaten geben können, wird zudem überall anerkannt und begrüßt. Die Hilfestellung kann von der zeitweisen Abstellung von Mitarbeitern bis hin zur Entwicklung von Trainingskonzepten reichen. Das wird gerne angenommen und von der deutschen und europäischen Politik auch unterstützt.

Wertet der VÖB es rückblickend betrachtet als falsch, die Förderbanken der Länder in den AQR einzubeziehen, die KfW aber nicht?

Letzteres ist dem Anwendungsbereich der CRD IV geschuldet, aber im Prinzip ist es absolut nachvollziehbar, alle Institute ab einer gewissen Größe einzubeziehen, also auch die betroffenen drei Förderbanken in Deutschland. An dieser Stelle darf es keine Emotionen oder das Gefühl von Benachteiligung geben. Genauso konsequent wäre es aber auch, sie wieder unter die nationale Aufsicht zu entlassen, wenn das angesichts der Prüfungsergebnisse naheliegen sollte.

Wie ist bei den übergeordneten Themen wie Europa oder in finanzpolitischen Fragen in Deutschland die Abstimmung mit dem DSGV? Wo kämpft man gemeinsam, wo allein? Hilft beispielsweise Ihre frühere Position beim DSGV?

Die Zusammenarbeit mit dem DSGV ist gut. Wir haben schon mehrere Initiativen gemeinsam gestartet und ergänzen uns aus dem öffentlichen Sektor heraus komplementär, auch der Austausch ist sehr intensiv. Hier mag es hilfreich sein, dass ich meine Kollegen im DSGV gut kenne.

Ist die Doppelmitgliedschaft von Landesbanken sinnvoll?

Natürlich! Wir sind für die Landesbanken ein hochspannender Verband, der ihnen insbesondere in der Fachspezialisierung in ihrer Größenordnung eine Plattform für echten Mitgliedernutzen bietet.

Wird Ihrer Ansicht nach der politische Einfluss auf die Aufsicht zunehmen?

Aufsicht ist nie politikfrei, das gilt auch für eine EZB-Aufsicht. Aber ich kann dazu noch kein abschließendes Meinungsbild geben. Es ist im heutigen Stadium nicht einmal klar, ob das eine Gefahr oder eine Chance ist, weil eine EZB sich auch erst positionieren muss. In diesem Prozess der Abwägung könnte es auch einer politischen Gegenposition bedürfen, zumal die EZB zu viele aufsichtsrechtliche Bereiche hat, in denen sie sich noch nicht in einem festen Rechtsraum bewegt. Das bedarf weiterer politischer Leitlinien.

Wie sieht aus Sicht des VÖB eine gute, weil tragfähige Zusammenarbeit zwischen nationalen und internationalen Aufsehern aus?

Mit der EZB-Aufsicht neben der nationalen Aufsicht wird es künftig etwas geben, was längst überfällig war, nämlich mindestens eine Zweiteilung der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit auch für deutsche Institute. Sieht man sich allein Gebilde wie MaRisk an, um ein Beispiel aufzugreifen, so hat man eine für alle gültige Vorgabe des Risikomanagements geschaffen. Für große Institute waren diese Mindestanforderungen immer eine Nummer zu klein, für die vielen kleinen Institute immer eine Nummer zu groß.

Es ist somit an der Zeit, dass sich letztlich eine größenklassenorientierte Aufsicht entwickelt. Denn es ist ein Irrtum zu glauben, dass man von einer reinen Kavaliersperspektive einer Sparkasse nach oben oder von einer Großbank nach unten letztendlich miniaturisierte Kleinbanken bekommt. Das Geschäftsmodell eines Institutes im Mikrokosmos sieht komplett anders aus als das einer international operierenden Bank.

Was sollen dann die immer wieder vorgetragenen Forderungen der doppelten Proportionalität?

Die regional ausgerichteten Institute brauchen eine komplett andere Aufsicht. Wir brauchen nationale Aufsichtsbehörden, die im nationalen Kontext eigenständige Aufsichtstätigkeiten durchführen. Im Übrigen sehe ich erste Entwicklungstendenzen dorthin. Der VÖB selbst hat diesbezüglich die Erwartung einer Rückdelegation von Instituten von der EZB unter die nationale Aufsicht. So kann ich mir gut vorstellen, dass die drei betroffenen Förderbanken Anfang November nach dem Stresstest wieder an die nationale Aufsicht rückdelegiert werden.

Sie klingen aber sehr zuversichtlich hinsichtlich der Einsicht von Regulatoren zur Selbstbeschränkung ihrer künftigen Aufgaben?

Das mag so aussehen, es hat aber seinen belastbaren Hintergrund. Die Geschäftsund Risikostrukturen von Förderinstituten, so fällt schon jetzt im AQR auf, unterscheiden sich komplett von jenen einer Deutschen Bank oder einer Landesbank. Und es macht enorme Mühe, eine so aufgestellte Institution mit ihrer Vielzahl an granularen Einzelkrediten einem so umfangreichen AQR mit Prüfung von Einzelpositionen zu unterziehen. Die Förderinstitute sind auf der Aktivseite national, regional investiert, das geht gar nicht anders.

In den langen Diskussionen um Basel II haben gerade die genossenschaftlichen Institute und die Sparkassen auf eine regulatorische Gleichbehandlung gepocht und wollten keine Banken zweiter Klasse sein. Hat sich der Wind gedreht?

Der Hinweis stimmt. Das habe ich damals als Wissenschaftlerin nie verstanden und vielmehr dafür plädiert, nach dem Vorbild der Amerikaner vorzugehen und es dem Markt zu überlassen, ob Basel II auch für kleine und mittlere Häuser adaptiert wird.

Wie definieren Sie die Aufgabenbereiche des VÖB? Wo endet die Interessenwahrnehmung? Wie weit mischen Sie sich beispielsweise in die Formulierung der Geschäftsmodelle ein?

In der Rollendefinition ist die Unterscheidung zwischen freiwilliger und Pflichtmitgliedschaft von Bedeutung. Wir sind ein Verband, der die gemeinschaftlichen Interessen seiner Mitglieder vertritt. Das sind beispielsweise aufsichtsrechtliche Themen öffentlicher Institutionen in Berlin oder Brüssel. Wir äußern uns dabei aber nicht zu einzelnen Instituten.

Die Fülle an Klagen gegen Banken nimmt zu. Wie empfinden die Verbände diese Entwicklung?

Die jüngste Finanzmarktkrise hatte in jedem Falle eine Schockwirkung, und wie bei jedem Schock, der zu einer Überreaktion führt, reagiert auch ein System über, bei der Regulierung ebenso wie bei Fragen von Haftung und Kontrolle. Aber man merkt auch in so manchem Protokoll, das dann auch durch die Presse geht, dass sich nicht jeder Vorwurf erhärten lässt. Eine Lösung dafür sehe ich nicht.

Thema Restrukturierung: Sind die zuletzt beschlossenen Abwicklungsregeln aus Ihrer Sicht tragfähig oder müsste man an dieser Stelle pragmatischer denken?

Die aufgestellte Haftungskaskade bedeutet schon einen pragmatischen Weg. Sie macht deutlich, dass der Brotkorb mit 55 Milliarden Euro allein aus Deutschland schon sehr hoch gehängt wird. Durch die vorher aufgestellten Hürden ist dieser letzte Topf des Abwicklungsfonds wirklich als absolute Notfalllösung angelegt. Ich gehe sogar so weit, diesen Topf als politisches Signal zu werten, dass man alles tun wird, um den Steuerzahler nicht noch einmal in Anspruch zu nehmen. Wenn dieser Ernstfall eintreten sollte, bildet der Abwicklungsfonds in seiner Dimension von 55 Milliarden Euro einen aus heutiger Sicht durchaus beachtlichen weiteren Puffer. Insofern nehme ich gegenüber der von einigen Wissenschaftlern im Frühjahr 2014 geäußerten Kritik an dessen mangelnder finanzieller Ausstattung eine Gegenposition ein.

Reicht die Haftungskaskade auch bei der Einlagensicherung?

Dort ist sie naturgemäß nicht so stark, weil die Einlagensicherung immer ein nationales Qualitäts- und im Stillen auch Wettbewerbsargument war. Dass man zwischen Einlagensicherung und Institutssicherung in Europa zu differenzieren beginnt, halte ich für grundsätzlich richtig. Aber an der Stelle möchte ich mich für unsere Gruppe in Europa noch nicht abschließend positionieren.

Innerhalb des Sparkassen- und Landesbankensektors laufen zurzeit Überlegungen, in welcher Aufteilung der Abwicklungsfonds von beiden Gruppen bestückt werden soll. Wie weit sind diese Überlegungen, und ist der VÖB in diese Dinge eingebunden?

Zu diesem Thema kann allein der DSGV Stellung nehmen. Der VÖB ist hier nicht eingebunden.

Wird der Topf der nationalen Bankenabgabe Ihrer Erwartung nach auf den Abwicklungsfonds angerechnet?

Ja, das ist so angelegt. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass die Zahlungen der deutschen Institute zum Abwicklungsfonds ausgesetzt werden, bis die Bankenabgabe aufgebraucht ist. Gerade die deutsche Politik hat ein Interesse an einer schnellen Befüllung der nationalen Töpfe, auch auf die Gefahr einer Doppelbelastung hin.

Stichwort Landesbankensektor: Wie sehen Sie die Wettbewerbsverhältnisse? Gibt es Handlungsbedarf?

Die Landesbanken haben in den vergangenen Jahren ihre Hausausgaben sehr gut erledigt. 50 Prozent der risikogewichteten Aktiva wurden abgebaut, das bedeutet eine Deleveraging-Strategie erster Ordnung und Güte. Damit ist eine Situation geschaffen worden, die den Konsolidierungsprozess auf Landesbanken ebene aktuell abgeschlossen hat.

Gleichzeitig beobachten wir eine starke Positionierung der Landesbanken als Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe. Man spürt überall den deutlichen Willen, die Landesbanken als komplementäre subsidiäre Institutionen des Sparkassensektors zu positionieren.

Ist Ihrem Gefühl nach eine konstruktive Arbeitsteilung im Landesbankensektor möglich?

Kartellrechtlich ist das eher kritisch zu sehen, aber es ist nicht die Aufgabe des VÖB das zu beurteilen.

Wie schätzen Sie den Gestaltungswillen der Träger im Landesbankenbereich ein, nicht zuletzt mit Blick auf eventuell notwendige Kapitalmaßnahmen? Wie groß ist der Wille der Landespolitik, sich überhaupt eine Landesbank zu leisten?

Zunächst: Eine gute positionierte, zukunftsfähig aufgestellte Landesbank mit einem tragfähigen Geschäftsmodell leistet man sich nicht, sondern man hat sie als wertvolle Beteiligung! Die Landesbanken werden nicht nur in ihren Heimatregionen als leistungsfähiger Finanzierungspartner für Unternehmen und die öffentliche Hand gebraucht.

Denken Sie beispielsweise an Infrastrukturprojekte. Das ist ein großes Geschäftsfeld unserer Landesbanken wie auch der Förderinstitute. Sie sind damit teilweise Instrument zur Umsetzung von Koalitionsverträgen auf Bundes- wie auf Länderebene. Stand heute kann ich keine notwendigen Kapitalmaßnahmen erkennen, hätte aber die feste Erwartung, dass eine möglicherweise Erhöhung aus Gründen des Stresstests gegebenenfalls nicht von einer an deren Behörde als Beihilfe gewertet wird. Diese Forderung steht auch im Koalitionsvertrag.

Ihr Sektor bietet mit der WestLB ein gutes Beispiel für einen geräuschlosen Marktaustritt mit Verwirklichung der Haftungskaskade, sprich Altrisiken bei den Alteigentümern und marktschonendem Übergang an einen neuen Eigentümer ohne Kundenauswirkung. Kann das eine Blaupause für Europa sein?

Die Zukunft einer Abwicklung ist erst dann ein wesentlicher Schritt in eine Imageverbesserung der Kreditwirtschaft, wenn sie den Steuerzahler nicht belastet. In diesem Sinne kann man den Austritt der WestLB noch nicht abschließend kommentieren, solange die Folgewirkungen für die Steuerzahler insgesamt nicht abschätzbar sind. Die Schockwirkung, soviel lässt sich jetzt schon sagen, ist in jedem Falle groß.

Welche Herausforderungen gibt es im Förderbankensektor?

Förderbanken sind ausdrücklich nicht wettbewerblich aufgestellt. Daran fühlen sich alle nach der Verständigung II gebunden. Dass Förderinstitute in aufsichtsrechtlicher Sicht immer mehr wie jedes andere Kreditinstitut behandelt werden,

führt dazu, dass ihre Geschäftsmodelle die aufsichtlichen Kosten mit verdienen müssen. Das halte ich nicht für richtig: Wenn man die Förderinstitute als Interventions- und Förderinstrument ausgestalten will, muss man sie von einigen aufsichtsrechtlichen Dingen ausnehmen.

Sind die Politiker nicht von dem Interesse hoher Einnahmen ihrer Förderbanken getrieben, die sie dann auch in ihren Haushalten verwenden können? Wie viel muss und darf eine Förderbank verdienen?

Wer eine Banklizenz hat, ist immer der Notwendigkeit einer Kapitalaufstockung nach CRR oder CRD ausgesetzt, wenn er wachsen will. Das trifft auch auf alle Förderbanken zu, der Wille einer Gewinnerzielung steht eindeutig hintenan.

Die regionale Förderung für den Heimatmarkt zu verwenden, ist höchstes Ziel, welches das bei Weitem den Gedanken an eine hohe Ausschüttung überwiegt. Das zeigt sich auch an den unterschiedlichen Förderaktivitäten der Bundesländer.

Stichwort interne Risikomodelle? Sind diese so gut, dass die Bankenaufsicht ihnen trauen kann?

Die internen Risikomodelle sind ein wesentlicher wettbewerbsdifferenzierender Faktor. Je besser ein Institut an dieser Stelle aufgestellt ist, umso besser sind die Frühwarnindikatoren und das Marktverhalten. Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, dass es offensichtlich auch sehr große Institute mit hervorragenden Risikomodellen gibt.

Versteht die Aufsicht diese Modelle, die sie ja überprüfen muss?

Ja, davon bin ich fest überzeugt. Das ist ein Feld mit ausgesprochenen Fachleuten auf beiden Seiten. Als Wissenschaftlerin hat mich allerdings immer fasziniert, wie sich die Risikomodelle in den letzten zehn bis 15 Jahren entwickelt haben. Meine These deshalb: Krisenfähige Modelle sind die Zukunft der Risikoprognose in der Kreditwirtschaft. Und manch ein Institut arbeitet meiner festen Überzeugung nach bereits heute mit solchen Modellen, ohne dass wir es im Einzelnen überhaupt wissen. Denn damit bewegen wir uns auf einer Ebene, die hochgradig wettbewerbsdifferenzierend ist.

Wir erleben gerade vollkommen unbeobachtet eine völlige Neupositionierung der internen Modelle in den großen Kreditinstituten. Der Selbsterhaltungstrieb in den Banken ist jedenfalls sehr hoch. Noch fahren aber auch viele Institute mit dem Rückspiegel der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Diese Modelle waren in der Krise nicht leistungsfähig. Aber das ändert sich gerade und macht mich enorm zuversichtlich.

Inwieweit beeinflusst die Regulatorik die Geschäftsausrichtung der Banken?

AQR und Stresstest haben zweifellos lange Schatten vorausgeworfen. Das heißt, viele Institute haben schon lange ihre Haus aufgaben gemacht. Wer clever war, hat aufgeräumt. Aber natürlich wird die strategische Zukunft stark durch die regulatorischen Standards geprägt. Damit übernimmt die Aufsicht freilich die gefährliche Verantwortung, dass die Kreditinstitute wie Soldaten im Gleichschritt marschieren. Was passiert aber, wenn sie sich irren?

Das Risiko liegt darin, dass die Uniformität der Institute zunimmt und immer weniger Differenzierungsmöglichkeiten gegeben sind, also eine bemerkenswerte Verklumpung von Geschäftsstrategien einsetzt. Das zeigt sich auch an der undifferenzierten Betrachtung der Schattenbanken.

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