Lobbyarbeit

Sprachrohr der deutschen Kreditwirtschaft

"Die Deutsche Kreditwirtschaft" lautet seit August 2011 die neue Bezeichnung für den Zusammenschluss der fünf kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände in Deutschland. Der neue Name soll noch deutlicher die gemeinsame Meinungs- und Willensbildung der kreditwirtschaftlichen Verbände in Deutschland in bankrechtlichen, bankpolitischen und bankpraktischen Fragen herausstellen und ist nicht zuletzt Ausdruck des veränderten Umfelds, in dem sich die gesamte Bankenbranche seit Ausbruch der Finanzmarktkrise befindet.

Der alte Name "Zentraler Kreditausschuss" (ZKA) war zuvor mehr als 50 Jahre die Bezeichnung für die oberste Interessenvertretung der deutschen Banken und Spar kassen. Sie hat ihren Ursprung in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, als die Reichsregierung den im ZKA vertretenen Kreditinstituten Höchstgrenzen für Einlagen- und Kreditzinsen vorschrieb. Der Begriff Zentraler Kreditausschuss hatte also reichlich Patina angesetzt und passte schon seit einiger Zeit nicht mehr zum Selbstverständnis der deutschen Kreditwirtschaft.

Inhaltliche Neuausrichtung

"Die Deutsche Kreditwirtschaft" ist aber nicht nur ein neuer Name, dahinter steht auch eine inhaltliche Neuausrichtung der gemeinsamen Interessenvertretung der fünf Spitzenverbände. Sie will noch stärker als in den zurückliegenden Jahren den intensiven und offenen Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft pflegen. Die vielen Diskussionen um die Zukunft des globalen Finanzsystems zeigen, dass ein erhebliches Unbehagen in der Bevölkerung gegenüber der Finanzwirtschaft existiert. Die deutschen Banken und Sparkassen müssen hier für ihre Argumente werben, die Diskussion mit der Öffentlichkeit suchen und die Positionen der anderen ernst nehmen. Das Vertrauen in die Branche wieder zu stärken ist eine der Hauptaufgaben der Deutschen Kreditwirtschaft für die Zukunft.

Dabei sind die Argumente nicht die schlechtesten. So zeigt sich die aktuelle Konjunkturlage in Deutschland trotz weltweiter Turbulenzen in guter Verfassung. Hierzu haben letztlich auch die deutschen Kreditinstitute ihren Beitrag geleistet. Der heimische Finanzstandort hat sich im Vergleich zu anderen Finanzplätzen weltweit als relativ stabil erwiesen. Das deutsche Bankensystem und die Geschäftspolitik der meisten Kreditinstitute sorgen dafür, dass die Kreditwirtschaft allgemein als sicher, beständig und weitgehend krisenresistent angesehen werden kann. Dies hat wiederum direkte Auswirkungen auf die Realwirtschaft. So gibt es keine Immobilienblase in Deutschland. Dies liegt ganz wesentlich an der verantwortungsvollen Kreditvergabe der Banken und Sparkassen bei der Immobilienfinanzierung. Diese ist an strengen Bewertungskriterien und Beleihungsgrenzen ausgerichtet. Tatsächliche Ausfälle bei Immobilienfinanzierungen verharren dadurch seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau.

Auch Unternehmensfinanzierungen waren nie in Gefahr, und die vielbeschworene Kreditklemme ist bislang ausgeblieben. Die stabilen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen Hausbank und Firmenkunden, die durchaus als ein Wesensmerkmal der deutschen Kreditwirtschaft bezeichnet werden können, haben für Stabilität auch in den jüngsten Krisenzeiten gesorgt.

Das deutsche Bankensystem zeichnet sich durch eine breite Aufstellung und einen intensiven Wettbewerb aus. Dies sorgt für niedrige Bankentgelte, eine verantwortungsvolle Kreditvergabe und wirkt in Krisenzeiten stabilisierend. Ganz aktuell arbeitet die Deutsche Kreditwirtschaft an Verbesserungen, die praktisch jedem Bürger zugute kommen sollen und damit den konkreten Nutzen von Bankleistungen im täglichen Leben veranschaulichen. Vor wenigen Wochen wurde das größte Pilotprojekt Europas zum kontaktlosen Bezahlen im Großraum Hannover gestartet. Dort können ab April 2012 1,3 Millionen Kunden der Banken und Sparkassen im teilnehmenden Einzelhandel und an Tankstellen schnell und bequem, fast im Vorbeigehen mit ihrer Girocard ihre Rechnungen bezahlen und damit erheblich Zeit sparen.

Regulierung mit Augenmaß

Der Deutschen Kreditwirtschaft ist natürlich auch bewusst, dass als Folge der Finanzmarktkrise weitere Regulierungsmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Die deutschen Banken und Sparkassen begleiten den Regulierungsprozess konstruktiv und mit der festen Absicht, die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen. Dabei haben die deutschen Institute bereits eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt:

Die Eigenkapitalausstattung wurde erhöht,

das Risikomanagement weiter verbessert,

die Vergütungssysteme angepasst und

beispielsweise bei der Anlageberatung mit der Einführung des Produktinformationsblattes neue Wege zu mehr Verbraucherschutz eingeschlagen.

Mit Blick auf die noch ausstehende Regulierungsagenda mahnt die Deutsche Kreditwirtschaft die Administratoren in Brüssel, Berlin, London und Paris, eine Regulierung mit Augenmaß zu verfolgen. Die Vielzahl von Richtlinienentwürfen, Verordnungen und Gesetzen, die das berechtigte Ziel haben, Banken krisensicherer zu machen und den Verbraucher besser zu schützen, dürfen die Kreditwirtschaft nicht überfordern. Die kumulativen Effekte der einzelnen Regulierungsmaßnahmen - so sinnvoll sie für sich betrachtet auch sein mögen - dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden, um die Handlungsfähigkeit der Banken und Sparkassen nicht zu beeinträchtigen. Die Fähigkeit der Institute, aus eigener Anstrengung zusätzliches Eigenkapital aufzubauen, könnte darunter erheblich leiden. Nicht auszuschließen wären auch negative Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft.

Mittelstandskredite nicht verteuern

Ein anschauliches Beispiel dafür sind die Ende des Jahres 2010 auf internationaler Ebene verabschiedeten "Basel III"-Beschlüsse, die gegenwärtig in europäisches Recht umgesetzt werden und 2013 in Kraft treten sollen. Basel III stellt erhebliche zusätzliche Anforderungen an die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken. Es ist davon auszugehen, dass sich diese verschärften Anforderungen auch auf die Kosten von Unternehmensfinanzierungen auswirken werden. Hier ist die Politik dringend gefordert gegenzusteuern.

Mittelstandskredite sollten durch die neuen Eigenkapitalanforderungen gerade nicht teurer werden, da ansonsten Fehlsteuerungen für die Realwirtschaft drohten. So müssten Mittelstandskredite mit einer niedrigeren Eigenkapitalunterlegung versehen werden. Dies erscheint auch unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt, da jüngste Untersuchungen belegten, dass der Mittelstand seine Widerstandfähigkeit gegenüber konjunkturellen Belastungen durch Erhöhung der Eigenkapitalquoten verstärkt habe. In jedem Fall aber werden Banken und Sparkassen eine umfassende Kreditversorgung - ihr Kerngeschäft - weiterhin sicherstellen, zumal eine Einschränkung dieses Geschäfts keine sinnvolle Strategie darstellen würde.

Finanzwirtschaft braucht Verlässlichkeit

Nicht hilfreich ist in diesem Zusammenhang, wenn völlig überraschend neue Anforderungen hinsichtlich durchzuführender Stresstests zur Untersuchung der Eigenkapitalausstattung der Banken gestellt werden. Dies hat zu erheblicher Verunsicherung und Spekulationen an den Finanzmärkten und in der breiten Öffentlichkeit geführt. Dabei - und das gerät bisweilen in den Hintergrund - gibt Basel III bereits die Umsetzungsagenda vor, ab wann welche Eigenkapitaldefinitionen zu gelten haben und zu welchen Zeitpunkten bestimmte Quoten erreicht werden müssen.

Was die Finanzwirtschaft auf dem durchaus anspruchsvollen Weg der Umsetzung der Regulierungsmaßnahmen braucht, ist vor allem Verlässlichkeit und Zeit für eine geordnete und einwandfreie technische Umsetzung.

Regulierung im internationalen Gleichschritt

Ein weiterer sehr entscheidender Aspekt im Hinblick auf die Wirksamkeit der Regulierungsmaßnahmen ist, dass die Regulierung im internationalen Gleichklang erfolgen muss. So sorgt beispielsweise eine Finanztransaktionssteuer, die nur in wenigen Staaten eingeführt wird, für eine Verlagerung der Geschäfte an andere Finanzplätze. Eigenkapitalvorschriften, die ausschließlich in Europa umgesetzt wer den, aber nicht in den USA, sorgen für ungleiche Wettbewerbsbedingungen und unterlaufen die Bemühungen, das Finanzsystem weltweit krisenfester zu machen.

Die Regulierung muss auch auf die tatsächlichen Risiken im weltweiten Finanzsystem ausgerichtet sein. Viele Risiken gehen beispielsweise vom nach wie vor ungeregelten Schattenbankensystem aus. Nicht optimal ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass die Arbeiten an der Regulierung für diesen Bereich erst am Anfang stehen und durch Einwände aus dem angloamerikanischen Raum ständig ausgebremst werden.

Mit einer Stimme sprechen

Die aktuelle Lage zeigt, und das muss auch die Strategie für die Zukunft sein: Die deutschen Kreditinstitute müssen beweglich und veränderungsbereit sein. Der neue offizielle Name "Die Deutsche Kreditwirtschaft" für die gemeinsame Interessenvertretung der fünf kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände in Deutschland soll Ausdruck dieser Veränderungsbereitschaft sein.

Mit dem neuen Namen ist vor allem auch die Absicht verbunden, auf nationaler und internationaler Ebene eine noch stärkere Präsenz der deutschen Kreditwirtschaft zu erreichen. Dabei sollen die Gemeinsamkeiten, die die deutschen Banken und Sparkassen verbinden, noch deutlicher herausgestellt werden.

Für die Politik sowie die nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden soll die Deutsche Kreditwirtschaft ein wichtiger Ansprechpartner sein. Abgesehen von wettbewerbsrelevanten Einzelthemen der eigenständigen Bankengruppen, wird daher zu wesentlichen Belangen der Branche im Interesse des deutschen Finanzstandortes mit einer Stimme gesprochen. Dass es hier viele Gemeinsamkeiten gibt, zeigt die lange Reihe gemeinsamer Stellungnahmen gegenüber nationalen und europäischen Ansprechpartnern. Gerade bei der zunehmenden Zahl der bereits auf europäischer Ebene ausgearbeiteten finanzmarktrelevanten Themen ist eine einheitliche Positionierung umso wichtiger, um dem deutschen Finanzstandort über dieses Sprachrohr entsprechendes nachhaltiges Gehör zu verschaffen.

Uwe Fröhlich , Co-Vorsitzender des Vorstands , DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
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