PRIVATKUNDENGESCHÄFT

Deutsche belügen sich beim Thema Schulden selbst

Seit jeher gelten die Deutschen als schuldenavers. Das hat auch in diesen Zeiten noch seine Berechtigung, in denen die Werbung von Kreditportalen mitunter den Eindruck erweckt, eine Kreditaufnahme sei eine gute Möglichkeit, sein Geld zu vermehren. Das bestätigt eine europaweite Studie der ING, in der Konsumenten in 13 Ländern zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen rund um das Thema Schulden befragt wurden.

Europaweit nutzen demnach 31 Prozent der Befragten einen Bankkredit, in Deutschland nur 23 Prozent. 21 Prozent der Europäer, aber nur 17 Prozent der Deutschen nutzen den Überziehungskredit auf dem Girokonto.

Natürlich geht auch den Deutschen mitunter am Monatsende das Geld aus. Doch sowohl bei denjenigen, denen das manchmal, üblicherweise oder immer passiert, bleiben die Werte für Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt. 28 Prozent der Deutschen (gegenüber 23 Prozent der Europäer) geben an, dass ihnen das nie passiert.

Die Umfrage offenbart allerdings auch einmal mehr Defizite bei der Finanzbildung in Deutschland. Denn die Verbraucher hierzulande sind sich weniger als die übrigen Europäer darüber im Klaren, dass manche Bezahlverfahren eine Form des Kredits darstellen. Das gilt für den Mobilfunkvertrag mit Telefon, das letztlich über den Vertrag abbezahlt wird, für den Kauf auf Rechnung oder Kreditkartenzahlungen, die jeweils mehr als 40 Prozent nicht für Schulden halten.

Bei Kreditkartenzahlungen mag das vielleicht noch damit zu erklären sein, dass der Großteil der Karten in Deutschland Chargekarten sind, deren Betrag automatisch beglichen wird, sodass die Nutzer das aufgeschobene Zahlungsziel weniger als Kredit wahrnehmen. Doch sogar Null-Prozent-Finanzierungen, die in Raten abbezahlt werden, definieren 30 Prozent der Deutschen nicht als Schulden. Das ist entweder ein gutes Stück Selbstbetrug - oder eben eine eklatante Bildungslücke. Nicht ohne Grund verweisen Verbraucherschützer immer wieder darauf, dass auch Null-Prozent-Finanzierungen oder Kredite mit Negativzins eine Schuld darstellen, die beglichen werden muss.

Immerhin einen Lichtblick gibt es an dieser Stelle. Die Umfragedaten aus dem Mai 2020 zeigen nämlich im Vergleich zu einer Befragung vom Dezember 2019, dass Verbraucher in allen Ländern - auch in Deutschland - verstärkt zu einer Einstufung der genannten Bezahlarten als Schulden tendieren. Gut möglich, dass die Corona-Folgen für die Finanzen der privaten Haushalte hier zu einem etwas sorgfältigeren Hinschauen und mehr Ehrlichkeit sich selbst gegenüber geführt haben. Red.

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