Digitalisierung

Mit Outsourcing-Modellen in die digitale Zukunft

Karl im Brahm, CEO, Avaloq Sourcing (Europe) AG, Berlin

Wenn Banken externe Lösungen in ihre Wertschöpfungskette integrieren, haben sie dazu vier strategische Optionen, so die Autoren. Jede dieser Optionen bietet unter anderem Kostenvorteile. Am höchsten fallen die bei Software-as-a-Service-Modellen aus. Gegenüber dem traditionellen IT-System mag sich dabei die eine oder andere Lücke ergeben. Es gilt aber zu fragen, wie relevant diese Lücken tatsächlich sind und ob Vorteile wie Komplexitätsreduktion, Automatisierung und Agilität nicht doch überwiegen. Die Autoren sind sich jedenfalls sicher: Software as a Service ist die Zukunft. Red.

Viele Banken und Vermögensverwalter sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ihr Aufwands-Ertrags-Verhältnis um 15 oder mehr Prozent verbessern zu müssen, wollen sie im neuen, digitalen Banking-Zeitalter bestehen. Die Frage der eigenen Fertigungstiefe gewinnt damit an Bedeutung. Gerade servicebasierte Modelle wie Software as a Service (SaaS) oder Business Process as a Service (BPaaS) stellen Alternativen zum Modell des "Wir machen alles selbst" dar. Solch ein Schritt in eine Partnerschaft mit einem Service Provider - vielleicht sogar basierend auf Cloud-Technologie - hilft einem Institut dabei, sich auf seine wirklichen Stärken zu fokussieren: die Klienten zu beraten und ihnen optimale Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

Komplexität reduzieren

Doch letztlich besteht die Antwort auf die Notwendigkeit zur Automatisierung und Digitalisierung weniger in der Technologie selbst als in der geeigneten Business-Strategie: Banken und Wealth Managern stehen unterschiedliche Optionen offen, um ihre Digitalisierung durch Outsourcing voranzutreiben.

Individuell gewachsene Strukturen haben bei vielen Banken und Vermögensberatern zu umfangreichen Produktportfolios und antiquierten IT-Architekturen geführt. Die Komplexität macht die Unternehmen aber derart unbeweglich, dass die Zeit für eine Veränderung reif ist. Versuche, die gewachsene Komplexität durch einen Prozess kontinuierlicher Evolution zu reduzieren, werden in vielen Fällen erfolglos bleiben. Häufig ist ein völliger Neustart weit sinnvoller. Banken und Vermögensverwalter sollten dazu ihre Geschäftsmodelle und ihre operativen Strukturen auf den Prüfstand stellen, sich auf die Teile konzentrieren, die wirklich bedeutsam sind, und den Rest radikal vereinfachen. Dazu gehört es, das Produktportfolio zu straffen und Prozesse und IT-Systeme auszulagern oder zu standardisieren. Vor diesem Hintergrund erscheinen externe Lösungen oft als der Königsweg hin zu Standardisierung und Marktinnovation.

Die Wahl zwischen vier strategischen Optionen

Banken haben heute diverse Möglichkeiten, externe Lösungen in ihre jeweiligen Operating-Modelle zu integrieren. Grob lassen sich vier Optionen unterscheiden. Sie reichen vom neuen Kernbankensystem bis zum umfassenden Banking-as-a-Service-Ansatz. Bei jeder dieser vier Optionen werden die vier wesentlichen Bereiche in der Wertschöpfungskette anders kombiniert: die Geschäftsabwicklung, das Applikationsmanagement, die Softwareentwicklung und der Infrastrukturbetrieb.

Option 1 - Das eigenentwickelte Kernbankensystem durch Standard-Software ersetzen und sie selber betreiben: Die eigene Kernbanken-Plattform abzu lösen, bedeutet üblicherweise, sie durch ein oder mehrere externe Standardsoftware-Pakete zu ersetzen. Selbst wenn die ursprüngliche Motivation darin bestanden hat, die alte IT-Infrastruktur zu modernisieren, ergibt sich dabei doch immer auch die Chance, das Produktportfolio zu bereinigen und Prozesse zu vereinfachen. Bei einer On-Site-Implementierung finden Management und Betrieb weiter in Eigenregie statt.

Vorteile gegenüber den komplexen Legacy-Systemen liegen im verringerten Administrationsaufwand durch optimierte Prozesse, in modernen und flexiblen Technologien und in einer laufenden Aktualisierung des Standardsoftware-Pakets durch dessen Hersteller. Der Aufwand, Veränderungen an der Software inhouse durchführen zu müssen, entfällt. Dennoch bleiben die positiven Effekte eines Standard-Kernbankensystems auf die Kostensituation letztlich überschaubar - es sei denn, das Unternehmen flankiert die Einführung seiner neuen Core-Ban king-Plattform mit Initiativen zur Prozess- und Produktoptimierung.

Option 2 - Full-Service-IT-Provider nutzen: Die nächste Option geht über den Austausch des Kernbankensystems noch hinaus: Hier wird die neue Core-Banking-Plattform durch den externen IT-Provider auch noch implementiert und betrieben. Der Service Provider verantwortet dabei die Entwicklung und Weiterentwicklung, die Wartung und den Betrieb der Softwareplattform. Entweder deckt der Provider dabei nur die bankingnahe Infrastruktur ab - wie etwa Core Banking, Umsysteme und IT-Infrastruktur - oder er übernimmt für seinen Kunden gleich die gesamte technologische Infrastruktur - also auch Geldautomaten, Office-Software oder Netzbetrieb.

Weil der externe Provider meist mehrere Banken betreut, profitiert die Community seiner Kunden von Skaleneffekten. Dabei verteilen sich auch die Kosten für den Infrastrukturbetrieb, die einen beträchtlichen Anteil an den gesamten IT-Kosten haben, unter den Kunden des Providers: Kosten für das Management der Hardware, der Systemsoftware, der Datenbanken, der Netzwerke und der Ausgabesteuerung. Bei diesem Ansatz darf man von deutlichen Kostenreduktionen ausgehen, auch nach der Berücksichtigung eines möglichen Mehrwertsteuereffekts.

Option 3 - Der traditionelle BPO-Ansatz: Beim klassischen Business-Process-Outsourcing (BPO) lagern Banken nicht nur die IT-Infrastruktur und den Betrieb ihrer (meist noch individualisierten) Softwarelösung aus, sondern sie lassen das Personal des externen Providers auch Kern- oder Nicht-Kernbankenaktivitäten erbringen. Meist geht es um Routineaufgaben wie Wertpapierabwicklung oder Zahlungsvorgänge. Die Anbieter dieser Dienstleistungen können dabei durchaus ihre eigene Technologie nutzen, die dann in die IT-Landschaft ihres Kunden integriert wird.

Zusätzliche Kostenreduktionen gegenüber Option 2 ergeben sich aber erst dann, wenn die Bank in diesem Zuge auch Prozesse stark optimieren kann oder in der Lage ist, auf Personal aus Niedriglohnländern zurückzugreifen. Wir gehen hier von moderaten Einsparungen von zehn Prozent aus - über verschiedene Abteilungen des Unternehmens hinweg, von Sales bis Operations.

Option 4 - Banking as a Service mit SaaS- und BPaaS-Modellen: Die vierte Option hat im Kontext des allgemeinen Trends zur Cloud-Computing-Technologie an Popularität gewonnen. Denn zusätzlich zum in Option 3 beschriebenen klassischen BPO besteht dann die Möglichkeit, manuelle Prozesse in automatisierte Prozesse umzuwandeln. Dies lässt sich mit Lösungen wie Software as a Service und Business Process as a Service realisieren. Sie stellen ein hochautomatisiertes Bündel aus Softwarelösungen und Prozessfunktionalitäten dar.

Dies macht SaaS und BPaaS besonders für Banken interessant, denen an der Reduktion vom Komplexität und an zukunftsweisender Automatisierung gelegen ist. Denn neben den positiven Wirkungen der ersten drei Optionen kommen hier zusätzlich auch noch wichtige Automatisierungseffekte zum Tragen. Dazu gehört, dass sich durch die Industrialisierung beziehungsweise Automatisierung des Bankings viel höhere Straight-Through-Processing (STP)- Raten ergeben. Steigert man den Anteil der automatisierten Aufgaben von 30 auf 80 Prozent, wird dadurch auch der Personalbedarf deutlich reduziert. Und noch wichtiger: Die Abläufe werden sofort effizienter.

Die Konsequenz kann ein um weitere 10 bis 20 Prozentpunkte besseres Aufwands-Ertrags-Verhältnis sein - gespeist durch die Möglichkeit, Veränderungen und Betrieb auszulagern, die Skaleneffekte des Providers zu nutzen, einen höheren Automatisierungsgrad zu erzielen und die Anforderung vieler Kunden im Sinne eines "Jetzt und sofort" viel besser zu erfüllen. Dass Self-Service immer populärer wird, tut ein Übriges, eine vollständige und durchgängige Automatisierung letztlich unverzichtbar werden zu lassen.

Kein technologisches, sondern ein strategisches Thema

Um die Vorteile fortschrittlicher Banking-as-a-Service-Modelle wie SaaS und BPaaS vollständig zu nutzen, ist es erforderlich, sich in intelligenter Weise an den Möglichkeiten und Standards der zugrunde liegenden Plattform auszurichten. Nach seinem Wechsel zu Banking as a Service wird ein Institut wahrscheinlich die eine oder andere Lücke gegenüber seiner alten, traditionellen Lösung identifizieren. Aber die Kernfragen wären: Ist dies aus Sicht der eigenen Kunden wirklich bedeutsam? Wirken sie sich auf die Fähigkeit zu regulatorischer Compliance aus, und sind diese Lücken überhaupt ertragsrelevant?

Die Fragen machen deutlich, dass der Schritt in die Digitalisierung und Automatisierung durch eine Banking-as-a-Service-Lösung kein rein technologisches, sondern ein strategisches Thema darstellt. Letztlich ist es eine Frage der Business-Strategie:

- Welche Produkte und Services haben entscheidenden Anteil am Ertrag?

- Durch welche Prozesse sorgt das Institut für Differenzierung im Wettbewerb?

- Und schätzen Kunden wirklich die Möglichkeit manuell maßgeschneiderter Angebote? Sind sie tatsächlich bereit, den höheren Preis zu zahlen, der dafür nötig ist?

Zu verstehen, welche Aspekte des eigenen Geschäfts wirklich marktdifferenzierend sind und welche sich leicht standardisieren lassen, ist eine gute Grundlage, um bremsenden Ballast über Bord zu werfen, bevor sich die Bank den unabwendbaren Transformationsaufgaben in der digitalisierten Welt zuwendet. Im Idealfall wird die Diskussion der technologischen Optionen essenzieller Bestandteil einer Strategiediskussion sein, die auf Vorstandsebene zu führen ist. Die Diskussion der diversen Outsourcing-, Cloud-Computing- und Automatisierungs-Optionen wird den C-Level letztlich zu Entscheidungen führen, die weitreichende - und zukunftsweisende - Konsequenzen haben.

Banking as a Service ist die Zukunft

Banking as a Service zu nutzen, ist im Grunde nur der nächste logische Schritt in einer Entwicklung, die schon stattfindet, seit Banken überhaupt damit begonnen haben, ihre Prozesse durch IT zu erweitern.

- Zum einen ist Instituten daran gelegen, Bankingfunktionen stärker zu automatisieren - dies ist wenig überraschend, sind Banken doch ganz wesentlich "Informationsverarbeiter".

- Zum anderen haben sie im Laufe der Zeit bereits einen immer größeren Teil ihrer Wertschöpfungskette an externe Provider ausgelagert, zumal bei Entwicklung und Betrieb ihrer IT-Lösungen. Banking as a Service - also cloudbasierte Banking-Funktionalitäten von externen Providern zu beziehen -, trägt den beiden Entwicklungslinien Rechnung.

Für Banken und Wealth Manager kann es sich als Schlüssel erweisen, um die Komplexität in ihren Prozessen und ihrer IT-Landschaft zu reduzieren, Agilität zurückzugewinnen und eine tragfähige Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu geben. Und all dies gleichzeitig.

Ein englischsprachiges Whitepaper, das sich mit cloudbasierten Service-Modellen und der Transformation des Bankings beschäftigt, kann hier kostenfrei heruntergeladen werden: www.avaloq.com

Zu den Autoren Karl im Brahm, CEO, Avaloq Sourcing (Europe) AG, Berlin, und Dr. Primoz Perc, Partner, zeb Consulting, Frankfurt am Main
Karl im Brahm , CEO DACH und Leiter Banking Practice , Objectway GmbH, Ebersberg
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