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Regtechs: Eine Branche mit Potenzial?

Swantje Benkelberg

Regtechs machen sich auf, um Finanzdienstleister und andere Unternehmen mit innovativer Technik bei den Themen Regulierung und Compliance zu unterstützen - meist jedoch noch beschränkt auf einzelne Prozesse. Einer Untersuchung der TME zufolge steht die BaFin diesen Ansätzen zwar interessiert, aber eher abwartend gegenüber. Die Regtechs ihrerseits beklagen zu geringe Zusammenarbeit mit den Regulatoren. Das wiederum lässt Banken zurückhaltend reagieren - schließlich können sie es sich nicht leisten, Prozesse zu implementieren, die nicht mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt sind. Das Interesse und die Zukunftserwartungen für die Branche sind gleichwohl hoch. Denn ohne innovative Lösungen werden die Anforderungen in Sachen Compliance künftig vielleicht nicht mehr zu erfüllen sein.

Die Schlagwörter Fintech und Insurtech sind längst zu etablierten Begriffen in der Finanzbranche geworden. Sie bezeichnen innovative Unternehmen, die technologiebasierte Lösungen einsetzen, um in bestimmte Nischen vorzustoßen oder bestehende Bedarfslücken im Servicebereich zu schließen.

Für Finanzdienstleister von Bedeutung sein können aber in Zukunft auch "Proptechs" im Immobilienbereich und "Regtechs" im Bereich Regulierung und Compliance. Sie machen sich auf, die Belastungen der Finanzinstitute durch die Automatisierung von Prozessen zu senken und gleichzeitig die Effizienz der Compliance-Funktionen zu erhöhen. Angesichts der hohen Bedeutung des Compliance-Bereichs für Finanzdienstleister werden sie häufig als Unterkategorie der Fintechs eingeordnet.

Regtechs bedienen eine Nachfrage

Diese Einordnung ist zwar umstritten, weil die Ursachen für ihre Entstehung an anderer Stelle liegen als bei den Fintechs. Letztere entstehen typischerweise aus eigenem Antrieb, um eine identifzierte Marktlücke zu schließen, während die Gründung von Regtechs eher reaktiv erfolgt, um die existierende Nachfrage der Unternehmen bei der Unterstützung zur Einhaltung der regulatorischen Anforderungen zu bedienen.

Das ändert freilich nichts an der Bedeutung, die aktuell noch ziemlich am Anfang stehenden Regtechs für die Finanzbranche haben könnten. Schließlich sind geschätzt allein 10 bis 15 Prozent aller Mitarbeiter in der Finanzbranche im Bereich Compliance tätig. Dass sich das bei den Fintechs bestehende Problem einer potenziellen Verdrängung etablierter Anbieter bei den Regtechs aufgrund ihres anderen Ansatzes gar nicht erst stellt, dürfte die Offenheit für eine Zusammenarbeit mit ihnen eher bestärken.

Sechs Kategorien von Regtechs

Deshalb hat TME das noch junge Segment der Regtechs in einem White Paper genauer unter die Lupe genommen und dabei mehrere Kategorien solcher Unternehmen ausgemacht, je nachdem, mit welchem Problemfeld sich die Anbieter beschäftigen.

- Regulatory Reporting, Data Management und Aggregation: Regtechs, die sich mit den Themen der Berichterstattung beschäftigen, unterstützen ihre Kunden dabei, die Daten einfacher, effektiver und mit möglichst wenig Aufwand zu verwalten und an die regulatorischen Behörden weiterzuleiten. Dank Technologien wie Cloud-Computing und Data-Analytics-Methoden wird eine risikokonforme Berichterstattung vereinfacht - nicht immer ganz einfach, wenn historisch gewachsene Systeme eine unzureichende Datenqualität mit sich bringen.

- Unternehmen der Kategorie Transaction Monitoring, Identification und Fraud Detection unterstützen Finanzdienstleiter bei KYC-Prozessen, Anti-Geldwäsche-Prozessen sowie Betrugsaufdeckung und Prävention. In herkömmlichen Prozessen kann es mehrere Tage oder sogar Wochen dauern, bis alle Kontrollen abgeschlossen sind und ein neuer Kunde für eine Geschäftsbeziehung akzeptiert wird. Hier setzen Regtechs an und beschleunigen die Prozesse durch Technologien wie maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Biometrie und Blockchain-Lösungen.

- In der Rubrik Risikomanagement können nicht nur im Frontoffice Risiken aufgedeckt werden, sondern auch im Middle- und Backoffice, wie zum Beispiel operationelle Risiken. Dank fortgeschrittener Datenanalyse und Visualisierungstechniken können Risiken schnell entdeckt und behoben werden.

- Zur Kategorie " Legal und Regulatory Analysis" zählen Unternehmen, die die Identifikation und Analyse neuer Regularien ermöglichen sowie Schwachstellen entdecken und Informationen über aktuelle regulatorische Änderungen liefern.

- "Cyber und Information Security" gewinnt deshalb an Bedeutung, weil Finanzunternehmen, vor allem in Europa, zunehmend mit externen Anbietern zusammenarbeiten. Dann werten hohe Anforderungen an die Cyber- und Information Security gestellt. Ein Beispiel ist die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 18. April 2018 mit verschärften Anforderungen und härteren Strafen in Kraft treten wird.

- Eine eher übergreifende Kategorie ist der Bereich Governance und Compliance, da die meisten Regtechs in der Regel eng mit der Compliance verbunden sind, zum Beispiel Compliance Training, Communication Monitoring, Internal Audit und Vendor Management. In dieser Kategorie gibt es Smart Documents (NowWeComply), Communication Monitoring (Cognia), Training Compliance (GRC Solutions) und Governance und Compliance unterstützende Lösungen wie Qumram, Governance.io und actico.

Große Nachfrage durch Regulierungsflut

Zu den Chancen und Herausforderungen der Regtechs hat TME sechs Vertreter des Regtech-Ökosystems der DACH Region sowie einen BaFin-Repräsentanten und zwei Banken befragt. Die Vertreter der Regtechs sehen dabei allein durch die Vielzahl der regulatorischen Vorschriften einen großen Unterstützungsbedarf der Unternehmen und damit eine große Nachfrage nach ihren Dienstleistungen, wenngleich eine komplette Automatisierung nicht möglich ist. Ein besonderer Vorteil sei dabei die Kombination aus innovativen Technologien einerseits und fachlicher Expertise andererseits. Anbieter, die diesen Spagat schaffen, werden gute Chancen eingeräumt, sich am Markt zu etablieren.

Genau an dieser Stelle liegt indessen auch eine der wesentlichen Herausforderungen - schließlich sind sowohl IT-Fachkräfte als auch Compliance-Experten auf dem Arbeitsmarkt tendenziell eher Mangelware.

Als weitere Stärke ihrer Branche sehen die Regtechs (wie auch Fintechs oder Insurtechs) die Schnelligkeit der Umsetzung der Anforderungen und die Erledigung der Prozesse ohne interne Interessenkämpfe. Bei der pragmatischen und effizienten Umsetzung der Regularien würden weiche Faktoren ohne regulatorische Relevanz ausgeblendet sodass objektiv, ohne Berücksichtigung bestimmter Befindlichkeiten Lösungsvorschläge unterbreitet werden können. Gerade das könnte freilich auf der Bankseite auch zu einem Hemmschuh werden, weil Widerstände bei den Mitarbeitern damit nahezu vorprogrammiert sind.

BaFin noch ohne Überblick

Der BaFin fällt es derzeit schwer, einen detaillierten Überblick über den dynamischen Fintech- und Regtech-Markt und die einzelnen Lösungen zu behalten. Es entsteht der Eindruck, dass sie die Marktteilnehmer zunächst ausloten will, um relevante Lösungen zu identifizieren, bevor sie dazu explizit Stellung bezieht.

Aus Sicht der BaFin sind Regtech-Lösungen offenbar noch weitgehend Zukunftsmusik. Das gilt vor allem für die Übermittlung von Daten über Schnittstellen, mit denen sich die Effizienz im Berichtswesen deutlich verbessern ließe. Das Interesse der Aufsicht ist erkennbar. Mit einem Urteil über die Zukunftsaussichten der noch sehr jungen Branche hält sie sich jedoch zurück.

Zu wenig Zusammenarbeit mit den Regulatoren

Auch aufseiten der Regtechs wird im Übrigen in der Befragung eingeräumt, dass die Zusammenarbeit mit den Regulatoren noch schwach ausgeprägt und damit verbesserungswürdig ist. In vielen Fällen beschränken sie sich auf einen bloßen Informationsaustausch, während gemeinsame Aktionen und Durchsetzung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzplätze nicht stattfinden. Hierzu wünschen sich die jungen Unternehmen eine aktivere Zusammenarbeit unter Einbeziehung der Finanzinstitute, um Deutschland und Europa zu einer führenden Rolle zu verhelfen.

Die geringe Zusammenarbeit zwischen Regtechs und Regulatoren kann sich wiederum als Hemmschuh für den Markterfolg erweisen. Ohne die Unterstützung der BaFin sei eine Forcierung solcher innovativen Themen schwierig, heißt es von der Anwenderseite. Allerdings, so ein Vertreter einer deutschen Großbank, würden die Möglichkeiten, die durch Regtechs schon heute eröffnet werden, von den Kreditinstituten viel zu wenig beachtet und seien in den Entscheidungsebenen in den Banken kaum bekannt.

Regtechs mit eigenem Verband?

Auf die Frage nach den Zukunftsaussichten ergibt sich folgendes Bild: Die Regtechs selbst wollen die Herausforderungen aktiv angehen und etwa einen Regtech-Verbands und/oder eine europäische Organisation gründen, in der sich verschiedene Unternehmen zusammenschließen, um Interessen zu bündeln.

Insgesamt blicken sie jedoch positiv in die Zukunft, weil sie in der technischen und automatisierten Umsetzung den Schlüssel für eine effiziente und effektive Bewältigung der immer komplexeren regulatorischen Anforderungen sehen und bezweifeln, dass der immense Aufwand für Compliance ohne innovative Software-Technologie in Zukunft zu bewältigen sein wird. Eine Reihe von Neugründungen wird auch in der Region Deutschland, Österreich und der Schweiz erwartet.

Auch vonseiten der Banken sind die Erwartungen eher positiv, auch wenn die Voraussetzungen in Europa nicht die besten sind und auch innerhalb Europas deutliche Unterschiede bestehen. Die befragten Bankenvertreter kommen zu dem Schluss, dass der Einsatz von Regtech-Lösungen für Banken essenziell wird, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die zukünftige Compliance-Abteilung könnte dann zu einer Mischung aus Rechts-, IT- und Prozessexperten werden, die agil zusammenarbeiten.

Das Potenzial innovativer Technologien für die Automatisierung von Compliance- und Reporting-Prozessen ist somit vorhanden. Inwieweit die Banken in Zukunft auf externe Lösungen setzen, um diese Potenziale freizusetzen, bleibt abzuwarten.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag

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