Alles in Bewegung

Swantje Benkelberg

sb - Totgesagte leben bekanntlich länger. Das gilt auch für die Filialbanken, die schon nach dem Aufkommen der Direktbanken in den neunziger Jahren zur aussterbenden Spezies erklärt wurden. Mehr als 20 Jahre später gibt es sie noch immer. Vom Aussterben bedroht, das lehrt die Geschichte der Evolution, ist nämlich nur derjenige, der nicht imstande ist, sich weiterzuentwickeln und sich veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Genau das jedoch haben Filialbanken in den zurückliegenden Jahren getan und tun es noch immer. Natürlich fällt es ihnen nicht immer leicht bei der rasant fortschreitenden technischen Entwicklung, den gleichzeitig stark anwachsenden regulatorischen Belastungen und immer neuen Angriffen auf ihr Geschäftsmodell durch neue Wettbewerber das Innovationstempo mitzuhalten. Umso mehr Respekt verdient es, dass sie sich nicht nur nicht abhängen lassen, sondern sich manchmal sogar an die Spitze setzen. Gerade erst hat es die Sparkassen-App, in der Version für Android und in der iOS-Variante gleichermaßen, geschafft, von Finanztest zum zweiten Mal zur besten Banking-App gekürt zu werden - und damit besser abzuschneiden als Fintechs wie Outbank oder Numbrs sowie Direktbanken wie DKB, ING-Diba und Comdirect. Wenn das kein Beweis dafür ist, dass Platzbanken auch "direkt" können!

Dass sie dabei ihr Filialnetz straffen und Services rund um das Bargeld abbauen - auch das ist Evolution, ganz so, wie der Mensch kein Fell mehr trägt, seit er gelernt hat, sich anderweitig warmzuhalten. Das Bild lässt sich aber noch weiterführen: Da, wo sie sich nach wie vor als hilfreich erwiesen hat, hat der Mensch die Behaarung prinzipiell beibehalten - auf dem Kopf nämlich. Dieser Kopf ist für Filialbanken die Mensch-zu-Mensch-Begegnung im Service und vor allem in der Beratung. Dies ist das Pfund, mit dem sie wuchern können, und ein Differenzierungsmerkmal, das die filiallosen Banken nicht so einfach imitieren können. Versuche dazu hat es durchaus gegeben, bis hin zu Bankshops von Online-Brokern, mit denen man Einstiegshürden senken wollte. Mit der Filiale kann aber weder die telefonische noch die Videoberatung restlos mithalten, wenngleich vor allem Letztere dazu beiträgt, die Grenzen zwischen Filial- und Direktbanken weiter verschwimmen zu lassen. Die einen werden digitaler, die anderen persönlicher. Eine Rolle bei diesen Konversionsprozessen spielen auch die Fintechs. Ursprünglich als Wettbewerber der Banken angetreten, sind sie in vielen Fällen längst zu deren Partnern geworden und helfen Filial- wie Direktbanken bei ihren Evolutionsprozessen. Gleichzeitig halten sie das Entwicklungstempo hoch und werden gewissermaßen zum Katalysator der Entwicklung. Auch die Direktbanken können sich schon lange nicht mehr auf den Lorbeeren eines schlanken Geschäftsmodells ausruhen. Wie für die Filialbanken, bedeutet Stillstand auch bei ihnen Rückschritt - zum einen, weil die Filialbanken ihnen in Sachen Omnikanal zumindest hart im Nacken sitzen, zum anderen weil rein smartphonebasierte Angebote in Servicelücken vorzustoßen versuchen, die die Banken nicht besetzen.

Dass auch das reine Smartphone-Banking nicht der Weisheit letzter Schluss ist, zeigt das Beispiel von N26. Mittlerweile verfügt das Fintech über eine Banklizenz, im Vergleich der Banking-Apps durch Finanztest rangiert die App nur im Mittelfeld (siehe Kasten auf Seite 41). Und die Tatsache, dass N26-Banking nun auch auf dem Desktop verfügbar macht, ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass die Dinosaurier der Bankenwelt doch nicht alles falsch und am Bedürfnis der Kunden vorbei machen. Nutzerfreundlichkeit, die die Fintechs für sich vereinnahmen, verlangt nicht zwingend nach einem kleinen Display. Sondern Nutzerfreundlichkeit ist alles, was dem Kunden das Leben einfacher macht. Das kann die Foto-Überweisung sein, das Anstoßen von Überweisungen im Stil einer Textnachricht oder auch das automatisierte Ausfüllen der Steuererklärung aus den Transaktionsdaten auf dem Girokonto, wie es die Deutsche Bank ab 2019 anbieten will. Die Suche nach den richtigen Mehrwerten hat gerade erst begonnen.

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