GIROKONTO

Ungeliebte Partei Kunden

Mit der Aktion "Vielfalt ist sächsisch" setzen Mitarbeiter der Sparkasse Chemnitz ein Zeichen für ihre Herkunft und gegen die "Freien Sachsen", Foto: Sparkasse Chemnitz/E. Bechthold

Vor der Bundestagswahl ist einmal mehr ein Thema hochgekocht, das Öffentlichkeit und Gerichte immer wieder einmal beschäftigt: die Frage nämlich, ob ein Kreditinstitut einer extremistischen Partei die Eröffnung eines Kontos verweigern darf. Im konkreten Fall geht es um die Sparkasse Chemnitz, die der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Partei "Freie Sachsen" die Kontoführung verweigern wollte, vom Verwaltungsgericht Chemnitz jedoch mit Beschluss vom 25. Juni 2021 (Aktenzeichen 5 L 127/21) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes dazu verpflichtet wurde.

Dagegen hat die Sparkasse kurz vor der Wahl mit einer aufmerksamkeitsstarken Aktion unter dem Namen "Vielfalt ist sächsisch" öffentlich protestiert und an der Chemnitzer Zentrale Banner mit insgesamt über 40 der insgesamt 120 Geburtsorte ihrer Mitarbeiter angebracht. Neben Dresden, Chemnitz, Bremen und Wiesbaden finden sich dabei auch Städte wie Bischkek in Kirgisistan, Caracas in Venezuela, California in den USA oder Kamischli in Syrien. Damit will die Sparkasse ein Zeichen gegen Ausgrenzung setzen und sich hinter die Ideen der europäischen Kulturhauptstadt stellen. Denn das wird Chemnitz im Jahr 2025 sein.

Eine solche Aktion passt im Grunde immer. Vor dem Hintergrund, dass das Verfahren in der Sache "Freie Sachsen" in den kommenden Wochen erwartet wird, setzt sie jedoch noch ein besonderes Zeichen. Schließlich verstößt die von den "Freien Sachsen" geforderte Rückführung nicht in Sachsen geborener Menschen (einschließlich "Verwaltungsleute, Richter und Journalisten aus dem Westen" in ihre Heimat(bundes)länder mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen mehrere Grundrechte, zumindest gegen das Freizügigkeitsrecht sowie das Diskriminierungsverbot.

Vor Gericht, davon wird man wohl ausgehen dürfen, wird die Sparkasse vermutlich dennoch keinen Erfolg damit haben, sich gegen eine Kundenbeziehung mit dieser Partei zu wehren - ebenso wenig wie andere Kreditinstitute zuvor, die versucht haben, etwa der NPD ein Girokonto zu verweigern. So gibt es etwa ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2018 (Aktenzeichen 6 C 2.17 und 6 C 3.17), wonach sich der Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien ergibt - unabhängig davon, ob eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Mit dieser Begründung wurde damals die Berliner Sparkasse verpflichtet, den Berliner Kreisverbänden der NPD ein Konto zu eröffnen.

Die Hürde für Kreditinstitute, sich gegen solche Kunden zu wehren, liegt also hoch - das allerdings auch zu Recht. Natürlich ist der Wunsch verständlich, sich nicht mit Extremisten abgeben zu müssen - und sei es nur wegen des Imageschadens, der damit verbunden sein kann, wenn in klassischen und - schlimmer noch - in sozialen Medien breitgetreten wird, dass ein Geldhaus eine Kundenbeziehung zu Extremisten unterhält. Andererseits gilt das sogenannte Parteienprivileg es Artikels 21 im Grundgesetz, wonach lediglich das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheiden darf.

Deshalb, so das Bundesverwaltungsgericht damals, darf die Verwaltung die politische Betätigung der Partei oder ihrer Gebietsverbände nicht in Anknüpfung an ihre verfassungswidrige Zielsetzung einschränken oder behindern. Die Verweigerung eines Girokontos würde jedoch die Aktivität der Partei weitgehend unmöglich machen. Hier gilt für Parteien nichts anderes als für Privatpersonen, denen mit dem Basiskonto die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Grob gesprochen heißt das: Solange eine Partei zwar als extremistisch eingestuft, jedoch nicht verboten wurde, kommt ein öffentlich rechtliches Kreditinstitut kaum daran vorbei, dem Wunsch nach einer Kontoeröffnung nachzukommen - zumindest dann nicht, wenn man dies allen anderen Parteien nicht auch verweigert.

Diese Sachlage war natürlich auch der Sparkasse Chemnitz bewusst. "Wir wissen, dass verschiedene deutsche Gerichte Sparkassen auch bei verfassungsfeindlichen Parteien zur Eröffnung eines Kontos verpflichtet haben", heißt es in der Pressemitteilung zum Thema. Gerade deshalb war die jüngste Aktion jedoch ein geschickter Schachzug - macht sie doch deutlich, dass sich das Institut als Sparkasse für jeden versteht und mit der Ideologie der "Freien Sachsen" nichts gemein hat - auch wenn sie gerichtlich zur Kontoführung verpflichtet wird. Red.

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