Captives: Autobanken vertun ihre Chancen im Internet

Fehlende digitale Lösung

Abbildung 1: Finanzierung von Neuwagen 2009 bis 2013 Quelle: DAT-Report 2014, AKA

Juan Hahn - Interessenten können Finanzprodukte von Autobanken nicht transparent vergleichen, geschweige denn in Echtzeit berechnen, wie es heutzutage aufgrund einer wachsenden Internetaffinität Usus ist. Dieser Beitrag analysiert diesen Zustand und zeigt Ansätze für eine mögliche Problemlösung auf.

Die Captives, die Banken der Automobilhersteller, haben Ihren Vertragsbestand an Leasing- und Finanzierungsverträgen im Jahr 2013 auf über 90 Milliarden Euro ausgebaut. Nach Ansicht des AKA1) setzt sich dieser positive Wachstumstrend auch im Jahr 2014 fort, nicht zuletzt wegen der optimistischen Prognosen für den Neuwagenverkauf. Die Autobanken halten hier einen Marktanteil von über 65 Prozent.2) Der Anteil der Barzahler beim Neuwagenkauf betrug 2013 nur noch 22 Prozent gegenüber 78 Prozent Finanzkunden (Abbildung 1, Seite 90).

Autoportale

Obwohl 94 Prozent der kaufkräftigen Kunden im Alter von 20 bis 29 Jahren täglich das Netz nutzen und 60 bis 70 Prozent ihr Wunschfahrzeug online entdecken, kommen die meisten Finanzierungsverträge für Neuwagen nach wie vor über den Verkäufer am Point of Sale zustande. Der Grund hierfür liegt in der fehlenden digitalen Lösung, denn das Internet-Potenzial für diese Abschlüsse bleibt nach wie vor ungenutzt. Etwas anders stellt sich die Situation im Gebrauchtwagenmarkt dar. Branchengrößen wie "autoscout.de" oder "mobile.de" haben die Internetaffinität des Kunden längst bewiesen und nutzen diese gekonnt.

Der Onlinemarkt bei Gebrauchtwagen hat sich deutlich weiterentwickelt und müsste eigentlich als Treiber gesehen werden. Der Proof of Concept, also der Machbarkeitsnachweis, wurde von den großen Autobörsen längst erbracht, jedoch sind die freien Banken und Vergleichsportale die Platzhirsche in den bekannten Autobörsen. Sie positionieren ihre Finanzprodukte geschickt im Fahrzeugangebot der Autohändler aller Marken.

Sowohl bei "mobile.de" wie auch bei "autoscout24.de" finden sich in den Fahrzeuginseraten des Händlers externe Angebote von Vergleichsportalen wie "check24", "leasing.de" oder "kreditvergleich.de". Zudem sind Werbebanner beziehungsweise Sofortrechner von "carcredit.de" (Santander Bank), ING-Diba und weiteren Anbietern integriert. Gleiches gilt für Versicherungsangebote und andere Zusatzprodukte rund um den Autokauf.

Der Autohändler bezahlt sein Inserat bei dem jeweiligen Portal, jedoch profitiert er von den über sein Inserat generierten Abschlüssen mit fremden Anbietern nicht, was kritisch zu bewerten ist in diesen Geschäftsmodellen. Dieser Fakt schmälert nicht nur das Umsatzpotenzial, sondern verwirrt den Kunden und kann langfristig zu einem hohen Imageschaden führen, da eigentlich komplett unterschiedliche Marken miteinander assoziiert werden.

Autobanken und stationärer Handel

Die Abbildungen 2 und 3 (Seite 91) veranschaulichen diesen Sachverhalt. Beide Autoportale nutzen großzügig die Fläche des Inserats, um Anzeigen von Drittanbietern zu bewerben. "mobile.de" geht sogar noch einen Schritt weiter und positioniert zu den Anzeigen zusätzliche "Call to Action Buttons" für Finanzierung, Versicherung und Leasing direkt neben und unter der Überschrift des Fahrzeugs. Es entsteht der Eindruck, die Weiterleitungen seien Bestandteil des Inserats. Kurzum ein Teufelskreis, denn auf Online-Inserate kann der Händler nicht verzichten, jedoch ebenso wenig von seinen hauseigenen Angeboten profitieren, wenn der Kauf online durch ein unabhängiges Leasing- oder Finanzierungsangebot zustande kommt.

Drei von vier Neuwagenkäufern entscheiden sich für Finanzierung oder Leasing. Ohne das Internetpotenzial zu nutzen, bleibt hier der stationäre Handel der Dreh- und Angelpunkt. Statt auf Echtzeittransparenz oder Qualitätsstandards durch automatisierte Vertriebsprozesse, setzt man hier auf das Engagement des Verkaufsberaters und dessen Zeit sowie seine fachliche Kenntnis des komplizierten Finanzprodukts.

Weshalb die Autobanken dennoch den Markt beherrschen, hat folgende Gründe:

- Der Vertrauensvorsprung durch die Zugehörigkeit zum Hersteller des anvisierten Fahrzeugs und

- Angebote, die aufgrund der unterschiedlichen Preisbildung meist günstiger ausfallen.

Quersubventionierungen sorgen in der Produktgestaltung und in der Angebotsdarstellung für wesentlich mehr Flexibilität. Von dem Hersteller und der hauseigenen Autobank lassen sich aufeinander abgestimmte Marketingaktionen generieren, die wiederum mehr Reichweite bei einem effektiveren Return of Investment (ROI) schaffen. Den größten Mehrwert stellt dabei die Emotionalisierung des Finanzprodukts dar. Für den potenziellen Käufer nämlich gehen die "2,9 Prozent effektiver Jahreszins" plötzlich mit einem konkreten Fahrzeugmodell einher, das wiederum mit einer ordentlichen Portion Image und attraktiven Sonderkonditionen den direkten Kaufimpuls stimuliert.

Die Konditionen werden dabei modell- und marktabhängig unterschiedlich subventioniert. Abhängig davon, ob beispielsweise eine Markteinführung, ein Sondermodell oder ein auslaufendes Modell den Absatz ankurbeln soll, bezuschusst der Hersteller die hauseigene Bank mit diversen Prämien. Die Autobank wiederum setzt auf Sonderzinsaktionen oder flexible Leasing-Faktoren.

Langfristige Probleme

Laut einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (E&Y) achtet mehr als die Hälfte (50,8 Prozent) der Autokäufer eher auf die Höhe der monat lichen Rate, die auf sie zukommt, als auf den Preis in bar (siehe Abbildung 4, Seite 92). Dabei sind 46,9 Prozent bereit, direkt online eine Fahrzeugfinanzierung abzuschließen. Bei diesen Werten entsteht ein Risikopotenzial für die Autobanken.

Bekanntermaßen informiert sich die Mehrheit der Autokäufer vor dem Kauf im Internet. Und genau da liegt das Problem. Die Angebote der Autobanken findet man erst im Autohaus. Eine Chance, die Leads für Leasing- und Finanzierungsverträge aufzufangen, bevor der Kunde überhaupt das Autohaus betritt.

Kommunikationswege

Autohersteller reagieren gemeinsam mit Autobanken auf Absatzentwicklungen, Trends, Prognosen und strategische Ausrichtungen. Jedoch erreichen die daraus resultierenden Aktionen und Sonderkonditionen das Autohaus zeitversetzt und ohne Schulung des dafür notwendigen Fachwissens meist nur am Rande.

Zudem lässt sich die Komplexität der sich stetig verändernden Konditionen oft schwer überschauen. Das Umsatzpotenzial von Zusatzprodukten bleibt deshalb beim Verkaufspersonal oft ungenutzt.

Bevor der Verkäufer konkret eine Rate zu einem Fahrzeug ausrechnet, weiß er nicht, wie viel dieses Fahrzeug mit der entsprechenden Finanzierungsart kostet. Dementsprechend erfordert das Verkaufsgespräch viel Zeit. Der Verkäufer muss jede Variante und jedes Modell einzeln berechnen und kann deshalb gegenüber dem Kunden weder effizient noch budgetorientiert argumentieren.

Transparenz Produktangebot

Außerdem variiert die Eignung für das Verständnis eines Finanzproduktes unter den Autoverkäufern. Provisionen und Anreize für Zusatzverkäufe geben die Autohäuser wiederum häufig nicht an die Verkäufer weiter. Kurzum: Zusatzverkaufsmaßnahmen werden je nach Verständnis des Anwenders qualitativ unterschiedlich umgesetzt.

Qualitätsverständnis des Verkäufers

Der Autoverkäufer sucht den Weg des geringsten Widerstandes. Dabei ist der wichtigste Motivationstreiber bei seiner Arbeit die subjektive Einschätzung der Bonität des Kunden. Diese Einschätzung wiederum ist der sensibelste Faktor beim Beziehungsaufbau. Außerdem gestaltet sich die Bonitätsabfrage meist kompliziert, aufwendig und zeitraubend. Erschwerend kommt hinzu: Sie ist für den Kunden sehr persönlich, weil er seine sensiblen Daten angeben muss. Zudem hängt die Genehmigung manchmal von Auflagen ab, wie zum Beispiel Nachweisen et cetera. Die Nachfrage danach kann nicht nur unangenehm sein, sondern vielmehr stellt bereits der Prozess eine Barriere dar, da der Verkäufer im Tagesgeschäft teils nicht die Zeit hat oder sich schlichtweg nicht dafür zuständig fühlt, den notwendigen Unterlagen nachzulaufen.

Transparenz aus Kundensicht

Der potenzielle Kunde kann weder bei dem Online-Angebot über die freien Banken, noch bei dem stationären Autokauf Leasing- und Finanzierungsangebote basierend auf seinem monatlichen Budget nach einem Fahrzeug suchen. Er beziehungsweise der Verkaufsberater muss mühselig fahrzeugabhängig eine Anfrage stellen und dabei jedes Mal die Eckdaten des Interessenten eingeben.

Folglich kann der potenzielle Kunde weder online in Echtzeit noch vor Ort überblicken, welches Fahrzeug, das sich gerade auf dem Markt befindet, welche Rate für ihn bereithält. Innovative Autobanken haben zwar vereinzelt bereits reagiert und bieten ihre Finanzprodukte auf der eigenen Seite an, aber die eingeschränkte Auswahl und fehlende Vergleichsmöglichkeiten grenzen diesen Lösungsansatz ein.

Beschaffung eines Angebots

Die Bereitschaft eines Verkäufers für den Interessenten Angebote zu berechnen, ist temporär unterschiedlich und liegt ausschließlich in der Motivation des jeweiligen Verkaufsberaters. Dieser muss nämlich nicht nur Zeit für die Beratung, sondern vor allem in das jeweilige Berechnen aller Optionen investieren. Berücksichtigt man wiederum die Realität im Tagesgeschäft, ist der Verkäufer aber immer gerade mit etwas anderem beschäftigt und hat keine Zeit.

Praxis ist außerdem: Wenn ein Verkäufer Fragen nicht sofort beantworten kann, schiebt er diese gerne auf und vereinbart in der Regel einen Rückruf. Ob dieser Rückruf wiederum schnell erfolgt, hängt einzig ab von der Motivation und dem Qualitätsanspruch des jeweiligen Verkäufers, da es hierfür kein System gibt. Fakt ist: Im Augenblick kann man im Internet nur nach einem Fahrzeug suchen; eine zusätzliche Suchoption nach der monatlichen Rate fehlt, obwohl dies effizient und kundenfreundlich wäre, denn diese Lösung ermöglicht dem Kunden, passend zu seinem monatlichen Budget in kurzer Zeit möglichst viele Angebote vergleichen zu können.

Digitale Verkaufsräume

Aus zahlreichen anderen Branchen kennt der Kunde genau diese Informationsbeschaffung, Vergleichsmöglichkeit in Echtzeit sowie Transparenz und Effizienz im Internet, und zwar selbst bei komplizierten Produkten. Ob nun beispielsweise in der Reisebranche mit Angeboten, die sich aus mehreren Anbietern und Faktoren zusammensetzen, oder bei Handyverträgen, die sowohl eine Suche nach Bedarf, Modell oder monatlichem Budget bieten. Genau diese geringen Barrieren, Transparenz und Vergleichsoptionen sorgen für weniger Reibung und fördern die Abschlussbereitschaft und das Kundenvertrauen. Doch in der Automobilbranche fehlt diese ganzheitliche Lösung bis dato.

Es ergibt sich also die Notwendigkeit der Schaffung digitaler Verkaufsräume, in denen sich der Endkunde basierend auf der monatlichen Rate und von verschiedenen Banken inklusive der jeweiligen Autobank seine Wunschfinanzierung in Echtzeit nicht nur selbst zusammenstellen kann, sondern auch von den aktuellen Sonderkonditionen direkt profitieren und dementsprechend vergleichen kann. Übersichtlich dargestellt kann damit der Kunde sein für ihn attraktivstes Angebot wählen, die Bonitätsfrage klären und gegebenenfalls im Anschluss das stationäre Autohaus kontaktieren, um weitere Fragen zu klären oder eine Probefahrt zu vereinbaren. Die dabei entstehende Lead-Qualität würde automatisch die Motivation und das Engagement des Verkäufers fördern. Im Jahr 2013 betrug das Neugeschäft der Autobanken über 30 Milliarden Euro. Ausreichend Marktpotenzial für die Gestaltung einer entsprechenden technischen Lösung, wie auch für eine relevante Positionierung und Reichweite im Internet.

1) Arbeitskreis der Banken und Leasinggesellschaften der Automobilwirtschaft (AKA).

2) Quelle: http://www.autobanken.de/zahlen_fakten

DER AUTOR:

Juan Hahn, Regensburg, sammelte sein Praxiswissen im Automobilvertrieb für diverse Hersteller. Neben einer Vermittlungsagentur für Sportwagen und Oldtimer, gründete er 2011 die Autobörse "licaro.de".E-Mail: kontakt[at]mediaboten[dot]com

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