"Der Fachkräftemangel trifft den Mittelstand besonders hart"

Interview mit Wolfgang Damberg

Wolfgang Damberg, Foto: Wina Schmidt Film- und Fotoservice

Der Fachkräftemangel bremst deutsche Finanzdienstleister aus. Gerade die für die Wirtschaft so wichtigen Mittelständler sind besonders stark betroffen. Wolfgang Damberg weiß, dass sich Viele dieses Defizit selbst zuzuschreiben haben. Denn mit einer einfachen Stellenanzeige ist es oft nicht getan. Geeignete Kandidaten wollen individuell angesprochen und als Angestellte entsprechend wertgeschätzt werden. Ob eine Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern die Erfolgsquote steigert, Zeit und sogar Geld spart, muss individuell geprüft werden. (Red.)

Herr Damberg, Sie sagen, Fachkräftemangel bremst die deutschen Finanzdienstleister aus. Wie kommen Sie zu dieser Aussage?

Der Mangel an qualifizierten Führungs- und Fachkräften zieht sich wie ein roter Faden durch alle Branchen und trifft den deutschen Mittelstand besonders hart. So zeigt der Report "Fachkräfte 2020" des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, dass fast jedes zweite Unternehmen - 47 Prozent der 23 000 antwortenden Firmen - über Stellenbesetzungsschwierigkeiten berichtet.

Dies hat zur Folge, dass 84 Prozent der genannten Unternehmen mit negativen Konsequenzen beziehungsweise 62 Prozent mit einer Mehrbelastung der Belegschaft rechnen. Im internationalen Vergleich hat sich der weltweite Mangel im letzten Jahrzehnt fast verdoppelt (2009: 30 Prozent, 2019: 54 Prozent). Das ergibt sich aus dem Manpower White Paper 2019.

Und das, obwohl die Mittelständler für die Wirtschaftsleistung besonders wichtig sind?

Mittelständische Finanzdienstleister haben es gerade im Vergleich zu den bekannten Großbanken zumeist relativ schwer bei der Suche nach Führungskräften oder Spezialisten. Nicht nur, dass sie häufig eher als heimliche Gewinner unerkannt daherkommen und agieren. Oft liegt es auch daran, dass ihre Personalsuchanzeigen, sei es im Print wie auch in den Online-Datenbanken, von Interessenten einfach ignoriert werden. Will man bei Menschen Aufmerksamkeit erreichen, wird Motivation benötigt. Das scheinen viele Unternehmen bei der Gestaltung von Personalsuchanzeigen zu vergessen. Viele Anzeigen entsprechen eher technischen Selbstdarstellungen für Maschinen. Oft überziehen die Firmen ihr Lob auf sich selbst, sodass ihre Aussagen manchmal unglaubwürdig erscheinen. Hier bedarf es noch eines Lernprozesses.

Außerdem wollen viele der sehr guten Potenziale persönlich und direkt kontaktiert werden. Einerseits, weil sie aktuell keinen Veränderungsbedarf für sich sehen. Andererseits, weil sie permanent und häufig von unqualifizierten Angeboten zugeschüttet werden. Die Ansprachen werden oft von Call-Centern oder reinen Suchern vorgenommen, die weder einen Bezug zur Branche noch zur qualifizierten Rekrutierung haben. Ein erfolgreicher Personalberater macht sich vor einer Direktansprache in seinem Netzwerk, in seiner Branche oder im Internet über interessante Person vertraut. Damit spricht er gezielt nur passende Kandidaten an und erreicht eine höhere Erfolgsquote.

Aber es wird immer wichtiger, Stellen mit entsprechend ausgebildeten Fachkräften zu besetzen?

Die Anforderungen an die Leitungs- und Aufsichtsgremien sind in der letzten Zeit nochmals gestiegen. Im Dezember 2020 veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba-Fin) zum Beispiel in ihrer "Konsultation 06/2020" ihre Entwürfe zur Überarbeitung ihrer Merkblätter zu den Anforderungen an "Geschäftsleiter gemäß KWG, ZAG und KAGB". Also gemäß Kreditwesengesetz, Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz und Kapitalanlagegesetzbuch. Der Druck auf die Branchenaufsicht, mehr auf die Qualifikation der Führungs- und Leitungsebene zu achten, wurde durch die Insolvenzen des Rezepte-Abrechners AVP und des Payment-Dienstleisters Wirecard nicht geringer.

Im Gegenteil, der Meldeumfang wird eher zunehmen. Im Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz) des Bundesministeriums der Finanzen vom Anfang des Jahres wird bereits angekündigt, dass jedes in den Branchen Finanzierung, Leasing und Factoring tätige Unternehmen ab 1. Januar 2023 von einem 2. Geschäftsführer geleitet und das Meldewesen an die BAFin verstärkt werden muss. Entsprechende Mitarbeiter für das Meldewesen können schneller weitergebildet werden, aber das Angebot an Kandidaten mit den geforderten Qualifikationen nach KWG, ZAG und KAGB ist nicht überbordend groß. Gerade auch im Hinblick auf die auslaufenden Altzulassungen und Bestandsschutzfälle.

Gibt es noch weitere Knackpunkte?

Grundsätzlich verkürzt der technologische und kommunikative Wandel nicht nur die Gültigkeit von Stellenprofilen und Anforderungen. Auch der Jobwechsel findet heutzutage wesentlich öfter statt als in der Vergangenheit. Gerade Experten lieben neue Herausforderungen. Da liegt es nah, auch häufiger neue Arbeitgeber in Betracht zu ziehen oder sich zumindest über Möglichkeiten zu informieren. Zudem dezimiert der Trend zur Digitalisierung die Gespräche zur Informationsweitergabe zwischen Arbeitskollegen und mit den Vorgesetzten beziehungsweise Führungskräften. Menschliche Bindungen sind aber wichtig. Ohne sie sinkt die Loyalität. Aus liebgewordenen Beziehungen auszusteigen ist schwerer, als einen Laptop zu wechseln.

Die Covid-19-Pandemie hat diese Tendenzen allerdings etwas durcheinandergebracht. Unabhängig davon, ob - wie im Factoring - durch die Corona-Krise im 1. Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum die Umsätze um 1,6 Prozent zulegten. Oder ob aus den gleichen Gründen das Neugeschäft im Mobilien-Leasing in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um 12,3 Prozent zurückging. In allen Bereichen zeichnet sich ab: Die Menschen in den Branchen Finanzierung, Leasing und Factoring zeigten durch die von der Pandemie hervor gerufene Unsicherheit geringe Veränderungsbereitschaft. Die meisten Angestellten und auch Führungskräfte haben stark gezögert, ihr gewohntes und sicheres Arbeitsumfeld zu ver lassen. Trotz der grundsätzlich sicheren Arbeitsplätze im Bereich der Finanzdienstleistungen war der Mut, eine neue Herausforderung einzugehen, stark gesunken. Außer, es stand eine Neuorganisation im Unternehmen an.

Wie könnte dieses Defizit ausgeglichen werden?

Eine sinkende Fluktuation kann über Personalentwicklung und eine mitarbeiterorientierte Firmen- und Führungskultur erreicht werden. Wenn Fach- und Führungskräfte in externen Weiterbildungen ihre Firmen mit Stolz vertreten, können sie Mitstudierende zu einem Wechsel motivieren. Ethisches Verhalten der Führungskräfte ist das beste Rezept, um Mitarbeiter zu halten. Zudem ist die Weiterentwicklung von Menschen ein archetypisches Verlangen. Kann sie innerhalb der Firma realisiert werden, haben Wechsel keine Begründung.

Solch ideale Verhältnisse können nicht immer realisiert werden. Animositäten zwischen Menschen sind ebenso normal wie Freundschaften. Entsprechend wird immer eine Fluktuation bleiben. Wichtig ist, die Trennung in freundschaftlicher Art zu bewerkstelligen. Denn jeder Gehende, ist ein zukünftig Kommender - oder: Menschen kommen zu Organisationen und gehen aufgrund von Menschen.

Die Personalbeschaffung sollte also optimiert werden?

Viele Unternehmen bieten heute interessante Angebote für Mitarbeiter an wie flexible Arbeitszeiten, kostenlose Sportmöglichkeiten, den beliebten Obstkorb oder Gratis-Getränke. Doch solche Extras bestehen keine Kosten-Nutzung-Prüfung. Besser ist, den Rekrutierungsprozess zu optimieren. Leider hat der Drang zur Digitalisierung bei der Bearbeitung von Bewerbungsunterlagen vergessen lassen, dass in diesem Prozess Menschen die wichtigste Rolle spielen. So lange kühl formulierte Automatismen die Kommunikation durchführen, kann keine menschliche Bindung aufkommen.

Entscheidungen von Kandidaten für die Annahme einer Stelle sind abhängig von den Menschen, welche die Rekrutierung durchführen. Sie sind Aushängeschild und Visitenkarte des Unternehmens. Ihre Empathie muss aus Kandidaten wertvolle Interessenten machen. Sind Absagen notwendig, dann bitte so, dass die Aspiranten eine hohe Achtung vor der Firma bewahren und sich gegebenenfalls in der Zukunft wieder einmal bewerben. Neben den menschlichen Aspekten müssen alle bestehenden Abwicklungen im Prozess einer Nutzenanalyse unterzogen werden.

Um den Einstellungserfolg zu steigern und um Kosten und Zeit zu sparen, eignet sich das Outsourcing der Rekrutierung an einen fachlich kompetenten Personalberater. Das mag widersprüchlich erscheinen, doch aus einer externen Zusammenarbeit entstehen wesentliche Vorteile. Denn der Personalberater stellt nur passende Kandidaten vor. Die Arbeit mit ungeeigneten Profilen entfällt. Der Berater vereinbart ein Festhonorar in Prozenten der Jahresbezüge und arbeitet solange dafür, bis die Position besetzt ist. Intern durchgeführte Personalsuchen müssen dagegen oft wiederholt werden und verdoppeln oder verdreifachen dadurch die Kosten. Der Personalberater ist neutraler Mittler zwischen Unternehmen und Kandidat. Er kann gezielt Aspiraten für Unternehmen motivieren, die sich nicht selbst bewerben würden. Sowohl Kandidat wie auch das Unternehmen haben immer eine neutrale Instanz, wenn Kommunikationsprobleme gelöst werden müssen.

DIHK-Report 2020 - Fachkräftemangel Quelle: DIHK

Und das gilt vermutlich auch für die Finanzbranche?

Es ist nicht nur eine Behauptung, dass Finanzdienstleister mit einem Personalberater für wichtige Positionen im Unternehmen zielführender und kostengünstiger arbeiten. Werden die Vorteile des Beraters den eigenen Kosten gegenübergestellt, überwiegen klar die des Personalberaters.

Allerdings ist die Wahl der mit der Personalsuche betrauten Person entscheidend. Er muss die Branche aus eigener Erfahrung bis in geschäftsführende Aufgabe kennen. Nur dann versteht er die organisatorischen Details einer Position. Er muss auf Augenhöhe mit dem Vorstand beziehungsweise Geschäftsführer kommunizieren können. Er braucht eine starke Vernetzung in der Branche, um die richtigen, möglichen Kandidaten zu finden und anzusprechen. Für Interviews und Fragen sind Fachkenntnisse notwendig. Bei der Auswahl eines Personalberaters sind seine Kompetenz, seine Fähigkeiten und seine Erfahrungen höher zu beurteilen als finanzielle Aspekte.

Weshalb haben Sie die mittelständische Finanzbranche zu Ihrem Aufgabenbereich erkoren?

Ich entstamme dieser Branche und kenne den Bedarf an Rekrutierungshilfe. Oft bieten diese heimlichen Gewinner äußerst interessante und herausfordernde Aufgaben, werden aber von Führungs- und Fachkräften aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades nicht richtig wahrgenommen. Fakt ist, dass viele und besonders qualifizierte Kandidaten gerne nach Verantwortung und Freiräumen streben, um sich selbst zu verwirklichen. In Großunternehmen sind diese Möglichkeiten geringer als im Mittelstand. Kleinere Unternehmen haben in der Regel auch kürzere Informationswege und schnellere Abläufe, was leistungsorientierten Kandidaten entgegenkommt.

Der Personalberater hat die Aufgabe, diese Möglichkeiten den Kandidaten aufzuzeigen. Das verleiht den kleineren Firmen mehr Know-how, mehr Wirtschaftlichkeit und höhere Qualität.

Wir agieren als zuverlässige Partner, um diese - teils neuen - Perspektiven aufzeigen. Nicht selten entscheidet sich ein Experte dann für den Mittelstand mit flachen Hierarchien statt für den ebenfalls suchenden Großkonzern mit einem sehr engen Aufgabengebiet.

Was unterscheidet einen Personalvermittler von einem Personalberater?

Ich wehre mich gegen die Bezeichnung Vermittler. Ein Personalvermittler ist ein Anbieter von reinen Lebensläufen möglicher Kandidaten. Häufig wird nicht geprüft, ob diese für die neue Herausforderung überhaupt geeignet sind. Der Personalvermittler wird für Vakanzen und nur im Erfolgsfall bei Einstellung mit einem Prozentanteil am Jahresgehalt honoriert. Jeder Auftrag ist bei ihm ein Abwägen über den zeitlichen und finanziellen Einsatz. Denn es ist fraglich, ob er zum Erfolg kommt. Entsprechend ist die Dienstleistung knapp, bei schwierig zu besetzenden Positionen oft ungenügend und entsprechend erfolglos. Häufig setzen Betriebe sogar mehrere Vermittler ein und unternehmen zusätzlich noch eigene Anstrengungen.

Personalberater dagegen vereinbaren ein Honorar, das in Teilen - je nach Auftragsfortschritt - bezahlt wird. Deshalb kann ein Personalberater alle Möglichkeiten wahrnehmen, die zum Ziel führen. Nicht jeder von ihm gezielt angesprochene Kandidat wird vorgeschlagen, nur die am besten auf die Position Passenden. Sowohl Vermittler wie Personalberater bauen auf Kandidatennetzwerke. Vermittler meist über Branchen hinweg, ein Personalberater konzentriert sich oft auf eine Branche. Diese Branchenorientierung ergibt detailliertere Netzwerke und ermöglicht eine bessere Netzpflege.

Im Fall von Swissconsult bedeutet das konkret die Pflege einer eigenen, branchenspezifischen Talentbörse. Wir sind seit über 30 Jahren im Geschäft und haben früh damit begonnen, derartige Börsen aufzubauen. Das heißt, dass jeder unserer langjährigen Berater neben der Neuakquise auch auf ein Netzwerk möglicher Kandidaten zurückgreifen kann. Wir haben vielen davon zu interessanten neuen Herausforderungen verholfen. Das dadurch aufgebaute Vertrauen hilft uns immer wieder; gerade bei der Besetzung von Stellen in unbekannteren mittelständischen Unternehmen.

Abschließend kann man wohl sagen, dass Sie Finanzdienstleistern eindeutig zur Zusammenarbeit mit externer Rekrutierung raten?

Auf jeden Fall. Die externe Rekrutierung erreicht dank Direktansprache und Beziehungsnetz Kandidaten, die nicht auf Anzeigen reagieren. Besonders die leistungsstarken Kandidaten und jene mit speziellen wie KWG-§-25c-Fähigkeiten haben es nicht nötig, sich zu bewerben. Sie wollen gezielt und fachlich kompetent angesprochen werden. Das ist unsere Herausforderung und auch Berufung. Wir garantieren ein professionelles sowie erfolgsorientiertes Vorgehen und stehen den Entscheidern in der Unternehmensführung als Sparringspartner zur Verfügung, damit die Erfolgsgeschichte ihres Unternehmens fortgeschrieben werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wolfgang Damberg ist Geschäftsführer und Partner Finance & IT der Swissconsult Deutschland GmbH, Düsseldorf.

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