Im Blickfeld

Bankia mit Folgen für Spaniens Immobilienmarkt

Bereits im Juli des vergangenen Jahres hatte Bankia - das Produkt einer kalten Fusion der Sparkassen Madrid (Caja Madrid) und Valencia (Bancaja) sowie fünf weiterer spanischer Sparkassen und derzeit die viertgrößte Bank des Königreiches - den Gang an die Börse gewagt. Das Resultat waren bis dato Kursverluste in Höhe von fast 40 Prozent gegenüber dem damaligen Ausgabewert.

Nun, knapp ein Jahr später, verweigerte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte die Unterzeichnung des Jahresabschlusses, da ihrer Ansicht nach der angegebene Beteiligungswert den Buchwert in Höhe von 3,5 Milliarden Euro überstieg. Der Jahresabschluss wurde dann am Tage des Fristablaufes ohne die Unterschrift des Wirtschaftsprüfers bei der spanischen Wertpapierkommission Comisión Nacional de Mercado de Valores eingereicht.

Dies war der Auslöser für die unmittelbar einsetzende, rasche Abfolge von Ereignissen, die in der zweiten Maiwoche zur staatlichen Kontrolle von Bankia führten. Zuerst trat auf Druck des spanischen Wirtschaftsministers De Guindos der Präsident des Kreditinstitutes, Rodrigo Rato, seinerzeit selbst Wirtschaftsminister unter dem konservativen Regierungschef José Maria Aznar, zurück. José Ignacio Gorigolzari, bis dahin Vizepräsident der zweitgrößten und als gesund geltenden spanischen Geschäftsbank BBVA, übernahm mit Wirkung zum 9. Mai den Vorsitz der Bank.

45 Prozent des Aktienkapitals von Bankia entfielen zu diesem Zeitpunkt auf BFA (Banco Financiero y de Ahorros), die wiederum in der Vergangenheit vom staatlichen Restrukturierungsfonds "Frob" mit Krediten in Höhe von 4,465 Milliarden Euro gestützt worden war. Diese wurden auf Drängen des neuen Präsidenten Spaniens in eine 100-prozentige Kapitalbeteiligung des "Frob" an der BFA umgewandelt. Im Handumdrehen wurde der spanische Staat somit zum Hauptaktionär von Bankia und kontrolliert diese damit ab sofort. Die überwiegende Zahl der spanischen Oppositionsparteien trug die Verstaatlichungsaktion mit.

Bankia galt wegen seiner extremen Ausrichtung auf den spanischen Bau- und Immobiliensektor bereits seit geraumer Zeit als angeschlagen. Alleine die an die Branche ausgekehrten Kredite betragen laut der einschlägigen spanischen Wirtschaftspresse derzeit rund 37,5 Milliarden Euro, womit Bankia der größte Immobilienfinanzierer Spaniens ist. Mehr als die Hälfte dieser Kredite sind notleidend.

Ein weiteres Problem bestand darin, dass das Geschäftsführungsorgan, der Verwaltungsrat, mehrheitlich mit Politikern besetzt war. Gorigolzari muss also dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Positionen so schnell wie möglich durch professionelle Banker besetzt werden.

Im Moment deutet alles darauf hin, dass De Guindos eine Bewertung von Bankia zwecks Feststellung des zusätzlichen Finanzbedarfs mittels Goldman Sachs durchführen wird. De Guindos hatte bei dieser Wahl kaum andere Optionen, da Goldman Sachs als eines der wenigen international erfahrenen und auf den Finanzsektor spezialisierten Institute nicht an dem Börsengang von Bankia beteiligt war.

Darüber hinaus wurden alle spanischen Kreditinstitute noch im Mai einer Prüfung durch unabhängige Experten unterzogen. An dieser Prüfung sind die EZB und ihr Präsident Mario Draghi persönlich beteiligt. Damit will De Guindos das grundsätzliche Vertrauen in das spanische Bankensystem, das durch die Geschehnisse der letzten Tage in Mitleidenschaft gezogen wurde, wieder herstellen.

Außerdem müssen spanische Banken ab sofort auch für grundsätzlich unproblematische Immobilienaktiva erhebliche Rückstellungen in ihren Bilanzen vornehmen. Bereits im Februar des Jahres waren spanische Geschäftsbanken verpflichtet worden, problematischen Immobilienbesitz in erheblicher Höhe bilanziell abzuwerten. Hierzu gehörten vor allem unbebauter Boden beziehungsweise halbfertiggestellte Projekte oder Bauträgermaßnahmen.

Die Rückstellungen für unproblematische Immobilienaktiva werden damit gerechtfertigt, dass Immobilien seit dem Platzen der spanischen Immobilienblase 2008 generell an Wert verloren haben. Die genauen Prozentsätze für Rückstellungen werden in den nächsten Tagen und Wochen bekanntgegeben.

Um einerseits zu erreichen, dass die Immobilienaktiva der Banken möglichst schnell marktgerecht verkauft und andererseits Refinanzierungen erleichtert werden - damit sich die Kreditinstitute wieder auf ihr Kerngeschäft, die Finanzierung, konzentrieren können -, hat die Regierung zwei Maßnahmen ergriffen:

Erstens sind spanische Banken nun verpflichtet, alle im Wege der Zwangsversteigerung oder Rückzahlung von Hypothekenkrediten erlangten Immobilien in neu zu gründende Aktiengesellschaften auszulagern. Diese Transaktionen müssen vor dem 31. Dezember 2012 abgeschlossen sein. Banken, die sich derzeit in einem Fusionsprozess befinden, haben bis zum 31. Dezember 2013 Zeit, die Vorgabe zu erfüllen. Sollte ein Institut Hilfe des staatlichen Restrukturierungsfonds "Frob" in Anspruch nehmen, ist es zudem verpflichtet, jährlich fünf Prozent seiner Immobilienaktiva am Markt zu veräußern.

Parallel wurde das Steuerrecht dahingehend reformiert, dass aus Immobilienvermögen erzielte Gewinne in Höhe von 50 Prozent steuerbefreit sind, wenn die Liegenschaften bis zum 31. Dezember 2012 erworben werden. Das gilt selbst dann, wenn diese Gewinne erst Jahre später erzielt werden. Diese Steuerbefreiung betrifft die Einkommen-, die Körperschaftsteuer und die besondere Gewinnsteuer für Nichtresidenten.

Um den spanischen Wohnungsmietmarkt anzukurbeln, wurde auch das spanische REIT-Gesetz vom Oktober 2009 (siehe Heft 24-2009, S. 844 bis 847) geändert. So beträgt das Mindestkapital zur Gründung einer solchen Gesellschaft (SOCIMI) ab sofort nur noch fünf statt 15 Millionen Euro und die Fremdfinanzierungsgrenze in Höhe von 70 Prozent des Aktivvermögens entfällt. Für REITs, deren Anlagevermögen zu mehr als der Hälfte aus Wohnimmobilien besteht, sind zukünftig 25Prozent der Mieteinnahmen (vorher 20 Prozent) steuerbefreit. Auch die Mindesthaltefrist wird nunmehr einheitlich auf drei Jahre festgesetzt, während zuvor bei Bauträgermaßnahmen des REITs sieben Jahre galten.

Bezüglich des Wohnraummietrechts wurde die Mindestmietdauer für Wohnraum von fünf auf drei Jahre gesenkt und die erste Verlängerung von drei Jahren auf ein Jahr. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass Zweitwohnungen dem Mietmarkt zugeführt werden. Bisher hat der ausgeprägte Mieterschutz dazu geführt, dass trotz vorhanden Bedarfs viele Wohnungen leer stehen.

Seit den Parlamentswahlen vom November 2011 regiert in Spanien die bürgerliche Volkspartei Partido Popular (PP) mit einer absoluten Mehrheit im Parlament alleine. Das jetzt verabschiedete Reform- und Maßnahmenpaket macht erneut deutlich, dass Spanien seine Reformbemühungen ernst nimmt. Anders etwa als Griechenland verfolgt Spanien seit Ende 2011 strikt einen transparenten Reform- und Sparkurs. Nach der Radikalreform des spanischen Arbeitsrechtes Anfang des Jahres wurde nun erneut der Finanzsektor in Bezug auf seine Verknüpfung mit dem spanischen Immobilienmarkt unter die Lupe genommen.

Auch die in weniger als einer Woche vollzogene Verstaatlichung von Bankia belegt den Mut und die Entschlossenheit des Gesetzgebers und folgt letztlich dem auch in anderen europäischen Ländern beschrittenen Weg der Rettung systemrelevanter Banken. Die Entschiedenheit, Transparenz und Glaubwürdigkeit, mit der die spanische Regierung in den letzten Wochen und Monaten voranschreitet, wird in absehbarer Zeit Früchte tragen.

Stefan Meyer, Rechtsanwalt, Kanzlei Monereo Meyer Marinel-lo Abogados, Madrid

Noch keine Bewertungen vorhanden


X