Bausparen und Bausparkassen 2012

Bausparkassen in Zeiten anhaltend niedriger Kapitalmarktzinsen

Der Kernnutzen des Bausparvertrages besteht in dem niedrigen und festen Zins des Bauspardarlehens. Die Kunden sichern sich damit frühzeitig eine kostengünstige und planbare Finanzierung. Sie ist zudem flexibel, da jederzeit Sondertilgungen möglich sind. Die Beibehaltung des Vorteils des niedrigen Darlehenszinses im Vergleich zum Hypothekenzins ist seit annähernd 20 Jahren eine stetige Herausforderung für die Bausparkassen. Denn seit 1990 befinden sich die Hypothekenzinsen in einem nahezu permanenten Sinkflug. Ende 1990 wurden Hypotheken mit einer 5-jährigen Zinsbindung für knapp 10,0Prozent angeboten. Zehn Jahre später lag das Angebot bei unter 6,5Prozent. Bis Ende letzten Jahres ist dieses kontinuierlich auf etwas über 3,5Prozent gesunken (siehe Abbildung 1).

Auf diese Entwicklung hat die gesamte Bausparkassenbranche mehrmals mit einer Anpassung ihrer Bauspartarife reagiert. So bot beispielsweise die LBS West in den 90er Jahren noch Bausparverträge mit einer Darlehensverzinsung von sechs Prozent an. Aktuell liegt der Zins für ein Bauspardarlehen der LBS West in einem Tarif für Kauf- oder Bauwillige bei 2,70Prozent. Für Modernisierer bietet die LBS West sogar einen Tarif mit einem Sollzins von 1,50Prozent an. Der Hauptgrund für diese Entscheidungen war, den Kernnutzen des Bausparvertrages, das attraktive Bauspardarlehen, weiter aufrecht zu erhalten. Trotz dieser für die Bausparkassen herausfordernden Zinsentwicklung konnte durch die Anpassungen im Tarifwerk das Bausparneugeschäft der gesamten Branche seit 1990 nicht nur stabilisiert sondern sogar ausgebaut werden.

Entwicklung des Kollektivs und der Bilanz

Unterstützung erhielt das Bauspargeschäft in dieser Zeit unter anderem durch das Platzen der Börsenblase 2001 sowie durch die Finanzmarkt- und Verschuldungskrise in den letzten Jahren. Viele Anleger verloren durch diese Krisen Teile ihres am Geld- und Kapitalmarkt angelegten Vermögens und damit auch das Vertrauen in diese Formen der Geldanlage. Auf der Suche nach einer sicheren und inflationsgeschützten Anlageform rückte in den letzten Jahren vermehrt die Immobilie wieder in das Blickfeld der Anleger. Unter dem Aspekt der privaten Altersvorsorge gewinnt die Immobilie auch für Selbstnutzer wieder stärker an Bedeutung. Diesem Wunsch hat der Staat Rechnung getragen und die Immobilie seit 2008 in die Förderung der privaten Altersvorsorge einbezogen. Da der Weg in die eigenen vier Wände sehr häufig über den Bausparvertrag führt, wurde dieser in den Katalog der riestergeförderten Produkte aufgenommen.

Durch die Tarifanpassungen hatten die niedrigen Hypothekenzinsen keine Auswirkungen auf die Neugeschäftsentwicklung der Bausparkassen. Anders sieht es jedoch bei der Betrachtung des Bausparkollektivs aus. Während der Bestand an Bauspareinlagen seit 1990 in der gesamten Branche von knapp 64 Milliarden Euro auf etwa 140 Milliarden Euro im Jahr 2011 angestiegen ist, ging der Bestand an Bauspardarlehen in diesem Zeitraum von knapp 49 Milliarden Euro auf 27 Milliarden Euro zurück. Der Rückgang der Hypothekenzinsen war in den letzten Jahren so nachhaltig, dass trotz Anpassung der Tarifwerke die Darlehenszinsen der Bausparverträge zum Zeitpunkt der Zuteilung häufig weniger attraktiv waren als die Hypothekenzinsen. Die anhaltende Abwärtsentwicklung des Marktzinsniveaus war jeweils zu den Zeitpunkten der Einführung der neuen Tarife so nicht vorhersehbar.

Obwohl die Bausparer verständlicherweise weniger oft ihr Bauspardarlehen in Anspruch genommen haben, war der Bausparvertrag dennoch für sie sinnvoll. Der anfänglich niedrige Guthabenzins wurde mit zunehmender Dauer der Niedrigzinsphase immer attraktiver. Das so angesparte Eigenkapital haben die Bausparer zusammen mit einer Hypothek für Investitionen in die eigenen vier Wände genutzt. Somit folgten die Bausparmittel in Kombination mit Bank- oder Sparkassenhypotheken ihrer Zweckbestimmung. Staatliche Fördermittel wie zum Beispiel die Wohnungsbauprämie werden nicht fehlgeleitet.

Durch diesen Verzicht auf das Bauspardarlehen und weil einige Bausparer zudem vor dem Hintergrund des niedrigen Zinsniveaus die Möglichkeit von Sondertilgungen bestehender Bauspardarlehen genutzt haben, wurde ein immer kleiner werdender Teil der Bauspareinlagen in Bauspardarlehen angelegt. So hat sich der Bauspardarlehensbestand gemessen an der Bilanzsumme von 57Prozent im Jahr 1990 auf 14Prozent im Jahr 2010 verringert (siehe Abbildung 3).

Die Bausparkassen wiederum haben die im Kollektiv freien Mittel zum Teil für die Vergabe von außerkollektiven Darlehen verwendet und damit dem Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Deren Bestand hat sich gemessen an der Bilanzsumme im Beobachtungszeitraum von 21Prozent auf 38Prozent erhöht. Deutlich mehr Mittel flossen in die Geldanlage und die sonstigen Aktiva. Der Anteil dieser beiden Positionen an der Bilanz hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt, nämlich von 22Prozent im Jahr 1990 auf 48Prozent im Jahr 2010. Die Bilanzen stehen sozusagen "auf dem Kopf" (siehe Abbildung 4). Die Konsequenz hieraus ist, dass die Erträge einer Bausparkasse aktuell überwiegend kapitalmarktabhängig sind.

Ertragssicherung

Lange Jahre, als der Anlegungsgrad (Anteil der in Bauspardarlehen angelegten Bauspareinlagen in Prozent) im Bausparkollektiv in der Branche durchschnittlich noch bei Werten um die 80Prozent lag, war die Ertragssituation einer Bausparkasse überwiegend geprägt von der Marge zwischen dem Bauspardarlehens- und Bauspareinlagenzins. Damit waren die Neugeschäftsentwicklung und die Besparung der neuen Verträge der wesentliche Faktor zur Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses.

Auf die veränderte Bilanz-/Kollektivstruktur als Folge der lang anhaltenden Niedrigzinsphase hat die Branche auf vielfältige Art und Weise reagiert. Das entscheidende Instrument am Markt, die Ertragssituation der Bausparkassen zu sichern, besteht in der Anpassung der Bausparprodukte. Die Maßnahme wirkt sich jedoch erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung auf die Ertragssituation aus, wie Abbildung 5 mit der Entwicklung der durchschnittlichen Verzinsung der Bauspareinlagen seit 1990 zeigt. Daraus wird ersichtlich, dass sich erst seit 2007 die zahlreichen Tarifanpassungen in der Branche auch im Kollektiv bemerkbar machten und sich der Zinsaufwand der Bausparkassen auf im Durchschnitt 2,39Prozent im Jahr 2010 verringerte. Ein weiterer Effekt dieser Maßnahme ist, dass sich der Bestand an Bauspardarlehen seit 2007 nach einer langen Phase des Rückgangs wieder stabilisiert hat.

Diese Entwicklung der durchschnittlichen Verzinsung der Bauspareinlagen ist jedoch nicht bei allen Bausparkassen gleichermaßen eingetreten. Wie Abbildung 6 zeigt, reicht die Bandbreite von 1,9bis 3,8Prozent. Somit besteht innerhalb der Branche eine relativ große Spanne. Diese ist sicher auch Ausdruck des geschäftspolitischen Schwerpunktes der einzelnen Institute. Einige konzentrieren sich auf eine attraktive Sparverzinsung, andere auf das Angebot eines günstigen Bauspardarlehens.

Weitere Ansatzpunkte zur Verbesserung beziehungsweise Stabilisierung der Ertragssituation ergaben sich bei den Verwaltungsaufwendungen. Durch schlankere Prozesse und verbesserte EDV-Systeme wurden die Abläufe im Backoffice optimiert. Das Ausmaß der vorgenommenen Optimierungen wird deutlich, wenn man die Entwicklung der Produktivität betrachtet. Hierbei wird der gesamte Vertragsbestand aller Institute zur Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in Beziehung gesetzt. Danach hat sich die Produktivität in der Branche seit 1990 von 1260 Verträgen je Mitarbeiter auf 2920 mehr als verdoppelt.

Die Gruppe der Landesbausparkassen hat frühzeitig Möglichkeiten der Abschöpfung von Synergiepotenzialen zur Senkung der Verwaltungskosten ergriffen. Bereits Anfang der siebziger Jahre haben sie sich bundesweit auf einen einheitlichen Marken- und Werbeauftritt verständigt. Dieses hat zu einer spürbaren Entlastung der Marketingbudgets geführt. Ergebnis dieses einheitlichen Auftritts ist der hohe Bekanntheitsgrad der LBS und das positive Image.

Weitere Kosteneinsparungen wurden in den vergangenen Jahren im Bereich der EDV realisiert. Aktuell arbeiten die zehn Landesbausparkassen noch mit drei EDV-Systemen. Voraussetzung, um noch weitere Einsparungen zu erzielen, wäre ein zentrales IT-System für alle Landesbausparkassen. Die Abstimmungen hierzu wurden bereits aufgenommen.

Die Bausparkassen haben sich auch in Zeiten einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase sehr gut am Markt behauptet. Sie haben durch zahlreiche Anpassungen die Attraktivität des Bausparproduktes als zinssicheres und flexibles Finanzierungsinstrument erhalten. Beleg hierfür sind die positive Neugeschäftsentwicklung sowie der kontinuierlich Anstieg der Bauspareinlagen. Die Kunden vertrauen den Bausparkassen. Zudem hat die Branche durch geeignete Maßnahmen ihre Rentabilität langfristig gesichert, damit sie auch zukünftig erfolgreich am Baufinanzierungsmarkt agieren kann.

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