Leitartikel

Begehrter Pfandbrief

Am Pfandbrief hängt, zum Pfandbrief drängt doch alles! So möchte man in Anlehnung an Goethes Faust meinen, wenn man die jüngsten Entwicklungen an den Kapitalmärkten resümiert. Doch während der Dichterfürst sein Gretchen noch die Verführungskraft des schnöden Goldes beklagen lässt, erliegen immer mehr Finanzinstitute den Reizen der Covered Bonds. Beide Assets haben eines gemeinsam: Sie sind Krisenprodukte. Dass der Goldpreis seit 2008 um 60 Prozent gestiegen ist, unterstreicht dessen Bedeutung als Fluchtwährung Nummer eins. Und Pfandbriefe wurden einst geschaffen, um klamme schlesische Junker zu rekapitalisieren, denen nach dem Sieg Preußens im Siebenjährigen Krieg die österreichischen Hausbanken die Wechsel fällig stellten. Seitdem sind die gedeckten Schuldverschreibungen vor allem in Zeiten erhöhter Unsicherheit gefragt. Es sind noch keine zehn Jahre vergangen, dass der Chef des seinerzeit größten Pfandbriefemittenten vollmundig verkündete, er brauche den Pfandbrief nicht mehr, weil er zu teuer, zu streng reguliert und zu wenig flexibel sei. Wie hatte er sich doch getäuscht. Das Institut ist längst verstaatlicht, umbenannt und auf der Suche nach neuen Perspektiven, doch den Pfandbrief gibt es nach wie vor und er ist noch "teurer" geworden, noch strenger reguliert und trotzdem bei Banken und Investoren hoch geschätzt.

An die Emittenten werden inzwischen höchste Ansprüche gestellt. Genannt sei hier nur die gesetzliche Vorschrift, bereits 180 Tage vor Fälligkeit des Pfandbriefs ausreichend Liquidität vorzuhalten, um die Investoren auszahlen zu können. Doch nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch Investoren und Ratingagenturen hängen die Latte immer höher. Um für deutsche Hypothekenpfandbriefe ein Triple-A-Rating zu erlangen, braucht es im Schnitt eine Überdeckung von fast zwanzig Prozent. Diese Qualität hat sowohl für die Emittenten als auch für die Gläubiger ihren Preis. Laut Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) erzielen 10-jährige Emissionen durchschnittlich nur eine Rendite von 2,031 Prozent. Bei den zuletzt häufiger zu sehenden Platzierungen mit einer Laufzeit von fünf Jahren müssen sich die Zeichner gar mit 1,096 Prozent zufriedengeben. Aber auch die Spreads bei Benchmark- und Jumbo-Emissionen zeugen neben einer hohen Nachfrage auch vom hohen Qualitätsniveau der Pfandbriefe. Laut vdp-Auswertung werden die Papiere tendenziell mit einem Abschlag zur Swap-Mitte gehandelt, wobei die Spanne von minus 22,5 bis plus 54,4 Basispunkten reicht.

Dieses Preisniveau ist heute so attraktiv, dass sogar die KfW Bankengruppe den Pfandbrief bei der konzerninternen Refinanzierung nutzen will. Ohnehin wächst die Pfandbrief-Gemeinschaft stetig. Aktuell zählt die Deutsche Bundesbank 90 Emittenten von sogenannten "privilegierten Schuldverschreibungen". Dazu gehören zum Beispiel 40 Sparkassen. Auch bei ausländischen Bankengruppen wächst das Interesse am deutschen Pfandbrief. Am 11. Februar dieses Jahres debütierte die zur französischen Natixis-Gruppe gehörende Pfandbriefbank mit einer 30-Millionen-Euro-Emission. Weitere Banken wie zum Beispiel die spanische Santander könnten folgen. Dass der Pfandbriefabsatz 2012 dennoch binnen Jahresfrist von 72,8 auf 56,6 Milliarden Euro zurückging, ist im Wesentlichen den neuen Eigenkapitalregeln und der Staatsschuldenkrise zuzuschreiben. Denn vor allem die abnehmende strategische Bedeutung der Staatsfinanzierung ließ nach jüngsten vdp-Zahlen den Bruttoneuabsatz von öffentlichen Pfandbriefen von 31,0 auf 14,3 Milliarden Euro sinken. Dagegen wurde das Emissionsvolumen bei Hypothekenpfandbriefen mit 38,5 gegenüber 40,9 Milliarden Euro im Vorjahr annähernd gehalten. Lediglich Schiffspfandbriefe legten mit 3,2 Milliarden Euro nach 0,9 Milliarden Euro zu.

Inzwischen werden die letzten Lücken in der westeuropäischen Covered-Bond-Landkarte geschlossen. Jüngst stellte Belgien die Emission auf eine gesetzliche Grundlage. Derweil verbreitet sich die Idee auch in Australien, Neuseeland und vielleicht sogar in den USA. Dabei zeigt sich erneut: Das Interesse der Banken, die Emission gedeckter Schuldverschreibungen gesetzlich zu fundieren, hängt von ihren Refinanzierungsnöten ab. Tatsächlich gibt es mit Ausnahme der EZB und der Kundeneinlagen keine günstigere Refinanzierung. Dabei belegen die seit Ausbruch der Finanzmarktkrise zu beobachtenden Spread-Ausweitungen, dass die Investoren unterschiedliche Qualität auch entsprechend bepreist sehen wollen. Transparenz - zum einen bezüglich der Deckungsmassen und zum anderen hinsichtlich des Sekundärmarktes - ist und bleibt dabei ein entscheidender Faktor. Leider ist jedoch das Niveau von Land zu Land und von Emittent zu Emittent oftmals noch sehr unterschiedlich. Dass das European Covered Bond Council (ECBC) versucht, zunächst auf nationaler Ebene einheitliche Deckungsberichte und Poolübersichten durchzusetzen, ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges und längst überfälliges Vorhaben. Es kann jedoch nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer europaweiten Vergleichbarkeit sein.

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