Wohnungswirtschaft

Beständigkeit braucht Wandel

Wohnen zählt schon immer zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Doch über viele Jahrzehnte hinweg haben sich die Anforderungen an den Wohnraum und damit an jene, die Wohnraum anbieten, stetig verändert. Auch die kommenden Jahre halten viele Herausforderungen für die Wohnungswirtschaft bereit: Die Ansprüche der Mieter an die Größe der genutzten Wohnfläche, an die Ausstattung und die Lage einer Wohnung sind heute andere als noch vor einigen Jahren oder Jahrzehnten - und sie wandeln sich fortwährend. Darauf müssen sich die Wohnungswirtschaft und insbesondere Wohnungsunternehmen einstellen. Hinzu kommen gesellschaftliche Trends wie der demografische Wandel und Maßnahmen für den Klimaschutz wie die energetische Sanierung. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich die Wohnungswirtschaft seit jeher immer neuen Bedingungen anpassen musste.

Herausforderungen in der jüngeren Vergangenheit

Die Entwicklung der deutschen Wohnungswirtschaft ab 1945 hat die Schader Stiftung bis ins Detail beleuchtet. So waren die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt von einer großen Wohnungsnot. In Westdeutschland waren 21 Prozent aller Wohnungen völlig zerstört und weitere 21 Prozent stark beschädigt. In Ostdeutschland lag die Zerstörung bei etwa zehn Prozent des Vorkriegsbestandes. Verstärkt wurde das Problem durch Flüchtlingsströme. Insgesamt standen jedem Bewohner durchschnittlich nur 15 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung.

Neben dem Wiederaufbau wurde dem Problem Wohnungsnot durch zwangswirtschaftliche Bindungen im Bereich von Altbauwohnungen begegnet. Kommunale Wohnungsämter erhielten je nach Ausmaß der Wohnungsnot Belegungsrechte der Wohnungen sowie das Recht, Höchstmieten festzusetzen. Außerdem wurde das Kündigungsrecht des Vermieters weitgehend ausgeschlossen. In den Jahren 1960 bis 1969 wurde viel gebaut und allmählich entspannte sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Die Wohnungszwangswirtschaft wurde ab 1960 stufenweise abgebaut und ein soziales Mietrecht eingeführt.

Mitte der 1970er Jahre vollzog sich eine Kehrtwende in der Wohnungswirtschaft. Erstmals seit Ende des Krieges stiegen die Wohnungsleerstände. Die Suburbanisierung war in vollem Gange und die Politik wandte sich der qualitativen Seite der Wohnungsversorgung zu, beispielsweise in Form des Städtebauförderungsgesetzes (1971) und des Wohnungsmodernisierungsgesetzes (1979).

Nach dem Regierungswechsel 1982 wurde die Liberalisierung des Wohnungsmarktes weiter forciert: 1986 zog sich der Bund aus der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus zurück. Ab Ende der 1980er Jahre kam es wieder vermehrt zu Wohnungsengpässen. Bedingt wurde dies durch Faktoren, die teilweise auch heute noch die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt bestimmen. In erster Linie ist dies die wachsende Zahl der Ein-Personen-Haushalte. Ende der 1980er Jahre kam noch hinzu, dass die geburtenstarken Jahrgänge in die Haushaltsgründungsphase eingetreten waren. Auch durch die Zuwanderung aus der DDR und Osteuropa nach der Grenzöffnung wurde Wohnraum zunehmend knapp. Insbesondere in Ballungsregionen waren steigende Mietpreise zu verzeichnen. Der Staat reagierte mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Mietwohnungen, einer höheren Förderung der Eigentumsbildung und dem Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau.

Energetische Sanierung fordert die Wohnungswirtschaft

Die rot-grüne Wohnungspolitik ab 1998 war von drei Reformen bestimmt: der Sozialwohnungsbaureform, der Wohngeldanpassung und der Mietrechtsreform. Es wurde zur neuen Leitlinie im Wohnungsbau, dass Wohnungsversorgungsprobleme nicht mehr nur über den Neubau, sondern auch über die Modernisierung von Altbauten oder durch die Förderung des Erwerbs vorhandenen Wohnraums angegangen werden sollten. Mit der Mietrechtsreform wurden unter anderem asymmetrische Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter sowie die Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 30 auf 20 Prozent eingeführt.

Politische Entscheidungen werden die Wohnungswirtschaft auch künftig fordern. Ein Beispiel ist die energetische Sanierung. Die Vorgaben der Bundesregierung - die EnEV 2009 und vermutlich bald die EnEV 2012 - verursachen hohe Investitionskosten, um den Bestand energetisch zu sanieren. Vielen Wohnungsunternehmen wird es finanziell nicht möglich sein, solche energetischen Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen. Vielerorts ist es auch nicht wirtschaftlich, denn gerade in ländlich geprägten oder wirtschaftlich schwächeren Regionen können die Modernisierungskosten aufgrund des niedrigeren Mietniveaus nicht in dem Maße auf die Mieten umgelegt werden, wie es etwa in Ballungszentren möglich ist.

Der Einfluss demografischer Trends

Der größte Einfluss auf die Entwicklung des Wohnungsmarktes geht in den kommenden Jahren vom demografischen Wandel aus. Dem Statistischen Bundesamt zufolge wird die deutsche Bevölkerung bis zum Jahr 2025 von derzeit etwa 82 Millionen Menschen auf rund 79 Millionen schrumpfen, bis 2060 sogar auf rund 65 Millionen. Mit diesem Bevölkerungsrückgang geht aufgrund niedriger Geburtenraten und steigender Lebenserwartung eine starke Veränderung der Altersstruktur einher. Der Anteil der Altersgruppe der über 65-Jährigen wird sich von etwa 20 Prozent im Jahr 2008 auf 26 Prozent im Jahr 2025 erhöhen. 2060 wird bereits etwa jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein. Diese Entwicklung hat für die Wohnungswirtschaft mehrere Konsequenzen: Zum einen hat dies Auswirkungen auf die Nachfrage nach Wohnraum, zum anderen darauf, wie dieser gestaltet sein muss.

Eine kleinere Einwohnerzahl bedeutet nicht zwingend eine nachlassende Nachfrage nach Wohnraum - zumindest nicht in naher Zukunft: Auch wenn langfristig weniger Wohnraum benötigt wird, ist kurz- und mittelfristig mit einem steigenden Bedarf zu rechnen. Der Grund dafür ist der Trend zum Single-Haushalt. 2003 lag der Anteil der allein Lebenden noch bei 36 Prozent und erhöhte sich bis 2008 auf 38 Prozent. Tendenz weiter steigend - unter anderem dadurch, dass immer mehr ältere Menschen allein leben.

Gleichzeitig steigt die nachgefragte Wohnfläche pro Person, wie Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Während 1991 jeder Einwohner noch durchschnittlich knapp 35 Quadratmeter bewohnte, waren es 2007 bereits knapp 42 Quadratmeter - ein Plus von etwa 20 Prozent. Auch der von den privaten Haushalten in Deutschland durchschnittlich bewohnte Wohnraum hat sich erhöht: von durchschnittlich rund 82 Quadratmetern im Jahr 1991 auf knapp 92 Quadratmeter im Jahr 2008.

In Barrierefreiheit investieren

Auf diese Entwicklung müssen Wohnungsgesellschaften reagieren. Da sehr kleine Wohnungen immer weniger gefragt sind, werden diese Wohnungen zusammengelegt. Bei Sanierungen sollte beachtet werden, dass die Menschen in der Regel oft bis ins hohe Alter in ihren eigenen vier Wänden leben möchten. Barrierefreiheit zu schaffen, ist daher eine der wichtigsten Aufgaben für die Wohnungswirtschaft in den nächsten Jahren. Oft wird dies heute schon durch die Entfernung von Schwellen in den Wohnräumen oder durch Installation von Aufzügen berücksichtigt. Die Barrierefreiheit ist auch im engeren Wohnumfeld nötig: Es sollten deshalb Straßen, Plätze, öffentliche Gebäude und auch die Nahversorgungseinrichtungen entsprechend gestaltet werden.

Um ihre Bestände langfristig attraktiv zu halten, müssen Wohnungsunternehmen sowohl in die Barrierefreiheit als auch in die Energieeffizienz ihrer Bestände investieren. Denn mit jedem Schritt, den Wohnungsgesellschaften heute machen, um die aktuellen Wünsche der Mieter und die Forderungen der Politik zu erfüllen, stellen sie zugleich die Weichen für die Zukunft. Dabei genügt es nicht, den Blick nur auf eine Stadt oder ein einzelnes Stadtviertel zu richten. Wohnbedarf und Wohnungsstandard unterscheiden sich von Region zu Region, von Quartier zu Quartier und sogar von Straßenzug zu Straßenzug.

Um ihren Bestand profitabel zu bewirtschaften, stehen für moderne Wohnungsunternehmen ein aktives Portfolio- und Asset Management und ein serviceorientiertes Mietermanagement im Fokus. Darüber hinaus müssen Bewirtschaftungs- und Verwaltungskosten gesenkt werden, ohne dass es dabei zu Qualitätsverlusten kommt. Nur so können Wohnungsbestandshalter langfristig erfolgreich sein.

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