Leitartikel

Börsenimmobilien: Beispiel IVG

Endlich? Deutschland hat den German REIT (G-REIT), und zwar wie geplant zum 1. Januar 2007. Allerdings nur rückwirkend, denn erst am 30. März wurde dem Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen auch vom Bundesrat zugestimmt, was heißt, alle potenziellen Interessenten haben mindestens drei Monate verloren. Überraschungen? Keine! Wohnimmobilien bleiben vor allem aus Mieterschutzgründen außen vor. Da kann Finanzminister Peer Steinbrück noch so oft betonen, dass mit der Einführung deutscher Real Estate Investment Trusts (REITs) der Finanzplatz Deutschland erfolgreich gestärkt werde: "Rückwirkend zum 1. Januar 2007 haben wir ein börsennotiertes Immobilienanlageprodukt geschaffen, das nicht nur die Bilanzstruktur und damit die Refinanzierungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen auf den Kapitalmärkten verbessert, sondern auch dem Arbeitsmarkt einen positiven Schub verleihen wird."

Es wurde vielmehr dank deutscher Mutlosigkeit wieder mal eine große Chance vertan, den Standort Deutschland wirklich wettbewerbsfähig zu gestalten. Ohne Wohnimmobilien ist die Attraktivität des German REIT beschränkt. Denn so bleibt der überwiegenden Mehrzahl der Unternehmen, die eben jene Wohnimmobilien im Bestand haben, der Weg an die Börse - zumindest in Deutschland - versperrt (zum Beispiel auch jenen Landesbanken, denen die Öffentliche Hand ihre Wohnungsunternehmen in der Vergangenheit gern verkaufte). Dabei wäre das Vorhandensein mehrerer deutscher börsennotierter Immobiliengesellschaften unzweifelhaft gut für den Finanzplatz und für die wenigen, bereits gelisteten Unternehmen wie die IVG oder die Patrizia. Denn nach wie vor schauen angelsächsische Investoren begehrlich auf deutsche Wohn- und Gewerbeportfolios.

Die Hurra-Rufe der Branche für das Gesetz sind bislang kaum zu vernehmen. Und dies könnte auch der Grund dafür sein, dass noch keine Welle von REITs in das eigens von der Deutschen Börse neu geschaffene Segment hereingeschwappt ist. Lediglich die TAG kündigte bislang die Auflage eines solchen Vehikels an. Andere nehmen lieber noch auf den Beobachtersesseln Platz. Die IVG beispielsweise berichtete auf ihrer Bilanzpressekonferenz zwar von einem möglichen REIT, der das 1,5 Milliarden Euro schwere deutsche Büroimmobilienportfolio umfassen könnte, betonte aber gleichzeitig, man werde sicherlich nicht zu den Vorreitern gehören. Schließlich, so die freundliche Ansicht, könne man ja auch von Fehlern anderer lernen.

Überhaupt hat sich der ehemalige Bonner Gemischtwarenladen klug gesteuert fein entwickelt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden die Aktivitäten in vier eigenständigen Geschäftsbereichen neu gegliedert: Investment, Fonds, Development und Kavernen. Darüber hinaus wurden Funktionen wie der An- und Verkauf von Immobilienobjekten in der Zentrale gebündelt. Offensichtlich mit Erfolg, denn die gute Entwicklung in diesem Bereich war maßgeblich für den Anstieg des Konzernergebnisses nach Steuern um 36 Prozent auf knapp 150 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Steuern (EBIT) in der Sparte Investments verdoppelte sich auf rund 290 Millionen Euro, die Investitionen im Jahr 2006 stiegen um fast 25 Prozent auf 788 Millionen Euro, die Immobilienverkäufe um fast 400 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. "Wir sind ein Immobilien-Handelsunternehmen", fasst Wolfhard Leichnitz die neue IVG zusammen.

Allein auf erfolgreiches Investieren und Desinvestieren zu setzen wäre aber vermessen und würde zu dieser Händlermentalität auch gar nicht passen. Schließlich herrscht nicht immer so gute Immobilienhändler-Konjunktur wie in den vergangenen Monaten. Leichnitz betont daher, dass die neue Struktur der IVG die Freiheit erhält, flexibel auf Marktentwicklungen reagieren zu können. Heute Investment, morgen Development und überübermorgen dann Kavernen. Die Frage, welcher Geschäftsbereich ihm denn der liebste sei, ließ der Vorstandsvorsitzende unbeantwortet. Die Zahlen mögen ihm Recht geben. Steuerten die Segmente Fonds (44,6 Millionen Euro), Development (4,2 Millionen Euro) und Kavernen (14,4 Millionen Euro) im Vergleich zu Investments unterdurchschnittlich zum Gesamtergebnis bei, war das Verhältnis 2005 deutlich ausgeglichener: Investments 131,3 Millionen Euro, Development 44,4 Millionen Euro, Fonds 43,9 Millionen Euro und Kavernen 76,9 Millionen Euro.

Vor allem in den Bereichen Fonds und Kavernen sieht man in Bonn gute Entwicklungschancen. Die vollständige Integration der von Sal. Oppenheim übernommenen OIK bietet der IVG breitere und vor allem einheitliche Möglichkeiten der Ansprache und Akquisition privater wie institutioneller Kundschaft für die Geschlossenen Fonds. Das Kavernengeschäft ist ebenfalls ein Entwicklungsgeschäft mit dem Vorteil, dass wenig Eigenkapital gebunden wird und so die Belastungen für die Bilanz überschaubar bleiben. In Deutschland gibt es derzeit 20 solcher Lagerstätten, 19 davon befinden sich in Händen von Energieunternehmen, die IVG ist der einzig unabhängige Inhaber. Natürlich gibt es Überlegungen, das Kavernengeschäft auszugliedern und ganz oder teilweise zu verkaufen. Doch dafür ist es noch zu früh. Einerseits ist der Markt noch nicht voll entwickelt. Andererseits profitierte die IVG-Aktie 2006 in besonderem Maße vom Kavernengeschäft, denn Direktinvestments in diesem Bereich sind derzeit noch nicht möglich. Also bleibt da hungrigen Investoren nur die IVG. P. O.

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