Im Blickfeld

Mehr als die Demontage einer Marke

Auf lange Sicht gelten Immobilien als substanziell solide und Aktien als ertragsstark. Dass die Kombination von beidem - die Immobilienaktie - eine langfristig sowohl solide als auch ertragsstarke Anlage sein kann, vermochte aber bislang kaum eine börsennotierte Grundstücksgesellschaft tatsächlich zu zeigen. Vielmehr muss beunruhigen, mit welcher Geschwindigkeit sich in diesem Segment Unternehmenswerte aufbauen und auch wieder auflösen.

Prominentes Beispiel ist derzeit die IVG. Zum Jahresende 2012 besaß die Gesellschaft Immobilien im Wert von fast 3,2 Milliarden Euro, schätze ihre eigenen Beteiligungen an Projektentwicklungen auf mehr als 1,6 Milliarden Euro, hat Kavernen für rund eine Milliarde Euro zu entwickeln und Fonds, die Liegenschaften von mehr als 15 Milliarden Euro verwalten. Wert ist die IVG aktuell jedoch weniger als 70 Millionen Euro. Kaum 30 Cent kostet die Aktie. Der Absturz des einstigen Primus unter den deutschen Immobilienaktiengesellschaften ist beachtlich. In ihren besten Zeiten - im Februar 2007 - brachte es das Unternehmen immerhin auf über 36 Euro je Anteil und eine Marktkapitalisierung von 4,2 Milliarden Euro.

Tatsächlich galt die IVG einst als eine Landmarke der deutschen Immobilienwirtschaft. Aus Bundeseigentum gekommen hatte es die Gesellschaft erfolgreich an die Börse und in die Gruppe der großen europäischen Liegenschaftsunternehmen geschafft. Dann jedoch geriet die feine Bonner Adresse unter die Spekulanten und in die Hände von Banken. Zunächst verzockte sich Hauptgesellschafter Sirius so sehr, dass es die verpfändeten IVG-Aktien an Oppenheim abtreten musste. Die Privatbanker fusionierten Deutschlands größte Immobilien-AG mit dem seinerzeit führenden Manager für Immobilienspezialfonds OIK. Mit diesem geballten Sachverstand zu Märkten, Objekten, Mietern und Investoren hätte eigentlich eine Erfolgsgeschichte geschrieben werden müssen. Leider kam es anders.

Im Rausch eines emporschießenden Aktienkurses und eines von zu viel Liquidität heiß gelaufenen deutschen Immobilienmarktes begann die IVG selbst zu spekulieren und sich zu überschätzen. Vor allem das milliardenteure, über dem Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens errichtete Projekt Squaire ist ein Mühlstein, der das gesamte Unternehmen nach untern zieht. Daran vermochten weder Standort noch architektonische Raffinesse oder internationale Auszeichnungen etwas zu ändern. Lange, zu lange hatte das Management des Unternehmens darauf vertraut, dass der Klotz auf Stelzen sein Geld oder zumindest den Großteil davon, doch noch hereinholt. Der Markt wusste es mal wieder längst besser.

Diese Fehleinschätzung hat sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, dass die Kreditgeber ihr noch 2011 bekundetes Vertrauen in das Unternehmen mehr und mehr verlieren. Per 31. März dieses Jahres beliefen sich die Schulden auf 4,2 Milliarden Euro. Gemessen am Vermögen des Unternehmens sind das immer noch 72 Prozent. Mittels Sachkapitalerhöhung gegen Einlage von Bankkrediten sowie Wandel- und Hybridanleihen sollen die Verbindlichkeiten jetzt um insgesamt 1,75 Milliarden Euro beziehungsweise um etwa 42 Prozent reduziert und sowohl Verschuldungs- als auch Zinsdeckungsgrad auf ein "marktübliches" Niveau gesenkt werden. Damit haben künftig die Gläubiger mehr noch als bisher das Sagen in der IVG. Klar, dass angesichts dieser Entwicklung der ohnehin schon schwache Aktienkurs des Unternehmens noch weiter abschmierte.

Auch wenn die Historien und Herausforderungen deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften höchst unterschiedlich sind, so sollte die Entwicklung der IVG als Warnung verstanden und ernst genommen werden. Denn erstens leidet nicht allein das Image dieses Unternehmens, sondern das Ansehen der gesamten Branche und das in Deutschland ohnehin allenfalls mäßige Vertrauen in die Immobilienaktie als Kapitalanlage. Zweitens wird deutlich, dass sich eine Immobilien-AG neben ihren Zielmärkten in größerem Maße auch auf den Kapitalmärkten auskennen muss. Und drittens lehrt das Beispiel der Bonner, dass sich Vorstände angesichts steigender Aktienkurse und höhere Marktkapitalisierungen ihrer Unternehmen nicht zuviel auf ihre Managementqualitäten einbilden sollten. Oder wie schon Schiller im "Ring des Polykrates" mahnte: "Noch Keinen sah ich fröhlich enden, auf den mit immer vollen Händen, die Götter ihre Gaben streun." L.H.

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