Pro und Kontra

Braucht es mehr Förderung für Wohneigentum?

PRO

Volkswirtschaftlich ein Muss

In kaum einem vergleichbaren Land der Welt ist die Wohneigentumsquote so niedrig wie in Deutschland. Obwohl Politiker aller Parteien seit Jahrzehnten verkünden, die Eigentumsquote müsse erhöht werden, ändert sich kaum etwas und die Eigentumsquote stagniert.

Staatliche Anreize wie etwa den Schuldzinsenabzug für die selbst genutzte Immobilie gibt es in Deutschland nicht, und seit der Abschaffung der Eigenheimzulage gibt es auch sonst keine ernst zu nehmenden Anstrengungen des Staates, Bürgern bei der Bildung von Eigentum zu helfen. "Wohn-Riester" ist nach wie vor zu kompliziert und stellt keinen Ersatz für die früheren Förderungen dar.

Warum ist es jedoch wünschenswert, dass die Eigentumsquote erhöht wird? Das wichtigste Argument ist, dass die Bildung von privatem Wohneigentum die beste Methode zur Altersvorsorge ist. Wer im Alter über eine - ganz oder weitgehend - schuldenfreie Immobilie verfügt, spart einen nicht unerheblichen Teil der monatlichen Kosten, weil er nur fünf bis zehn Prozent statt 20 bis 25 Prozent seines Einkommens beziehungsweise seiner Rentenbezüge für das Wohnen ausgeben muss. Immer wieder wird uns vorgerechnet, es sei vorteilhafter, sein Geld beispielsweise in Aktienfonds anzusparen, statt es für die Tilgung eines Immobiliendarlehens auszugeben. In Wahrheit sind diese Berechnungen jedoch wirklichkeitsfremd, weil dies in der Praxis eben kaum jemand tut. Wer spart schon über Jahrzehnte so eisern Monat für Monat einen bestimmten Betrag, wie dies ein Immobilieneigentümer tut?

Studien belegen, dass Immobilieneigentümer im Alter etwa sechsmal so viel Vermögen besitzen wie Mieter. Diese Diskrepanz lässt sich - um einen naheliegenden Einwand vorwegzunehmen - übrigens nicht damit erklären, dass eher die besser verdienenden und vermögenden Personen Immobilien kaufen. Denn selbst bei Personen mit einem gleich hohen Haushaltsnettoeinkommen ist nachzuweisen, dass die Immobilieneigentümer im Alter über ein wesentlich höheres Vermögen verfügen als Mieter.

Der Grund ist einfach: Immobilieneigentümer sparen wesentlich mehr. Es ist eben nicht so, dass bei ihnen alles Geld nur in Zins und Tilgung für das Darlehen fließt und ansonsten keine signifikanten Sparleistungen mehr erbracht würden. Sowohl Mieter wie Wohnungseigentümer sparen außerhalb der Tilgung etwa gleich viel. Bei den Immobilienbesitzern kommt die Tilgung noch hinzu. Wer eine Immobilie kauft, spart konsequenter als andere Bürger. Und das ist in einer Gesellschaft, in der sich die Menschen zunehmend weniger auf die gesetzliche Rente verlassen können, von ungeheurer Bedeutung. Hinzu kommt noch, dass die Entscheidung für den Kauf der eigenen Wohnung - etwa im Rahmen der Mieterprivatisierung - oder für den Erwerb eines Eigenheims eine der fundiertesten wirtschaftlichen Entscheidungen ist, die Bürger ohne wirtschaftliche Vorbildung treffen können. Anders als abstrakte "Finanzprodukte", die selbst für Profis nur schwer zu beurteilen sind, ist jeder in der Lage, mit seinem gesunden Menschenverstand abzuwägen, ob die Wohnung oder das Haus, das er kauft, ein gutes Investment ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn man selbst in der Wohnung wohnen wird. Kaum eine Anlageentscheidung wird von Menschen mit so großer Sorgfalt getroffen.

Wer sich vor Jahren für eine Kapitallebensversicherung zur Altersvorsorge entschieden hat, muss nun feststellen, dass alle Prognosen über "Überschussbeteiligungen", die man ihm beim Abschluss des Vertrages vorlegte, Makulatur sind. Und falls es tatsächlich zu einer Inflation käme, werden die angesparten Geldbeträge weitgehend entwertet, während eine gut ausgewählte Immobilie vergleichsweise wertstabil bleibt. Bedenkt man noch, dass die Bildung von Wohneigentum zudem viele indirekte positive Auswirkungen hat und stabilisierend für ein Gemeinwesen wirkt, dann wird deutlich, dass die Politik stärkere Anstrengungen unternehmen muss, um die Bildung von Wohneigentum zu fördern und die Wohneigentumsquote zu erhöhen.

Der Autor

Jürgen F. Kelber Geschäftsführender Direktor, conwert Immobilien Invest SE, Wien

Kontra

Ein anachronistisches Ziel

Wer bislang dafür plädierte, durch staatliche Maßnahmen die Wohneigentumsquote zu erhöhen, der sollte seine Ansicht nach dem Studium einer bemerkenswerten Studie der OECD zu diesem Thema überdenken. Diese international vergleichende Studie zeigt, dass eine hohe Eigentumsquote problematisch für den Arbeitsmarkt ist, weil die in einer modernen Gesellschaft immer wichtiger werdende Mobilität der Arbeitnehmer dadurch eingeschränkt wird. Diese Ergebnisse sollten uns zu denken geben.

Natürlich ist nicht dagegen einzuwenden, ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung zu erwerben - vorausgesetzt, man verfügt über das erforderliche Vermögen, insgesamt seine Anlagen zu diversifizieren. Ist dies nicht der Fall, dann bedeutet der Erwerb eines Eigenheims ein erhebliches Klumpenrisiko. Es ist so, als ob ein Anleger, der in Aktien investieren möchte, fast sein gesamtes Geld zum Erwerb einer einzelnen Aktie verwendet. Das würde schließlich auch kein vernünftiger Berater empfehlen, da dies gegen alle Regeln der Risikostreuung verstieße.

Immobilien sind eine ganz wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Komponente in der Altersvorsorge. Für die allermeisten Menschen empfiehlt es sich jedoch eher, in Wohnimmobilienfonds zu investieren als sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus zu kaufen. Denn Wohnungsfonds streuen das Risiko wesentlich besser. Die Standorte der Immobilien sind breit gestreut, während beim Erwerb eines eigenen Hauses der Standort vom zufälligen Wohn- und Arbeitsort des Erwerbers abhängt.

Handelt es sich dabei um eine Region mit negativen demografischen Perspektiven, dann wird sich sein "Investment" vermutlich nicht auszahlen. Deshalb ist es auch fragwürdig, wenn der Staat bei Immobilienerwerb lediglich die Finanzierung der selbst genutzten Immobilie unterstützt. Sinnvoller wäre es, wenn die Förderung

- also etwa der sogenannte Wohn-Riester - auch auf vermietete Immobilien und Beteiligungen an diversifiziert anlegenden Immobilienfonds ausgeweitet würde. Die Politik strengt sich seit Jahrzehnten an, die Wohneigentumsquote zu erhöhen, aber nur mit mäßigem Erfolg. Seit Jahren stagniert diese Quote bei etwa 43 Prozent. Die Bürger in Deutschland sind in dieser Beziehung klüger als die Politiker. Sie schätzen die Immobilienanlage, aber sie setzen ganz überwiegend auf indirekte Immobilieninvestments. Da unterscheidet sich das Immobilienanlageverhalten von dem anderer Länder, in dem die Eigentumsquote höher ist, dafür jedoch die durchschnittliche Beteiligung an Formen der indirekten Immobilienanlage sehr viel niedriger als hierzulande. Deutschland braucht sich also wegen seiner im internationalen Vergleich niedrigeren Wohneigentumsquote nicht zu schämen. Sie ist in ländlichen Gebieten nach wie vor sehr hoch, aber in den Großstädten wohnen oft 80 Prozent und mehr der Einwohner zur Miete. Ein Eigenheim ist etwas Schönes - aber es ist primär ein Konsum- und Luxusgut, keine Kapitalanlage. So sehen das offenbar die meisten Deutschen, vor allem jene, die in größeren Städten leben. Zu einer modernen und mobilen Gesellschaft passen eher Formen der indirekten Immobilienanlage, wie sie von den Deutschen bevorzugt werden. Die staatliche Förderungspolitik passt dazu nicht. Sie verkörpert ein anachronistisches Immobilien-Verständnis, bei dem die Immobilie ausschließlich gleichgesetzt wird mit dem selbst genutzten Eigenheim oder der selbst genutzten Eigentumswohnung, die exklusiv durch staatliche Fördermaßnahmen begünstigt werden. Dass diese Vergünstigungen in Deutschland abgebaut wurden, sollte nicht kritisiert werden. Statt nach neuen Maßnahmen zur Erhöhung der Wohneigentumsquote zu rufen, sollte sich die Immobilienwirtschaft besser darauf konzentrieren, sich für eine Liberalisierung des Mietrechtes einzusetzen. Und wenn es schon Förderungen gibt, dann sollten diese zumindest gleichberechtigt ebenso für indirekte Formen der Immobilienanlage gewährt werden wie für selbst genutztes Immobilieneigentum.

Der Autor

Einar Skjerven Geschäftsführer, Industrifinans Real Estate GmbH, Frankfurt am Main

Jürgen F. Kelber , Geschäftsführender Gesellschafter , Dr. Lübke & Kelber GmbH, Frankfurt am Main
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