Messebericht

Expo Real 2010: Wenig Ware und Mietermangel, aber keine Kreditklemme und viel Zuversicht

Vielleicht ist es ein Wesensmerkmal der Deutschen, dass sie ihrem Glück nicht so ganz trauen. Jahrelang zuckelte die hiesige Volkswirtschaft den rasant wachsenden Ökonomien in Europa und Übersee bedächtig hinterher. Jetzt findet sich das Land mit 2,2 Prozent BIP-Zuwachs im zweiten Quartal 2010 als konjunkturelle Zugmaschine an Europas Spitze wieder. Mit der gewohnten zeitlichen Verzögerung reagieren darauf auch die Immobilienmärkte, das weiß man.

Verhaltener Optimismus

Doch gilt das ehedem bewährte "Wissen" nach dem Schock der Finanzmarktkrise noch? Die Marktteilnehmer bleiben hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Immobilienwirtschaft vorsichtig, manche sogar misstrauisch. Denn die nominalen Wachstumsraten klingen auch deshalb so gut, weil sie sich auf krisenbedingt niedrige Basiswerte beziehen. Trotz des als "blutleer" empfundenen Aufschwungs sind die Stimmen und die Stimmungen im 13. Jahr der Expo Real deutlich positiver als 2008 und 2009. Denn dass bereits am Nachmittag wieder die Gläser gehoben und an den Ständen gefeiert wurde, ist Ausdruck eines Optimismus, den viele Teilnehmer als "verhalten" beschreiben.

Nachdem im vergangenen Jahr noch ein Rückgang um 15 Prozent auf 1580 Aussteller verwunden werden musste, nahm in diesem Jahr ihre Zahl wieder um vier Prozent auf 1645 zu. "Mit diesem Ergebnis ist die Expo Real die einzige Branchenmesse, die in diesem Jahr wachsen konnte", freut sich Eugen Egetenmeir, Geschäftsführer der Messe München. Insgesamt strömten vom 4. bis 6. Oktober 2010 etwa 21000 Fachbesucher in die Münchener Messehallen, womit das Vorjahresniveau gehalten wurde. Hinzu kamen rund 16000 Repräsentanten der Aussteller, sodass die Teilnehmerzahl mit zirka 37000 um gut 1000 über dem Vorjahr lag. Damit ist die Expo Real die mit Abstand größte Immobilienmesse in Europa, weit vor der Mipim im französischen Cannes, die im Frühjahr 18000 Teilnehmer zählte. Erwartungsgemäß kamen die meisten Besucher aus Deutschland. Briten, Österreicher, Niederländer und Schweizer folgten. Stellvertretend für viele resümiert Stefan Brendgen, CEO von Allianz Real Estate Germany: "Die Gespräche auf der Messe verliefen sehr erfolgreich und waren auf einer sehr internationalen Ebene."

Insgesamt spiegelt die Messe durchaus die Lage der internationalen Immobilienwirtschaft und im Besonderen die Situation der deutschen Standorte wider. "Das deutlich verbesserte Marktumfeld und die Aufbruchstimmung waren in München spürbar", äußerte sich Andreas Quint, CEO von Jones Lang Lasalle. Übereinstimmend mit dem Maklerhaus meldet auch CB Richard Ellis (CBRE), dass am Investmentmarkt für gewerbliche Immobilien in Deutschland im bisherigen Jahresverlauf rund 12,3 Milliarden Euro investiert wurden. Damit hat sich das Investitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als das verdoppelt. Bis Jahresende 2010 erwartet das Beratungsunternehmen Savills einen Anstieg des Investitionsvolumens auf mindestens 16Milliarden Euro. Eine von Corpus Sireo in Auftrag gegebene Bul-wien-Gesa-Studie prognostiziert sogar ein Transaktionsvolumen von bis zu 20 Milliarden Euro.

Aktuell machen sich jedoch auch dämpfende Effekte bemerkbar. So verlangsamte sich das Wachstum im dritten Quartal 2010 mit 3,65 Milliarden Euro gegenüber dem Vorquartal geringfügig. Dies ist jedoch kein Indiz für ein nachlassendes Investoreninteresse, sondern vielmehr in dem stark limitierten Angebot an Core-Objekten begründet. "Die Nachfrage aus dem In- und Ausland nach deutschen Immobilien-Investmentprodukten ist weiterhin ungebrochen und kann gerade im Core-Segment aufgrund des regelrechten Angebotsmangels nicht vollständig befriedigt werden", konstatiert Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland. "Das gestiegene Bedürfnis nach Sicherheit und Werthaltigkeit hat ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein geschaffen", fasst Erich Seeger, Mitglied des Vorstands der Commerz Real, zusammen.

Ausweichstrategien

Deshalb weichen die Investoren immer öfter von Büros auf andere Nutzungsarten aus. Gefragt sind vor allem Handelsimmobilien. Dass allein im dritten Quartal 2010 diverse Discounter wie Aldi Süd und Lidl große Immobilienportfolios veräußerten, zeigt die Dynamik, die in den Markt zurückgekehrt ist. "Auch ausländische Investoren sind auf den deutschen Markt zurückgekehrt", fügt Lars-Oliver Breuer, Head of Investment von Savills Deutschland, hinzu. Etwa ein Drittel des gesamten Transaktionsvolumens entfiel auf internationale Investoren. Gesucht ist vor allem Sicherheit, die man im deutschen Immobilienmarkt zu finden hofft.

Als in der Krise äußerst stabil erwies sich der ostdeutsche Immobilienmarkt. In der Folge steigt das Interesse bei institutionellen Investoren an den neuen Bundesländern. "Wir spüren eine zunehmende Wettbewerbssituation im Ankauf", konstatiert Niclas Karoff, Geschäftsführer der TLG Immobilien. Trotzdem will die Gesellschaft auch in diesem Jahr wieder für 150 bis 200 Millionen Euro neue Objekte erwerben. "Wir wollen in Ruhe wachsen", kommentiert TLG-Geschäftsführer Jo-chen-Konrad Fromme.

Wettbewerb im Erstrang, Unsicherheitsfaktor Regulierung

Trotzdem für einige Immobilien-Investmentmärkte wieder Aufwärtspotenziale gesehen werden und sich die Renditen im Core-Segment deutlich einengen, bestehen keine Anzeichen für den Beginn eines neuerlichen Booms. "Grundsätzlich sind Finanzierungen möglich, unter dem Aspekt der nicht abschließend feststehenden regulatorischen Änderungen bleiben aber auf der Finanzierungsseite noch einige Unsicherheiten", begründet Andreas Pohl, Vorstandsmitglied der Deutschen Hypothekenbank.

Aktuell belastet vor allem die Ratingmigration der ausstehenden Kredite die Eigenkapitalunterlegung der Banken und bremst damit das Neugeschäftswachstum. "2010 war bislang für die Immobilienfinanzierer ein hartes Jahr, doch dürfte die Talsohle inzwischen durchschritten sein. 2011 sollte es langsam wieder aufwärts gehen", kommentiert Johann Berger, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Landesbank Hessen-Thüringen. "Es gibt keine Kreditklemme", ergänzt Frank Pörschke, Vorstandssprecher der Eurohypo. Tatsächlich äußern die Banken unisono, dass sie gerne mehr Kredite zusagen würden, doch mangelt es aus ihrer Sicht an qualitativ guten Immobilien.

So verschärft sich der Wettbewerb der Kreditinstitute im Core-Segment, während "abseits von Core" nicht im Fokus der klassischen Immobilienfinanzierer steht. Folglich steigt der Bedarf an alternativen Finanzierungen (siehe dazu auch nebenstehenden Kasten), den opportunistische Investoren zunehmend als Markt erkennen. Vor allem Pensionskassen und Versicherungen treten verstärkt als Nachrangfinanzierer in Erscheinung. "Es ist sehr viel Liquidität im Markt", weiß Dirk Richolt, Head of Debt Advisory Germany bei CB Richard Ellis.

Mangel an Mietern

Auch die Frankonia Eurobau holt sich für ihre Projektentwicklungen mittels Kooperationen institutionelle Investoren ins Boot. "So erreichen wir Eigenkapitalquoten von rund 50 Prozent, wobei je nach Projekt auch schon 25 Prozent genügen, um eine Bankfinanzierung zu bekommen", erläutert Frankonia-Vorstand Georg Reul.

Vor allem Wohnimmobilien in prosperierenden Standorten sind gesucht. "Bis zu einer Objektgröße von 15 Millionen Euro können wir die Ware nicht so schnell produzieren, wie wir sie verkaufen könnten", sagt Lars von Lackum, CFO von Corpus Sireo. "Investoren und Finanzierer für Projektentwicklungen gibt es ausreichend, der Engpass sind die Nutzer", ergänzt Stefan Best, Geschäftsführer der HIH Hamburgische Immobilien Handlung GmbH, Hamburg.

Der "Mietermangel" macht sowohl den Entwicklern als auch den Bestandshaltern zu schaffen. Zwar hoffen viele Makler und Vermieter, dass der konjunkturelle Aufschwung bald auf den Mietmärkten ankommt, doch spricht einiges dafür, dass die Flächennachfrage und die Mieten nicht wie erwartet steigen. Eventuell sinkt der Flächenbedarf sogar noch weiter, denn die Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihre Fixkosten zu senken. Im Zuge dessen setzen sie sich auch intensiver mit ihren Immobilien als Produktionsfaktor auseinander. "So haben einige Unternehmen festgestellt, dass 60 bis 70 Prozent ihrer Mitarbeiter ihren Aufgaben entsprechend bei den Kunden vor Ort sein müssen und deshalb zeitweise nicht in ihren Büros sind. Folglich stehen zwei Drittel der Büros leer - ein gewaltiges Potenzial, um zum Beispiel durch Desksharing Mietkosten zu sparen", stellt Peter Tzeschlock, Vorstandsmitglied der Drees & Sommer AG, Stuttgart, fest.

Für einige Unternehmen hat Arbeitsplatzmanagement inzwischen strategische Bedeutung, denn nach bisherigen Erfahrungen sind allein durch Flächenoptimierung bis zu 25 Prozent Kosteneinsparung möglich. Wird zudem die Belegung der Flächen an die Arbeitsprozesse angepasst, lassen sich weitere Kosten sparen. "Das Organigramm beeinflusst die Gebäudenutzung", betont Sven Wingerter, Geschäftsführer der Eurocres Consulting GmbH. "In der Krise ist die Akzeptanz, Arbeitsprozesse effizienter zu organisieren und Flächen zu reduzieren, größer als in wirtschaftlich guten Zeiten", ergänzt er.

Insgesamt war die Stimmung unter den Besuchern und Ausstellern der 13. Expo Real erheblich besser als in den beiden vorangegangenen Jahren. Die Marktindikatoren zeigen in eine positive Richtung. Allerdings sind fast ausschließlich Core-Immobilien gefragt. Da diese rar sind, gewinnen Objekte in weniger guten Lagen und Immobilien mit Modernisierungsbedarf für Investoren an Attraktivität. Kapital und Finanzierungen sind reichlich vorhanden. Auch an Lösungen zur besseren Positionierung der Flächen im Markt mangelt es nicht. Limitierender Faktor sind vielmehr die Mieter. Ihre Anforderungen an die Immobilie sind deutlich gestiegen und sie verändern sich weiter. Vermietung muss deshalb künftig mehr sein, als nur das Bereitstellen von Räumen und Technik. Die Entwicklung der Immobilienwirtschaft hin zu mehr Professionalität und Arbeitsteilung verspricht spannend zu bleiben - wie die Expo Real deutlich machte.

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