Leitartikel

Gabriels Experten

Strahlender Sonnenschein für den Bund, dicke Wolken und heftiger Regen dafür für Gemeinden und Bundesländer. So ähnlich unberechenbar wie das Wetter in diesem Spätsommer daherkommt, ist es auch um die Einnahmen der Körperschaften bestellt. Deutschland erzielte mit insgesamt 16,1 Milliarden Euro den höchsten Überschuss in der ersten Jahreshälfte seit der Wiedervereinigung. Die Einnahmen des Staates erhöhten sich um 3,4 Prozent auf 636,9 Milliarden Euro, die Ausgaben dagegen nur um 2,5 Prozent auf 620,8 Milliarden Euro. Die wichtigste Geldquelle bleiben die Steuern, die mit 329,5 Milliarden Euro gut die Hälfte der gesamten Einnahmen ausmachen. Überdurchschnittliche Zuwächse gab es mit 5,0 Prozent bei der Lohnsteuer und mit 8,3 Prozent bei der Einkommenssteuer - der außerordentlich guten Beschäftigungslage sei Dank. Doch die Verteilung der Einnahmen sorgt nicht überall für Freude gleichermaßen. Während der Bundeshaushalt mit 4,0 Milliarden Euro ebenfalls erstmals seit 1991 einen Überschuss erzielte, weisen die Bundesländer im Gegensatz dazu ein Defizit von 0,2 Milliarden Euro aus. Im Vorjahr stand hier noch ein schönes Plus von 1,3 Milliarden Euro zu Buche. Noch härter traf es die Gemeinden: Deren Überschuss fiel auf 5,3 Milliarden Euro und damit gleich um knapp eine Milliarde Euro niedriger aus als im ersten Halbjahr des Vorjahres. Da auch der Bund die erzielten Überschüsse mit Blick auf die drohende Konjunktureintrübung einerseits und das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts im laufenden Jahr und keinerlei Neuverschuldung 2015 andererseits eher zur Schuldentilgung einsetzen wird, steht es um die Staatsinvestitionen weiter schlecht.

Bereits im Frühjahr räumte das Bundesfinanzministerium ein, dass die deutsche Investitionsquote bezogen auf die Bruttoanlageinvestitionen im internationalen Vergleich über eine Dekade lang unter dem Niveau vergleichbarer Industrieländer lag, wobei sich die Differenz auf rund einen Prozentpunkt im Jahr 2012 reduzierte. Im gesamten Untersuchungszeitraum betrug die Bruttoinvestitionsquote des übrigen Euroraums 20,7 Prozent (Deutschland: 19,1 Prozent). Allerdings klafft zwischen den öffentlichen Investitionen in Deutschland und denen vergleichbarer Volkswirtschaften eine ungleich größere Lücke. Über die vergangenen 18 Jahre erreichte die deutsche staatliche Bruttoinvestitionsquote im Mittel 1,7 Prozent und sank 2012 auf den Wert von 1,5 Prozent ab. Das soll sich ändern, zumindest nach den Vorstellungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Dieser will als Reaktion auf die beklagte Investitionsschwäche die alte Idee der PPP oder ÖPP neu beleben und so private Investitionen in die Infrastruktur beschleunigen. Ziel der Bundesregierung sei es, eine Investitionsquote oberhalb des Durchschnitts der OECD-Staaten zu erreichen. Das ist ambitioniert: Denn Bund, Ländern und Gemeinden fehlen nach Expertenschätzungen jährlich rund sieben Milliarden Euro, allein um nur die dringlichsten Aufgaben abzuarbeiten. Ein echtes Expertengremium unter dem Vorsitz des DIW-Chefs Marcel Fratzscher unter anderem mit Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen, dem Ergo-Vorstandsvorsitzenden Torsten Oletzky und dem Allianz-Vorstand Helga Jung soll dem Minister hierbei beratend zur Seite stehen.

Ob es diesen Investitionsfinanzierungsspezialisten gelingen wird, die vielen Hürden, die PPP-Projekte in der Vergangenheit ausgezeichnet haben, auszumerzen? Da ist die furchtbar lange Planungszeit zu nennen. Allein die Vorbereitungen für den Ausbau der A7 nördlich von Hamburg - Pilotprojekt für die neue Art der Öffentlich-Privaten Partnerschaften - hat rund zwölf Jahre gedauert. Dann gibt es für Bund, Länder und Gemeinden auch keinen wirklichen Kostenvorteil durch die Beteiligung privaten Kapitals. Das hat zumindest der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt festgestellt. Auch die Befriedigung der Renditeerwartung privater Investoren über den langen Zeitraum von 20 und mehr Jahren üblicher Betriebsdauer von Autobahnen ist sicherlich nicht leicht. Wer trägt Folgeinvestitionen für Ausbesserungsarbeiten - der Investor oder doch wieder der Steuerzahler? Und wie es um die Planungsgenauigkeit öffentliche Projekte bestellt ist, zeigen nicht zuletzt BER und Elbphilharmonie. Kann da private Expertise wirklich helfen? Laut Bundesrechnungshof nein, denn fünf der sechs bislang realisierten Autobahn-PPP-Projekte sind teurer geworden als geplant. Doch gibt es eine Alternative? Der Staat kann und will die Investitionen allein nicht tätigen. Also muss richtigerweise nach neuen Wegen gesucht werden. Man wird abwarten müssen, was dieser Initiative alles einfällt. Alter Wein in neuen Schläuchen reicht nicht aus.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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