Im Blickfeld

Hypo Real Estate verspielt Vertrauen

Überraschungen, zumal wenn sie schlecht sind, mag die Börse gar nicht leiden. Ist die allgemeine Lage in der internationalen Kreditwirtschaft zudem noch so angespannt, wie sie sich derzeit darstellt, reagieren Anleger und Analysten ohnehin sehr unwirsch, wenn ihnen Unerwartetes zugemutet wird. Dabei erschrecken die Abschreibungen und Verluste in Milliardenhöhe, wie sie aktuell von großen Investmentbanken verkündet werden, dank sensibler Investor-Relations-Arbeit kaum noch, weil sie antizipiert und in den Aktienkursen entsprechend eingepreist wurden. Da würden 390 Millionen Euro Abschreibungen auf ein 1,5 Milliarden Euro schweres Portfolio von Collateralized Debt Obligations (CDO), wie sie die Hypo Real Estate (HRE) jetzt einräumen musste, eher als Kleinigkeit erscheinen.

Vermeidbare Verunsicherung und überzogene Reaktion

Dass der HRE-Vorstandsvorsitzende Georg Funke und seine Kollegen im Vorfeld keinerlei Andeutungen zum möglichen Korrekturbedarf machten, zeugt zumindest von mangelnder Sensibilität in der Kapitalmarktkommunikation. Oder hatte man tatsächlich gehofft, es gelingt in München, was andernorts schon längst nicht mehr funktioniert: Verluste unterhalb der Wahrnehmungsschwelle über viele Jahre in der Bilanz zu verstecken?

Angesichts der Höhe der getroffenen Abschirmung sind die Panikverkäufe der Anleger zweifellos übertrieben und schaden den Aktionären mehr als der Bank. Der Kursverfall von 33,63 Euro (14. Januar 2008) um mehr als 35 Prozent auf bis zu 20,95 Euro (15. Januar 2008) ist bei einem Dax-Wert - der ohnehin erhöhte Aufmerksamkeit genießt - kein Pappenstiel. Vernichtet wurden aber nicht nur zwei Milliarden Euro Börsenwert, viel schlimmer ist der fast beispiellose Vertrauensverlust.

Dabei hatte es der zweitgrößte europäische Immobilienfinanzierer seit der vollständigen Abspaltung von der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank im Jahr 2003 verstanden, beachtliches Ansehen zu erwerben, obwohl die Startbedingungen und die Erwartungen des Marktes damals alles andere als günstig waren.

Dass die Bank eine ansehnliche Kursentwicklung generierte - von 12,40 Euro bis 57,30 Euro in der Spitze - war auch Verdienst einer offenen und transparenten Kommunikationspolitik. "Wir lassen die Hosen runter" ist einer der schnodderigen bayerischen Sprüche, mit denen die Münchener ihre Investor-Relations-Aktivitäten gerne selbst beschrieben. Umso schmerzlicher ist nun zu sehen, wie jahrelange "vertrauensbildende Maßnahmen" in einem Augenblick konterkariert werden können.

Dabei hätten es die Aktionäre, Analysten und Journalisten vielleicht ahnen können. Denn der HRE-Chef ist ein Mann der schnellen Tat, was nicht heißt, dass er unüberlegt handelt. Aber er will Störendes rasch beseitigt wissen, dafür nimmt er auch etwas Lärm und Aufregung in Kauf. Ob die Auslagerung nicht strategiekonformer privater Baufinanzierungen, der Verkauf notleidender Kredite oder die Übernahme des Staatsfinanzierers Depfa - Funke beherrscht das Spiel, erst dann zu publizieren, wenn er schon gehandelt hat. So ist es aber leider auch diesmal. Vage Vorankündigungen eines möglichen Korrekturbedarfs sind nicht sein Ding. Er spricht klare Worte. Nur, was bisher so schön glückte, versagt jetzt.

Missverständliche Signale an den Markt

Dass noch kurz vorher verkündet wurde, es gäbe keine Subprime-Betroffenheit in der HRE, und dann doch "überraschend" Abschreibungen eingestanden werden, ruft erwartungsgemäß Anwälte auf den Plan, die mit Scha-denersatz-Prozessen wütender Aktionäre auf ihre Weise verdienen wollen. Zur Beruhigung der Gemüter trägt allerdings die Tatsache, dass der Vorstand während des Kurssturzes HRE-Aktien in großer Zahl orderte, nur bedingt bei.

Zwar mag die Konzernführung damit ausdrücken, wie zuversichtlich sie an die Werthaltigkeit und Perspektive des Unternehmens glaubt, doch haben solche Transaktionen einen vielleicht unberechtigten, aber dennoch unangenehmen Beigeschmack. Selbsternannte Anlegerschützer werden auch dies auf ihre Weise auslegen und prüfen lassen. Die Zeit und Mühe, die es kosten wird, das Vertrauen der Anleger und Analysten zurückzugewinnen, hätte sich die Bank sich und der Börse ersparen können. (Red.)

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