Schwerpunkt: Pfandbriefe und Pfandbriefbanken 2012

Knappes Gut Pfandbrief

Wer als langweilig gilt, muss auf sich aufmerksam machen. Das ist heute nicht anders als in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals eilte Pfandbriefen der Ruf voraus, solide, aber eben auch farblos zu sein. Um diesem Eindruck entgegenzutreten, ersannen kreative Marketingköpfe ein Huhn, das goldene Eier legte. In Anzeigen und Werbespots setzten Geldinstitute das Wunderhuhn ein und buhlten damit um Investoren. Diese sollten ihr Geld langfristig zu Zinsen zwischen fünf und sieben Prozent in Pfandbriefen und Kommunalobligationen anlegen. Eine Marketingmaßnahme, die Erfolg hatte.

Pfandbrief als Krisengewinner

Heute ist die Situation eine ganz andere: Zinsen oberhalb von fünf Prozent sind derzeit undenkbar. Zehnjährige Pfandbriefe werfen gerade einmal noch etwas mehr als zwei Prozent Rendite ab. Dennoch sind Pfandbriefe heute so begehrt wie nie. In Zeiten, in denen sich Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise aneinanderreihen, suchen Investoren in erster Linie Anlagemöglichkeiten, die Sicherheit versprechen. Staatsanleihen waren in der Vergangenheit der Prototyp einer sicheren Anlage. Spätestens seit dem Schuldenschnitt in Griechenland in diesem Jahr wissen Investoren aber: Selbst europäische Staatsanleihen bieten keine hundertprozentige Sicherheit mehr. Der Investorenfokus verlagert sich auf Staaten wie Deutschland, dessen Wirtschaftskraft und Finanzstärke weit über die Grenzen des europäischen Kontinents Anerkennung finden. Je länger die Krise andauert, desto mehr verfestigt Deutschland seinen Status als sicherer Hafen.

Die Flight-to-Quality-Mentalität hat ihren Preis: Zehnjährige Bundesanleihen bieten derzeit gerade einmal noch 1,3 Prozent Zinsen. Angesichts dieses historischen Renditetiefs suchen viele langfristig orientierte und über hohe Liquiditätsbestände verfügende Investoren nach Anlagealternativen. Versicherungsunternehmen, Fonds und Banken werden beim Pfandbrief fündig. Dieser bietet Investoren nicht nur eine höhere Rendite und wird - sofern im Benchmark-Format begeben - gemäß Basel III als liquides Asset anerkannt, sondern steht der Staatsanleihe auch in puncto Sicherheit in nichts nach. Da die emittierende Bank Zins und Tilgung garantiert und Anleger im Notfall Zugriff auf den qualitativ hochwertigen Deckungsstock haben, verfügt der Pfandbrief über Netz und doppelten Boden. Ein Anlageprodukt, mit dem Investoren noch nie Geld verloren haben.

Jenseits des Sicherheitsaspekts zeichnet sich der Pfandbrief durch seine Stabilität aus. Insbesondere in den vergangenen Krisenjahren hat sich seine hohe Wertbeständigkeit gezeigt. Europaweit sind die Renditeaufschläge für Pfandbriefe am geringsten und engen sich aktuell sogar noch weiter ein (vergleiche Abbildung). Für Emittenten stellen Pfandbriefe somit eine vergleichsweise günstige Refinanzierungsquelle dar.

International können am ehesten noch die skandinavischen Covered Bonds mit der positiven Entwicklung der Pfandbriefe mithalten. Andere Staaten, die Ende des vergangenen Jahrhunderts dem erfolgreichen Beispiel Deutschlands folgten und ähnliche Covered-Bond-Programme gestartet haben, hinken hinterher. Denn viele dieser Covered Bonds reichen in ihrer Ausstattung bei weitem nicht an das Original heran - beispielsweise bei der Transparenz: Gemäß §28 PfandBG ist jede Pfandbriefbank verpflichtet, vierteljährlich detaillierte Informationen über ihre Pfandbriefe und deren Deckungsstöcke zu veröffentlichen. Seit Anfang dieses Jahres gibt der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) zudem börsentäglich die Spreads für sämtliche deutschen Jumbo-Pfandbriefe bekannt, die eine Restlaufzeit von mehr als zwei Jahren haben.

Für 2013 ist sogar noch eine Ausweitung der Transparenz vorgesehen, unter anderem hinsichtlich der Offenlegung der Zins- und Währungsrisiken und der Unterteilung der weiteren Deckungswerte. Solche freiwilligen Dienstleistungen sind es, die Investoren goutieren und die die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Pfandbriefs weiter stärken. Schließlich vergrößern solch neue Qualitätsmaßstäbe noch einmal den Vorsprung auf andere Covered Bonds.

Sinkender Umlauf, weniger Neuemissionen

Die diversen Vorzüge berücksichtigend, die Pfandbriefe für Investoren und Emittenten gleichermaßen bieten, ist das starke Interesse an dieser Anlageform nicht überraschend. Überraschend ist vielmehr, dass das Angebot an Pfandbriefen schon seit längerem nicht mehr mit der Nachfrage mithalten kann. Pfandbriefe sind - wer hätte das vor einigen Jahren gedacht - zu einem knappen Gut geworden, wie die Statistik zeigt. Laut vdp stehen für das Jahr 2012 Pfandbrief-Fälligkeiten in einem Volumen von rund 97 Milliarden Euro an. Die für dieses Jahr geplanten Neuemissionen belaufen sich allerdings schätzungsweise auf nur rund 72 Milliarden Euro - und das dürfte schon eine optimistische Prognose sein. Das Pfandbriefvolumen schrumpft dieses Jahr also voraussichtlich um mindestens 25 Milliarden Euro. Damit würde sich 2012 der Trend des Vorjahres fortsetzen: Nach 640 Milliarden Euro im Jahr 2010 verringerte sich das Pfandbriefvolumen 2011 auf 586 Milliarden Euro. Die Neuemissionen gingen im selben Zeitraum von 87 auf 73 Milliarden Euro zurück.

Die Knappheit ist neu: Früher wurden Jahr für Jahr mehr Pfandbriefe emittiert, die Emissionsvolumina wurden kontinuierlich größer. Durch Finanz-, Wirtschafts- und nicht zuletzt durch die europäische Staatsschuldenkrise hat sich das Umfeld aber gewandelt: Das Investorenvertrauen in einige Staaten ist sukzessive gesunken. Nur durch zum Teil kräftige Renditeaufschläge lassen sich einige Staatsanleihen am Kapitalmarkt noch absetzen. Von dieser Entwicklung kann sich auch der europäische Covered-Bond-Markt nicht lossagen. Seit Jahresbeginn sind in Europa Covered Bonds in einem Volumen von nur 126,5 Milliarden US-Dollar emittiert worden - ein Einbruch um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Finnland, Österreich, Großbritannien und Deutschland, die zu den aktivsten Bond-Emittenten dieses Jahres zählen, ist es zu verdanken, dass der Einbruch nicht noch höher ausfällt.

Die europäische Staatsschuldenkrise wirkt sich auch auf den deutschen Pfandbriefmarkt deutlich aus. Im Zuge der Anpassung der Geschäftsmodelle einiger Kreditinstitute, die ihr Staats- und Kommunalkreditgeschäft zurückfahren, verliert der Öffentliche Pfandbrief mehr und mehr an Bedeutung. Während Ende 2010 noch 64,4 Prozent der im Umlauf befindlichen deutschen Covered Bonds Öffentliche Pfandbriefe gewesen waren, belief sich der Anteil Ende 2011 nur noch auf 60,7 Prozent. Dieser wird sich in diesem Jahr noch weiter reduzieren - vermutlich auf höchstens noch 58 Prozent. Belastend für den Öffentlichen Pfandbrief wirkt auch, dass sich neue aufsichtsrechtliche Anforderungen wie die Leverage Ratio nur bedingt mit der Finanzierung öffentlicher Haushalte vertragen.

Parallel zum Bedeutungsverlust der Öffentlichen Pfandbriefe gewinnt der Hypothekenpfandbrief stetig an Gewicht dazu. Laut vdp wird sich sein Anteil am gesamten Pfandbriefumlauf Ende dieses Jahres gegenüber dem Jahresende 2010 von 34,4 Prozent auf voraussichtlich 41 Prozent erhöht haben. Tendenz: weiter steigend. Soweit die relative Betrachtung. Absolut gesehen zeichnet sich aber nur eine marginale Ausweitung des Emissionsvolumens bei Hypothekenpfandbriefen ab: In den vergangenen zwei Jahren hat sich dessen Umlauf lediglich um jeweils rund zwei Prozent erhöht. Viel größere Wachstumsraten sind auch in Zukunft nicht zu erwarten, bedingt durch die eingeschränkte Deckungsmasse. Mehr Hypothekenpfandbriefe sind nur dann zu begeben, wenn von den Pfandbriefbanken deutlich mehr Immobiliengeschäft getätigt werden würde.

Unaufhaltsames Schrumpfen

Alternativ käme der Markteintritt neuer Banken mit Pfandbriefbanklizenz in Betracht. Besonders für den Sparkassensektor ist die Emission von Hypothekenpfandbriefen eine vielversprechende Option, verfügen sie in der Regel doch über recht große und werthaltige Immobilienfinanzierungsportfolios. Bereits heute treten einige der größeren Sparkassen als Emittenten auf, weitere erkunden den Markt.

Das aktuell günstige Umfeld hierzulande wird zudem ausländische Banken motivieren, dem Beispiel der französischen Investmentbank Natixis zu folgen und über deutsche Tochtergesellschaften eigene Pfandbriefprogramme zu starten. Auch auf diese Weise unterstreicht der Pfandbrief seine Stellung als absolute Benchmark am Covered-Bond-Markt.

Die neuen Emittenten werden den Schrumpfungsprozess des Pfandbriefmarktes allerdings nur eindämmen können, nicht aufhalten. Öffentliche Pfandbriefe werden weiterhin deutlich mehr fällig als neu emittiert werden, was durch Hypothekenpfandbriefe nur bedingt kompensiert werden kann. Netto wird sich der Pfandbriefumlauf folglich weiter reduzieren, sodass davon auszugehen ist, dass sich am aktuellen Zustand wenig ändern wird: Die Nachfrage nach Pfandbriefen wird auch in den nächsten Jahren oberhalb des Angebots liegen. Mit der Folge, dass sich nach der reinen Lehre Pfandbriefe weiter verteuern und die Spreads damit weiterhin auf niedrigem Niveau bewegen würden.

Die höhere Nachfrage und die Tatsache, dass nach den Rating-Aktionen der jüngeren Vergangenheit immer weniger Pfandbriefe ein Triple-A-Rating aufweisen, wirken sich auch auf die Anforderungen der Investoren aus. Diese registrieren, dass sich die Kapitalmärkte in einem Umbruch befinden und Rating-Bestnoten zukünftig wohl nicht mehr der alleinige Standard für hochwertige Investments sein werden. Eine transparente Geschäfts- und Kommunikationspolitik, wie sie von Pfandbriefbanken per se betrieben wird, wird vielmehr weiter an Relevanz gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Erfolg der jüngsten Pfandbrief-Emission der Deutschen Hypo zu sehen. Erstmals mit einem Rating unterhalb der Bestnote ausgestattet, gingen innerhalb kürzester Zeit nach Öffnung des Orderbuches Kaufaufträge im Wert von weit mehr als den angestrebten 500 Millionen Euro ein - und das zu einem attraktiven Renditeaufschlag von neun Basispunkten zur Swap-Mitte.

Haben Investoren Vertrauen in einen Emittenten, lassen sich Pfandbriefe also auch ohne Top-Rating erfolgreich begeben. Aufwendige Marketing-Aktionen wie damals in den sechziger und siebziger Jahren müssen dafür nicht initiiert werden. Pfandbriefe gelten schließlich schon lange nicht mehr als farblos. Sie sind en vogue. Mehr denn je.

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