Wettbewerbsfaktor Prozessgestaltung

Nah am Kunden - Mietmanagement in einem großen Wohnungsunternehmen

Die Wohnungsvermietung ist ein lokales Geschäft, lautet ein Dogma der Immobilienwirtschaft, denn anders sei die Nähe zu den Kunden nicht gewährleistet. So hielt auch die Deutsche Annington lange Zeit regionale und lokale Strukturen vor, die sie jetzt jedoch zugunsten eines funktionalen Modells aufgab. Dabei sind Verwaltungsprozesse wie zum Beispiel die Mietabrechnung und das Mietinkasso gebündelt worden und ein zentrales Servicecenter nimmt die Kundenanfragen entgegen, um sie direkt an die zuständigen Abteilungen weiterzuleiten. So wurden interne Prozesse effizienter gestaltet und gleichzeitig der Service für die Mieter verbessert - auch ohne lokale Präsenz -, sind die Autoren überzeugt. (Red.)Mehr Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie effiziente Prozesse und detaillierte Kostenkontrolle - geht das zusammen? Was zunächst wie die Quadratur des Kreises klingt, waren die Hauptziele der Deutschen Annington als sie vor zwei Jahren ihre komplette Organisation und damit auch das Mietmanagement umbaute. Dieser Umbau bedurfte einer genauen Definition der einzelnen Prozesse und Arbeitsschritte. Das Herzstück der neu entstandenen Struktur ist ein zentrales Kundencenter, in dem alle Kundenanliegen von der Anmietung oder dem Kauf einer Wohnung, über Vertragsfragen bis hin zu Reparaturmeldungen bearbeitet werden. Dem Kundencenter ist ein Servicecenter angegliedert, das sich auf die Vielzahl täglich anfallender Prozesse rund um die Bewirtschaftung kümmert, zum Beispiel Mieterverwaltung, Mieterabrechnung und Mietinkasso. Diese verschiedenen Einheiten sind klar voneinander abgegrenzt. Der Weg von einem regionalen zu einem funktionalen Modell Die Wohnungsbestände der Deutschen Annington verteilen sich auf über 610 Standorte in ganz Deutschland. In ihrem größten Ballungsgebiet Nordrhein-Westfalen verwaltet das Unternehmen mehr als 100000 Wohneinheiten. Vor der Neuorganisation der Prozesse existierte ein regional organisiertes Verwaltungsmodell. Die Standorte wurden von Ansprechpartnern vor Ort betreut. Problematisch war hierbei, dass sich starke Unterschiede im Kundenservice ergaben, die wiederum Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hatten. Auch die Auslastung der einzelnen Mitarbeiter konnte nicht optimal gesteuert werden. Seit der Einführung des funktionalen Modells ist es der Deutschen Annington gelungen, die Prozesse zu vereinheitlichen und die Qualität der Leistung zu verbessern. Wie sehen diese Prozesse konkret aus? Das lässt sich am besten am Beispiel einer Mieterin verdeutlichen, nennen wir sie Olivia Dräger. Bei der Deutschen Annington wurden im vergangenen Jahr rund 1,8 Millionen Rechnungsbelege verarbeitet, einige davon fließen auch in die Nebenkostenabrechnung von Frau Dräger ein. Die Mieterin bekam im Oktober 2010 eine Nebenkostenabrechnung mit der Bitte um fristgerechte Zahlung. Diese Rechnung basiert auf Eingangsrechnungen, die bei einem externen Dienstleister digitalisiert und verarbeitet wurden. Der Vorteil dieses externen Dienstleisters: Komplettservice im Bereich der Eingangsrechnungen, da hier alle Prozessschritte von der Vorsortierung über die sachliche und rechnerische Prüfung bis hin zur Buchung der Rechnung abgedeckt werden. In der Poststelle des Dienstleisters werden zunächst alle Eingangsrechnungen den rechtlichen Anforderungen entsprechend digitalisiert. Diese Eingangsrechnungen werden im nächsten Schritt über einen elektronischen Prozess in den Bereich der Nebenkosten gesteuert. In der Nebenkostenabrechnung werden nachfolgend die einzelnen Rechnungen nach entsprechenden Kriterien geschlüsselt und schließlich auf die einzelnen Abrechnungseinheiten verteilt. Dabei wird mit Hilfe von IT-Programmen wie der Unternehmenssoftware von SAP gearbeitet. Auf diese Art und Weise wurde auch die Rechnung für Olivia Dräger verarbeitet und schließlich über einen Druckdienstleister an sie übermittelt. In den allermeisten Fällen endet dieser Prozess mit der Verbuchung und Zahlung. Da die Beispielmieterin Frau Dräger aber mit der im Oktober ausgewiesenen Leistungshöhe nicht einverstanden war, schrieb sie einen Brief an die Deutsche Annington. Ihr Anliegen wurde sodann in der Einspruchsbearbeitung, einem Bereich des internen Kundenservices, geprüft und beantwortet. Aus der ausführlichen Prüfung ergab sich, dass die Leistung in dem ausgewiesenen Umfang getätigt wurde und der Zahlungsanspruch unsererseits besteht. Darüber wurde die Mieterin Dräger schriftlich informiert. Frau Dräger verweigerte dennoch weiterhin die Zahlung, weshalb sie über das Forderungsmanagement im Folgemonat eine Mahnung erhielt. Das Forderungsmanagement beziehungsweise Mietinkasso ist im Übrigen sowohl für nicht bezahlte Betriebskostenrechnungen als auch für nicht bezahlte Mieten zuständig. Die Abteilung kümmert sich um die Abwicklung des Schriftverkehrs und die Nachhaltung offener Posten, für den gerichtlichen Mahn- und Klageprozess zusammen mit einem externen Partner. Die Ausgliederung ausgewählter Bestandskundenmanagementprozesse bietet sowohl Kosten- als auch Zeitvorteile. Die ersparte Zeit ermöglicht es uns, uns um das Kerngeschäft zu kümmern: die Bewirtschaftung von Wohnungen und die Betreuung der Kunden. Mit der Beauftragung eines spezialisierten Dienstleisters werden darüber hinaus die Anschaffungskosten für die erforderlichen Geräte und Programme vermieden und wiederkehrende Wartungskosten und -arbeiten umgangen. Vorteile der Neuorganisation für Kunden und Unternehmen Was hat die Neuorganisation der Prozesse gebracht? Mit dem neuen Kundencenter und dem angegliederten Servicecenter sind die Abläufe jetzt wesentlich transparenter und die Zuständigkeitsverteilung der Mitarbeiter klarer definiert. Davon profitieren Mieter und Unternehmen gleichermaßen: Mieterin Olivia Dräger trifft auf Ansprechpartner, die sich um ihre Anliegen kümmern und auf einheitlichem Niveau ausgebildet sind. Die Kundennähe und Flexibilität wurden erhöht, da das Kundencenter im Vergleich zum vormaligen Modell länger, stabiler und mit einer einheitlichen Telefonnummer für die Kunden erreichbar ist. Das Unternehmen profitiert von der optimierten Prozessgestaltung, zum Beispiel durch die bessere Steuerung der Abläufe oder eine effizientere Kostenkontrolle. Mit dem modernen Kundencenter ist die Deutsche Annington inzwischen in der Lage, täglich rund 3 400 Anrufe entgegenzunehmen. Darüber hinaus erreichen das Unternehmen etwa 2 400 Anliegen von Kunden per Fax, E-Mail oder über das neue Internet-Kundenportal. Die telefonische Erreichbarkeit liegt durchschnittlich über 80 Prozent bei einer Wartezeit von bis zu zwei Minuten. Rund 85 Prozent der telefonischen Anfragen werden sofort beantwortet beziehungsweise unmittelbar geeignete Maßnahmen eingeleitet. Das Kundencenter ist an sechs Tagen in der Woche insgesamt 54 Stunden erreichbar, der Reparaturservice für Notfälle sogar täglich rund um die Uhr. Abgesehen davon können die Kunden ihren Vermieter jederzeit über das Internetportal erreichen. Die Deutsche Annington ist heute schneller und besser in der Bearbeitung. Wurden 2009 noch weniger als 20 Prozent aller eingehenden Anfragen beziehungsweise Aufträge innerhalb der ersten drei Tage bearbeitet, so konnte dieser Wert 2010 auf 40 Prozent ausgebaut werden. Das ist doppelt soviel wie vor der Neuorganisation. Anfragen, die nicht von Kundencenter-Mitarbeitern erledigt werden können, gehen direkt an die Außendienstmitarbeiter. Sie nehmen bundesweit pro Tag an rund 610 Standorten bis zu 1 100 Termine wahr. Dennoch gibt es einige Punkte innerhalb der Prozesskette, an denen das Optimierungspotenzial noch nicht voll ausgeschöpft ist. Ein Beispiel aus der Praxis des Servicecenters: Die Deutsche Annington bekommt eine Rechnung von der Stadt, die mehrere Positionen wie Grundsteuer, Müllgebühr und Abwassergebühr enthält. Die Schwierigkeit an dieser Stelle ist, dass die Rechnung manuell nachbearbeitet werden muss. Da die Deutsche Annington mit den Städten eine Vereinbarung über Lastschrifteinzugsverfahren hat, wird die Rechnung sofort bezahlt. Die Positionen selbst werden aber erst später aufbereitet. Dieses Vorgehen ist zeitaufwendig und zugleich mit Risiko behaftet. Aus diesem Grund ist die Deutsche Annington daran interessiert, bereits am Eingangskanal für mehr Transparenz zu sorgen, um sicherzustellen, dass Buchungen korrekt erfolgen. Deshalb werden nun sukzessive die nicht nutzbringenden Lastschrifteinzugsverfahren gekündigt. Darüber hinaus werden in Städten mit hohem Umbuchungsvolumen Vereinbarungen getroffen, dass Rechnungen exakt verarbeitet werden können. Das hat auch Vorteile für die Städte: Weniger Rückfragen in den Ämtern, weniger Schriftwechsel und eine schnellere Verbuchung. Die Deutsche Annington sieht beim Rechnungseingang und in anderen Bereichen Potenzial, ihre Prozesskette nachhaltig zu verbessern und für optimale Versorgungsqualität der Kunden zu sorgen. Daher wird die Leistungsfähigkeit der Prozesse mit Hilfe von festgelegten Indikatoren regelmäßig gemessen und bewertet. Daraus werden sich auch in Zukunft weitere Verbesserungsmaßnahmen ergeben - im Interesse von Olivia Dräger und den rund 450 000 anderen Kunden.

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