Leitartikel

Neue Freiheiten - neue Gefahren?

Lange hat sie klagen müssen - die Fonds-Branche. Die aufsichtsrechtlichen Regeln seien zu eng, um im Wettbewerb mit deutlich freizügigeren Standorten wie Luxemburg oder Dublin und mit Konkurrenzprodukten wie beispielsweise REITs mithalten zu können. Damit ist seit diesem Frühjahr Schluss. Denn mit der Novelle des Investmentgesetzes werden den Publikums- und vor allem Spezialfonds viele Freiheiten eingeräumt. Nun sind beispielsweise Beteiligungen an mehrstöckigen Grundstücksgesellschaften zulässig, das heißt, die Immobilie muss nicht mehr von der Gesellschaft direkt gehalten werden, sondern kann sich auch bei einer Tochter oder gar Enkelin befinden. Dann dürfen künftig unbegrenzt viele Anleger in einen Spezialfonds investieren, sofern nicht der generell höhere Individualisierungsgrad sowie die durch einen kräftig erhöhten Kommunikations- und Abstimmungsbedarf steigenden Kosten samt einhergehender Renditeschmälerung für eine natürliche Begrenzung sorgen. Schließlich wurde auch der Typenzwang aufgehoben. Damit können in einem Spezialfonds künftig Immobilienanlagen mit weiteren, nach dem Investmentgesetz zugelassenen Assetklassen gemischt werden, beispielsweise Wertpapiere wie Immobilienderivate oder Verbriefungen. Den geneigten Chronisten erfüllt es jedoch ein klein wenig mit Sorge, wenn er sich Fondsmanager als Generalisten vorstellt, der von allem ein bisschen, aber nur von einem bisschen wirklich alles weiß. Es mag trösten, dass es all diese Vorschriften eigentlich gar nicht braucht, denn, so das neue Gesetz, sollten die Anleger dem zustimmen, können die Spezialfonds von diesen Vorschriften beliebig abweichen.

Ob das hilft, die Immobilien-(Spezial-)Fonds aus dem Tal der Tränen, in das sie 2006 hineingefallen sind, herauszuführen? Es scheint so: Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres verzeichneten die Immobilien-Spezialfonds Mittelzuflüsse von 800 Millionen Euro verglichen mit 120 Millionen Euro des gleichen Vorjahreszeitraumes. Und das obwohl ein Fonds mit einem Volumen von 550 Millionen Euro und entsprechenden Mittelabflüssen im März geschlossen wurde. Das Fondsvolumen erhöhte sich per Ende Juni auf 21,7 Milliarden Euro, 0,5 Milliarden mehr als Ende 2007 und 1,3 Milliarden über dem Stand von Ende 2006. Das Gesamtjahr 2007 war für die Immobilien-Spezialfonds dennoch alles andere als ein Erfolg. Von der Erholung - wie sie bei den Offenen Immobilienfonds nach dem "Katastrophenjahr" 2006 zu beobachten war - konnte keine Rede sein. Die Nettomittelzuflüsse sanken mit 751 Millionen Euro auf nur noch ein Viertel des Vorjahreswertes. So weit die zentralen Ergebnisse der traditionell von der Redaktion veröffentlichten "Kandlbinder-Studie", die von diesem Jahr an als "BVI-Studie Institutionelles Asset Management" der zentrale Branchenüberblick sein wird.

Doch wie geht es weiter? Laut einer Untersuchung von Feri Research wollen 80 Prozent der institutionellen Anleger den Immobilienanteil an ihren Anlagen deutlich ausweiten. Das mag vor allem damit zusammenhängen, dass in Zeiten unsicherer Aktien- und Anleihemärkte die "Zeit für stabile Werte" wieder gegeben ist. Das mag aber auch seinen Grund darin haben, dass immer mehr institutionelle Anleger die Vorteile der indirekt gehaltenen Immobilienanlage zu schätzen gelernt haben. So erhöhte sich der Anteil der Immobilien-Spezialfonds und -Publikumsfonds an den ausgewiesenen Immobilienanlagen im vergangenen Jahr von 32 auf 34 Prozent. Jüngstes Beispiel: Die Hypovereinsbank sucht offensichtlich nach einem Käufer für ihre rund 200 bislang selbstgehaltenen Bank- und Filialgebäude, um sie anschließend zurückzumieten. Die Immo-bilien-Spezialfonds profitieren aber auch vom gegenwärtigen Umfeld. Zum einen haben sie als konservative, langfristige und eigenkapitalstarke Investoren auch in der Finanzkrise weiterhin Zugang zu Fremdkapital. Zum anderen ist eine Normalisierung der Preise aufgrund des nachlassenden Käuferwettbewerbs bedingt durch das Fernbleiben finanzkräftiger und kaufsüchtiger Kapitalsammelstellen und Finanzinvestoren - festzustellen. Die Folge: Die Zahl und die Bedeutung neuer Anbieter wird zunehmen. Im vergangenen Jahr gingen mit der Patrizia Immobilien KAG, Morgan Stanley Real Estate Investment und der SEB Asian Property Funds gleich drei neue Gesellschaften mit Spezialfonds ins Rennen. Und das durchaus mit Erfolg: Die Patricia sammelte im ersten Geschäftsjahr 18 Millionen Euro ein, SEB 174 Millionen und Morgan Stanley bis Mitte dieses Jahres gar 194 Millionen Euro.

Und der Wettbewerb? Luxemburg wird - trotz des neuen deutschen Investmentgesetzes - weiterhin das Maß aller Dinge bleiben. Doch zumindest die befürchtete Konkurrenz durch REITs ist bislang ausgeblieben und wird dies auch weiterhin tun. Die beiden bislang einzigen deutschen REITs vereinen zurzeit ein Volumen von 700 Millionen Euro auf sich. Wahrlich überschaubar im Vergleich zu mehr als 21 Milliarden Euro in mehr als 110 Immobilien-Spezialfonds, und das trotz der Steuervorteile durch die verminderte Exit Tax. Die REITs leiden zum einen unter den bekannten, der deutschen Gründlichkeit bei der Initialisierung geschuldeten Problemen. Daneben erweist sich der Gesetzgeber aber auch weiterhin als äußerst zögerlich. Statt mit einer schnellen Entscheidung hinsichtlich einer von der Branche so herbeigesehnten Anpassung des REIT-Gesetzes an die Abgeltungssteuer sowie der Vermeidung von Doppelbelastungen ausländischer Erträge für Klarheit zu sorgen, schiebt die Bundesregierung die REIT-Problematik auf die lange Bank.

Jede Freiheit birgt aber auch Risiken. Zwar haben die Anleger bei Spezialfonds einen deutlich größeren Einfluss als beispielsweise bei Publikumsfonds, da sie im Anlageausschuss über die Auswahl der Anlageobjekte entscheiden, doch wird der Renditenhunger die nun freizügiger mögliche Beimischung von Spezialitäten sicherlich nicht dämpfen. Im Gegenteil: Die ausgesprochen innovative und kreative Riege der Finanzdienstleister wird sich diese Chance nicht nehmen lassen. Schließlich bedeutet jedes neue Produkt die Möglichkeit auf Umschichtungen und damit neue Fees. Als warnendes Beispiel kann der Verbriefungsmarkt gelten: Hier wurde durch immer neue Verschachtelungen und Spezialitäten ein eigentlich sinnvolles Produkt dermaßen in Verruf gebracht, dass ein ganzer Markt weltweit am Boden liegt. Das darf dem Spezialfonds-Markt nicht passieren. Wird es auch nicht - solange der Bezug zur Immobilie ausreichend gewahrt bleibt. Denn schließlich stehen Immo- bilien-Anlagen für Solidität. Oder? P. O.

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