Aktuelle Rechtsfragen

Neuer Standardvertrag für Immobilienkredite

Die Loan Market Association (LMA) hat am 16. April 2012 für Mitglieder einen Standardvertrag für Immobilienfinanzierungen veröffentlicht. Obwohl der Vertrag dem englischen Recht unterliegt, waren am 16. April 2012 auch viele deutsche Banker und Rechtsanwälte in London anwesend, als die LMA den neuen Standardvertrag präsentierte und über dessen Entwicklung und Ausgestaltung berichtete.

Was ist die Loan Market Association?

Grund für das große Interesse aus Deutschland und auch aus anderen europäischen Ländern ist, dass die in der Vergangenheit von der LMA veröffentlichten Finanzierungsdokumente heutzutage nicht nur in England, sondern auch in Europa als Standard anerkannt werden. Banken in ganz Europa nutzen diese Vertragsmuster als Ausgangsdokumente für ihre Kreditverträge oder mit diesen im Zusammenhang stehenden Verträge und Dokumente. Gleiches gilt für die international auftretenden Investoren: Sie sind mit den Vertragsmustern vertraut und wissen, was sie zu erwarten haben, wenn ein LMA-Standardvertrag als Verhandlungsbasis vereinbart wird. Die LMA wurde 1996 in London gegründet. Sie ist ein Interessenverband mit mittlerweile mehr als 400 Mitgliedern.

Die Mitglieder kommen aus dem gesamten Spektrum des Finanzbereiches. Insbesondere Banken, Finanzinvestoren, aber auch internationale Rechtsanwaltskanzleien sind Mitglied. So sind die Aareal Bank AG, Deutsche Bank AG, HSH Nordbank AG, Landesbank Berlin AG, Landesbank Baden-Württemberg und Unicredit Bank AG Mitglieder der Loan Market Association, um nur einige wenige Banken zu nennen, die im deutschen Markt aktiv sind. Die Loan Market Association hat seit ihrer Gründung in England Standardverträge für den Finanzierungsbereich entwickelt, die sich über die Jahre im europäischen Markt verbreitet haben.

Bislang gab es insbesondere Muster für syndizierbare Akquisitionskredite und damit zusammenhängende Dokumente (zum Beispiel Mandate Letter, Term Sheet, Commitment Letters, Intercreditor Agreement). Der ganz überwiegende Teil der von der Loan Market Association entwickelten Dokumentation unterliegt englischem Recht und reflektiert den englischen Marktstandard. Die Dokumente werden laufend überarbeitet und an Marktentwicklungen angepasst. Darüber hinaus wurden für Deutschland und Frankreich je ein Standardvertrag für die Akquisitionsfinanzierung (Investment Grade) entwickelt: das "Multicurrency term and revolving facility agreement for multiple borrowers and guarantors". Es sieht die Gewährung einer langfristigen Darlehensfazilität und einer Betriebsmittelkreditlinie vor.

Das Ziel der Loan Market Association war und ist es, mit der Entwicklung der Muster den Markt zu vereinheitlichen und so eine Syndizierung zu vereinfachen. Durch das Erstellen einer Vergleichsfassung zum jeweiligen Grundmuster ist es möglich, Änderungen des Vertrages schnell nachzuvollziehen. Auch der deutsche Markt hat den Bedarf erkannt, einen solchen Marktstandard zu entwickeln. Während sich für die englischsprachige Dokumentation (im Bereich der Akquisitionsfinanzierung) die Muster der Loan Market Association durchgesetzt haben, haben Bemühungen, einen eigenen deutschsprachigen Standard zu erarbeiten, in Deutschland bislang keine Früchte getragen.

Der neue LMA-Standardvertrag für Immobilienfinanzierungen

Seit April 2012 ist nun ein englischrechtlicher Standardvertrag für Immobilienfinanzierungen hinzugekommen. Er heißt "Single currency term facility agreement for real estate finance multiproperty investment transactions". Auf Rückfrage hat die LMA bestätigt, dass sie in absehbarer Zeit nicht beabsichtigt, eine deutschrechtliche Fassung dieses Kreditvertrages in Auftrag zu geben. So stellt sich für die deutschen Banken und deren Berater dieser Tage die Frage, welche Konstellation der neue Standardvertrag für Immobilienfinanzierungen zugrunde legt, welcher Anpassungen er bedarf, um für die Finanzierung von deutschen Immobilienportfolios eingesetzt werden zu können und ob auch er die Chance hat, auf dem deutschen Markt als Standard anerkannt zu werden.

Aus dem Namen des Vertrages kann man bereits einiges ableiten: Er soll als Muster für Darlehensverträge mit Einheitswährung dienen, deren Verwendungszweck der Erwerb eines Immobilienportfolios ist. Bei der Entwicklung wurde das bereits erprobte Muster des "Multicurrency term facility agreement (Investment Grade)" herangezogen und insoweit abgewandelt, wie es für notwendig erachtet wurde, um Besonderheiten zu reflektieren, die bei der Finanzierung des Erwerbs eines Immobilienportfolios durch ein Syndikat zu berücksichtigen sind.

Hervorgehoben seien insbesondere folgende Merkmale des Standardvertrages: - Finanziert wird der Erwerb eines Immobilienportfolios, nicht der Erwerb eines einzelnen Objektes und auch nicht die Finanzierung einer Projektentwicklung.

- Das Muster unterliegt englischem Recht.

- Der Agent hat seinen Sitz in London.

- Die Syndizierung soll auf dem Londoner Markt beziehungsweise auf dem europäischen Markt stattfinden.

- Die Kreditnehmer (ein Kreditnehmer je Immobilie) sind Körperschaften und keine Privatpersonen, Partnerschaften oder Vergleichbares, die nach dem Recht von England und Wales gegründet wurden.

- Das Muster setzt ein mit Immobilien besichertes Darlehen voraus, wobei die Grundstücke in England, Wales oder Schottland belegen sind.

- Die zugrunde liegende Transaktionsstruktur sieht vor, dass die Investoren/ Gesellschafter sowohl Eigenkapital als auch nachrangiges Fremdkapital einer Tochtergesellschaft zur Verfügung stellen (als "Company" definiert), welche als Obergesellschaft Tochtergesellschaften gründet oder hält, die als Darlehensnehmer fungieren und jeweils einzeln die Grundstücke des Immobilienportfolios erwerben.

- Die Zinsen für das Darlehen können sowohl fix als auch variabel ausgestaltet sein.

- Die Sicherheiten werden ausschließlich zugunsten eines Sicherheitentreuhänders und nicht auch zugunsten aller Gläubiger bestellt.

- Das Dokument ist eher bankenfreundlich ausgestaltet. Wo die LMA für den englischen Markt keinen Marktstandard erkennen konnte, wurden Regelungen oder Definitionen im Zweifel gar nicht aufgenommen, oder aber nur mit einem Platzhalter versehen.

Die Abbildung stellt die Transaktionsstruktur dar, die im neuen Vertragsmuster zugrunde gelegt wird.

Gibt es einen deutschen Standard?

Einen deutschen Standardvertrag gibt es für Immobilienfinanzierungen nicht. Bislang sah man hier häufig zwei Extreme auf dem deutschen Markt: auf der einen Seite den kurzen deutschsprachigen Kreditvertrag mit angefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Allgemeinen Darlehensbedingungen, zwischen 15 bis maximal 40 Seiten; auf der anderen Seite ein von der jeweils involvierten Anwaltskanzlei entwickelter Kreditvertrag, zwischen 50 bis hin zu 150 Seiten, bei dessen Entwurf die LMA-Vertragsdokumentation Ausgangspunkt war. Dazwischen gab und gibt es alle Nuancen, wobei die kürzere Fassung (bis zu 40 Seiten) bislang überwog, unabhängig davon, ob der Vertrag in englischer oder deutscher Sprache abgefasst wurde.

Dabei war von dem gewählten Muster nicht auf die Höhe des Darlehens zu schließen, sondern eher auf die kreditgebende Bank oder Sparkasse, den Konsortialführer oder den Investor. Der neue LMA-Standardvertrag für die Finanzierung eines Immobilienportfolios umfasst 164 Seiten. Dies ist für den deutschen Markt ein großer Sprung.

Das neue Vertragsmuster der LMA kann ohne Anpassungen nicht für die Finanzierung des Erwerbs eines deutschen Immobilienportfolios eingesetzt werden. Die Loan Market Association selbst gibt vor, dass ihre Verträge generell nur "starting point for negotiations" sein können und ohne Anpassungen nicht auskommen.

Die Vorstellung, einen LMA-Standardvertrag zu nehmen, die Platzhalter (Darlehensnehmer, Darlehensgeber, finanzierte Immobilie) auszufüllen, um dann den Vertrag als ersten Entwurf verschicken zu können, ist also verfehlt. Der Standardvertrag muss auch für die Finanzierung von englischen Immobilien umfangreich überarbeitet werden, bevor er das erste Mal an die Darlehensnehmer verschickt werden kann.

Für den Einsatz auf dem deutschen Markt kommt hinzu, dass der neue LMA-Standardvertrag nicht dem deutschen Marktstandard entspricht. So bedarf der Vertrag auch in dieser Hinsicht der Überarbeitung. Auf der einen Seite sind Klauseln anzupassen, auf der anderen Seite sind aber auch Regelungen neu einzufügen, will man den Investor nicht vor den Kopf stoßen, da sich bestimmte (eher darlehensnehmerfreundliche) Klauseln in Deutschland über die Jahre etabliert haben, die das englische Muster nicht vorsieht.

Umfangreicher Anpassungsbedarf

Doch damit ist noch nicht genug getan: Es kommt hinzu, dass im Bereich des Immobilienrechts die kontinentaleuropäischen Regelungen stark vom englischen Recht abweichen und insofern die Besonderheiten des deutschen Grundbuchrechts und der deutschen Sicherheiten in den Vertrag eingearbeitet werden müssen. Das hat Auswirkung auf viele Klauseln - auch hier kann der neue "Standard" keine direkte Anwendung finden.

Die Vertragsparteien müssen folglich neue Regelungen verhandeln, deren Ausgestaltung nicht durch den Vergleich mit dem Grundmuster bewertet werden kann. Aus der deutschen Sicht gilt also umso mehr, dass dieses Muster nur ein Ausgangspunkt für den Entwurf eines Kreditvertrages darstellen kann.

Wie bald sich ein deutscher Standard entwickeln kann, der all die Besonderheiten des hiesigen Rechts und des Markts reflektiert, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Von heute auf morgen wird dies jedenfalls nicht geschehen.

Unterschiedliche Reaktionen deutscher Banken

Die auf dem deutschen Markt aktiven Banken und Sparkassen reagieren unterschiedlich. Während einige Banken unter Heranziehung von externen Beratern das Kreditvertragsmuster bereits anpassen lassen und den Einsatz proben, schließen andere Banken und insbesondere Sparkassen den Einsatz für eigene Kredite (zunächst?) aus. Zu groß sei der Unterschied zu den Vertragsentwürfen, die sie in den letzten Jahren verwandt haben.

Denn zu den bereits beschriebenen Abweichungen kommt noch hinzu, dass viele Regelungen, die ein Vertrag enthält, der dem englischen Recht unterliegt, in einem deutschrechtlichen Vertrag gar nicht aufgenommen werden müssten. Was in deutschen Gesetzen geregelt ist, muss nicht individualvertraglich wiederholt werden (Grund ist das sogenannte "civil law" der kontinentaleuropäischen Länder im Gegensatz zum "common law", dem das englische Recht folgt).

Auch die Technik, mittels Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Allgemeinen Darlehensbedingungen grundsätzliche Regelungen aus dem Vertrag zu ziehen und sich in diesem auf das zu konzentrieren, was die Parteien im jeweiligen Fall zusätzlich (oder abweichend) geregelt wissen möchten, führt zu einer Verkürzung des Vertragstextes. Diese Form der Standardisierung kennt der deutsche, nicht aber der englische Markt.

Der deutsche Kreditvertrag, der auf Allgemeine Geschäftsbedingungen und Allgemeine Darlehensbedingungen verweist, wird durch die Dominanz der Vertragsmuster der LMA immer mehr verdrängt, um mit der von London aus geprägten Standardisierung mitzuhalten. Das führt zu immer ausführlicheren und längeren Verträgen, mit viel "boilerplate", also Standardklauseln, die nicht mehr verhandelt werden und nach deutschem Recht häufig sogar überflüssig sind.

Der neue englischrechtliche Vertrag der LMA eröffnet die Möglichkeit, auch den deutschen Markt stärker zu vereinheitlichen. Vereinzelt wird er schon heute (nach grundlegenden Anpassungen) eingesetzt. Bis sich auf diesem basierend ein Standard im deutschen Markt entwickelt hat, wird es wohl noch eine Weile dauern.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X