Zinskommentar

Noch auf dem Weg aus der Krise

Die Europäische Zentralbank (EZB) beließ Anfang März die Leitzinsen auf dem bisherigen Niveau. Folglich bleibt es dabei: Der Tendersatz beträgt 0,25 Prozent und auch die Zinssätze der Einlagefazilität und der Spitzenrefinanzierung sind mit null beziehungsweise 0,75 Prozent unverändert. Allerdings wurde innerhalb des EZB-Rates durchaus die Anwendung einer ganzen Reihe geldpolitischer Instrumente, insbesondere eine Leitzinssenkung, diskutiert, wie der Notenbank-Präsident Mario Draghi einräumte. Anlass der Überlegungen war die unverändert niedrige Inflationsrate. Diese lag im Februar mit 0,8 Prozent noch immer weit unterhalb der Zielmarke von zwei Prozent.

Allerdings glaubt die EZB fest an die Wirksamkeit ihres Instrumentariums und rechnet im laufenden Jahr mit einer wirtschaftlichen Erholung innerhalb des Euroraums. Bislang aber mussten die Inflationserwartungen für dieses Jahr auf ein Prozent nach unten korrigiert werden. Trotzdem sind sich die Währungshüter sicher, dass einerseits die Konjunktur weiter an Fahrt gewinnen wird und damit auch die Verbraucherpreise anziehen werden. Für 2015 geht die EZB von einer Teuerung um 1,3 Prozent und für 2016 von 1,5 Prozent aus. Im Schlussquartal 2016 erwarten die Währungshüter dann ein Inflationsniveau von 1,7 Prozent. Die Prognosen der Notenbank zeigen zweierlei: Einerseits dürfte die wirtschaftliche Erholung in Europa noch geraume Zeit in Anspruch nehmen und mit einigen Unsicherheiten behaftet bleiben. Andererseits werden Deflationsgefahren offensichtlich nicht mehr gesehen.

Insgesamt scheint sich die Lage im Euroraum weiter entspannt zu haben: Spanien und Irland brauchen keine internationale Hilfe mehr und haben zuletzt zu deutlich besseren Konditionen und in höherem Umfang als erwartet, Geld direkt am Kapitalmarkt aufgenommen. Diese Schritte werden demnächst auch Portugal zugetraut. Aufgrund der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit haben sich die Renditen der Staatsanleihen von Krisenländern auf ein relativ niedriges Niveau eingependelt, sodass den betroffenen Staaten die Geldaufnahme zu moderaten Zinsen gelingt. Allerdings wird Griechenland wohl ein weiteres Hilfsprogramm benötigen. Und sowohl Frankreich wie Italien kommen bei ihren Reformen nur langsam voran. In Italien bleibt abzuwarten, wie durchsetzungsstark und entschlossen die neue Regierung unter Ministerpräsident Matteo Renzi ist.

Derweil fällt Deutschland nach wie vor die Rolle der Wachstumslokomotive zu. Für das laufende Jahr wird Europas größter Volkswirtschaft eine Steigerung um 1,5 bis 1,8 Prozent und für 2015 sogar mehr als zwei Prozent zugetraut. Die Erwartungen gehen jedoch von einer zunehmenden Binnennachfrage aus. Diese Annahme resultiert aber daraus, dass das Sparen auf Tagesgeldkonten aufgrund des niedrigen Zinsniveaus an Attraktivität eingebüßt hat. Bleibt die Teuerung jedoch auf niedrigem Niveau, dürften sich die Privathaushalte in Erwartung weiterer Preissenkungen mit Ausgaben für Anschaffungen zurückhalten.

Konjunkturelle Risiken könnten sich jedoch aus dem Krim-Konflikt ergeben. Die Wirkungen und Rückwirkungen von Sanktionen und Gegensanktionen sind derzeit auch für den Mitarbeiterstab der EZB kaum absehbar. Vor allem Deutschland scheint aufgrund seiner Exportbeziehungen und der hohen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen in besonderem Maße von einer Eskalation wirtschaftlicher Strafmaßnahmen betroffen zu sein.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Derzeit ist unbekannt, wie viele faule Kredite die europäischen Banken in ihren Büchern haben. Licht ins Dunkel soll die Bilanzprüfung von 128 europäischen Großbanken durch die EZB bringen. Dabei wird es unter anderem darauf ankommen, wie die Anleihen von Staaten zukünftig bewertet werden und wie viele Schiffskredite noch abgeschrieben werden müssen. Auch wie in Schieflage geratene Großbanken künftig abgewickelt werden können, ohne dass es zu Turbulenzen auf dem Kapitalmarkt kommt, bedarf noch der Klärung. Europa ist also auf einem guten Weg, aber noch längst nicht aus der Krise heraus. L.H.

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