Im Blickfeld

Der Pfandbrief - nur noch ein Nischenprodukt?

Wie wichtig der Pfandbrief für deutsche Immobilien- und Staatsfinanzierer ist, hat sich im Verlauf der Finanzmarktkrise eindrucksvoll gezeigt. Kaum ein anderes, nicht staatlich garantiertes Kapitalmarktinstrument genießt in diesem Maße so viel Vertrauen bei Investoren. Daher überrascht es nicht, dass die Zahl der Kreditinstitute mit Pfandbrieflizenz gerade im Zuge der Finanzmarktkrise deutlich gewachsen ist. Per Ende Dezember zählt die Deutsche Bundesbank insgesamt 80 Emittenten privilegierter Schuldverschreibungen, also vor allem von Öffentlichen Pfandbriefen sowie Hypotheken-, Schiffs- und Flugzeugpfandbriefen. Und aus dem Markt ist zu hören, dass weitere zehn bis 20 Institute eine Lizenz zur Emission von Pfandbriefen anstreben. Zwar sollen die meisten Interessenten aus dem Sparkassenlager kommen, doch prüfen auch ausländische Banken intensiv, ob und gegebenenfalls wie sie den deutschen Pfandbrief für ihre Refinanzierung nutzen können.

Die Lust am Emissionsprivileg ist durch die Finanzmarktkrise zweifellos gewachsen, sie korrespondiert zugleich mit der hohen Bedeutung des Pfandbriefs. Dessen enormes Gewicht in der Refinanzierung deutscher Banken belegt eine aktuelle Studie von Fitch Ratings (siehe dazu auch Seite 43). Darin wird jedoch auch deutlich, dass die Abhängigkeiten vom Pfandbrief höchst unterschiedlich sind. Während vor allem hiesige Realkreditinstitute in erheblichem Umfang auf den Pfandbrief angewiesen sind, nutzen ihn andere Banken lediglich als Ergänzung ihres Instrumentariums. So gehören dem Verband deutscher Pfandbriefbanken "nur" 38 Mitglieder an, die zusammen jedoch 99,1 Prozent des Umlaufvolumens deutscher Pfandbriefe abdecken.

Allerdings zeigen die jetzt vom Verband deutscher Pfandbriefbanken vorgestellten Marktzahlen auch, dass die Bedeutung des Pfandbriefs am Rentenmarkt kontinuierlich schwindet. Während der Umlauf festverzinslicher Wertpapiere seit zehn Jahren steigt und 2010 bei einem leichten Plus von 0,2 Prozent ein Volumen von 3712,5 Milliarden Euro erreichte, entfielen auf Pfandbriefe 639,8 Milliarden Euro beziehungsweise 17,2 Prozent - der niedrigste Wert im zurückliegenden Jahrzehnt. Damit verringerte sich der Pfandbriefumlauf gegenüber dem Jahr 2009 um 11,1 Prozent. Dass dazu vor allem Öffentliche Pfandbriefe beitrugen, deren Umlaufvolumen durch Nettotilgungen in Höhe von 74 Milliarden Euro auf 412,1 Milliarden Euro abschmolz, verwundert kaum, haben doch immer mehr Realkreditinstitute die Finanzierung von Banken, Staaten und Kommunen signifikant eingeschränkt. Die neuen regulatorischen Bedrohungen dieses Geschäftsmodells besorgen das Übrige.

Doch auch der Umlauf an Hypothekenpfandbriefen stagniert mit 227,8 Milliarden Euro, nachdem es 2009 noch 233,1 Milliarden Euro waren. Das darf jedoch vor dem Hintergrund der schwächeren Immobilienmärkte - und folglich niedrigeren Finanzierungsbedarfs - durchaus als Erfolg gewertet werden. Dies gilt erst recht, da sich der Umlauf der sonstigen Bankschuldverschreibungen deutlich von 900,6 auf 707,2 Milliarden Euro reduzierte. Insgesamt war der Rentenmarkt von dramatischen Verschiebungen gekennzeichnet. So schossen die ausstehenden Anleihen der öffentlichen Hand von

1298,6 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 1526,9 Milliarden Euro im Jahr 2010. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Restrukturierung der Hypo Real Estate ein erheblicher Teil ihrer Schulden in den öffentlichen Sektor übertragen wurde. Außerdem wächst die Bedeutung von Industrieobligationen. Deren ausstehendes Volumen stieg von 227,0 auf 250,8 Milliarden Euro, obwohl der Bruttoabsatz von 76 Milliarden Euro auf 54 Milliarden Euro gesunken ist, im Nettoabsatz aber deutlich positiv blieb.

Zwar achten die Pfandbriefbanken verstärkt darauf, weitgehend deckungsstockfähiges Geschäft zu schreiben, dennoch wurden 2010 deutlich weniger Pfandbriefe neu emittiert als im Jahr zuvor. Das Platzierungsvolumen der Öffentliche Pfandbriefe blieb mit 41,6 Milliarden Euro um 20,4 Prozent, das der Hypothekenpfandbriefe mit 42,2 Milliarden Euro sogar um 25,7 Prozent unter dem Vorjahr. Inklusive der Schiffspfandbriefe, deren Emissionsvolumen von 1,3 auf 3,2 Milliarden Euro stieg, büßte der Erstabsatz von Pfandbriefen 21,2 Prozent ein und fiel auf 87,0 Milliarden Euro.

Zwar wird für 2011 nur ein leicht höheres Neuemissionsvolumen von 88,3 Milliarden Euro erwartet, doch dürfte es zu einer entgegengesetzten Entwicklung bei Öffentlichen und Hypothekenpfandbriefen kommen. So sollen bei Öffentlichen Pfandbriefen den Fälligkeiten von 70,3 Milliarden Euro lediglich Neuemissionen von 43,7 Milliarden gegenüberstehen, während auslaufende Hypothekenpfandbriefe in Höhe von 31,3 Milliarden Euro durch Neuemissionen in Höhe von 42,2 Milliarden Euro ersetzt werden sollen.

Es spricht vieles dafür, dass der Pfandbrief von den emissionsberechtigten Banken weiterhin als hoch attraktiv angesehen und seine besondere Stellung im Refinanzierungsmix behalten wird. Doch die Entwicklung der letzten zehn Jahre hat - auch unabhängig von der Finanzmarktkrise - gezeigt, dass der deutsche Pfandbrief national wie international sukzessive Marktanteile einbüßt. Das allein ist noch nicht besorgniserregend. Doch wie ist es um die Zukunft des Pfandbriefs und des Geschäftsmodells Pfandbriefbank bestellt, wenn die Vielzahl der regulatorischen Vorhaben nach aktuellem Stand umgesetzt und scharfgeschaltet werden? Den Pfandbrief als bewährtes Refinanzierungsinstrument in Basel und Brüssel zu verteidigen, ist in erster Linie eine politische Aufgabe. Diese fällt jedoch leichter, wenn der Pfandbrief sein gestiegenes Ansehen auch wieder mit höheren Emissionsvolumina und Marktanteilen untermauern kann. L. H.

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