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Preisindikatoren für Zwangsversteigerungen sammeln

Jede Bank kennt die Zahlen ihrer zahlungsgestörten Kredite. Ob ein Geldinstitut damit über- oder unterdurchschnittlich am Markt vertreten ist, bleibt vielen jedoch unklar. Deshalb stellt sich die Frage, wie sich Transparenz schaffen lässt, um Rückflüsse aus Zwangsversteigerungsterminen schon bei der Abgabe in die Abwicklung einschätzen zu können. Der Rückfluss der zahlungsgestörten Kredite hängt von folgenden Faktoren ab:

1. der Länge des Verfahrens beim betroffenen Gericht,

2. wie viele Objekte prozentual nicht im Ersttermin versteigert werden,

3. wie lange der Zweittermin auf sich warten lässt.

Es gilt, diese Werte zu kennen und in der Beleihungswertermittlung für den Realisationsbarwert heranzuziehen. Zudem sollten Banken regional ihren Anteil am Kreditmarkt kennen, um damit auch die Risikokosten und Verluste realistisch bewerten zu können. Natürlich ist auch die Nachfrage am Standort maßgeblich für einen Verwertungserfolg. Die Firma Arbeitsgemeinschaft für Transparenz (Argetra) erfasst seit einigen Jahren detailliert alle Zwangsversteigerungsobjekte und wertet inzwischen fast 650 000 Termine bundesweit regelmäßig für Banken aus. Während alle normalen Verkäufe von Immobilien durch die Gutachterausschüsse begleitet und ausgewertet werden, finden Verkehrswertgutachten für Zwangsversteigerungen und deren Erlöse keine Beachtung, da es sich um Immobilien mit besonderen Wertmaßstäben handelt, die den normalen Marktbericht verfälschen würden.

Versteigerungsvolumen zieht wieder an

2013 erreichten sowohl die Versteigerungsvolumen mit 7,4 Milliarden Euro als auch die Termine mit 47 700 Stück ihren Tiefststand. Für 2014 ließ sich bereits im ersten Halbjahr eine Bodenbildung in der Anzahl der Termine und ein steigendes Wertvolumen aufgrund der Auswertungen seit 2012 erkennen. Gab es im ersten Halbjahr 2013 noch 10 000 Termine weniger als im Vergleichszeitraum 2012, lag der Rückgang diesmal nur bei 300 Stück.

Für 2014 wird erstmals seit acht Jahren wieder ein Anstieg erwartet, sowohl der Termine als auch Volumina. Die Zunahme der Verkehrswerte kommt aus höheren Gutachteransätzen. Nach Auswertung aller Gutachten der Jahre 2010 bis 2014 werden die Volumen weiter steigen.

Seit mehreren Jahren steigen die Versteigerungszahlen einseitig bei den Ein- und Zweifamilienhäusern. Zudem sind die Volumina überproportional gestiegen. Gerade dieses Geschäftsfeld haben viele Banken als risikoarmes Geschäft definiert, das sich nun als risikoträchtig herausstellt. Da zudem aufgrund der niedrigen Zinsen gern mehr Kredit aufgenommen wird und damit der Eigenkapitalanteil tendenziell sinkt, steigen die Risiken. Laut einer Studie von Immoscout wollen zum Beispiel Hamburger nur noch elf Prozent Eigenkapital einsetzen.

Gutachterbewertung versus Marktpreise

In Deutschland gibt es einige Gebiete mit besonders hohen Risiken. Jeder Vorstand sollte diese Orte im Rahmen der Neugeschäftssteuerung kennen. Diverse überregionale Kreditinstitute nutzen heute schon eine geocodierte Immobiliendatenbank, um Risiken an ausgewählten Adressen zu vermeiden. In Straßenzügen, in denen überproportional versteigert wird, können Neugeschäfte ausgeschlossen oder Risiken durch erhöhte Eigenkapitalanforderungen minimiert werden. Wie können solche Zwangsversteigerungsdaten zur Steuerung des Neugeschäfts genutzt werden?

Jede Bank macht sich Gedanken über Vergleichswerte, die sie von aktuell finanzierten Immobilien ableiten könnte. Aktuelle Kaufverträge sind ein guter Anhaltspunkt für Vergleichswertermittlungen. Mit Hilfe der Universität Regensburg wollte Argetra herausfinden, ob die Verkehrswerte der Gutachter mit den Kaufvertragspreisen am freien Markt korrelieren. Exemplarisch wurden Daten aus den in Dortmund festgesetzten Verkehrswerten mit denen der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses ausgewertet.

Keine Korrelation der Bewertungen

Das Ergebnis ist alarmierend: Eine Korrelation ist wissenschaftlich nicht nachweisbar. Auch die verglichenen Daten von F+B aus Hamburg (Index für die Preisentwicklung von Mehrfamilienhäusern) mit den gutachterlichen Verkehrswerten (indexiert auf 2004 =100 Prozent) zeigen weder eine Näherung an die Marktpreise noch ein korrelierendes Verhalten.

Banken und Versicherungen können sich nicht darauf verlassen, dass Zwangsversteigerungsimmobilien sich im Wert so entwickeln wie normale Immobilien. Die Bewertungsansätze sollten aus dem Umfeld stammen, wo Vergleichswerte vorhanden sind. Der Zwangsversteigerungsmarkt hat seine eigenen Regeln. Wenn man exemplarisch die Gutachtenbewertungen aus dem Jahr 2012 nimmt, dann werden diese Immobilien erst in den Jahren 2013 bis 2015 versteigert. Da der Verkehrswert in dieser Zeit nicht anpasst wird, vergrößert sich der Abstand zu den normalen Marktpreisen. Das heißt, dass die Verkehrswerte in steigenden Märkten tendenziell zu niedrig sind und damit zu erhöhten Abschreibungen führen.

Erhöhte Abschreibungen drohen

In Dortmund beispielsweise liegen Verkehrswertfestsetzungen für Versteigerungsobjekte schon von Anfang an 30 Prozent unter dem Marktpreis frei gehandelter Immobilien (siehe Abbildung). Dort dauert es zirka drei Jahre zwischen Gutachtenerstellung und Versteigerung. Der 2008 festgesetzte Wert (orange Linie) wurde erst 2011 (siehe Wertgleichheit auf der schwarzen Linie) versteigert. 2011 bewerteten die Gutachter Objekte dann deutlich höher. Auf der orangen Linie finden sich Werte von über 750 Euro/Quadratmeter. Die Versteigerungen, die 2011 stattfanden, waren also günstig für den Ersteher, da die in der Versteigerung aufgerufenen Verkehrswerte aus 2008 niedriger waren als die in 2011 festgesetzten.

Das eigentliche Dilemma wird beim Blick auf die Erlösdaten und Zuschlagwerte ersichtlich. Das Niveau liegt hier nur bei zirka 25 bis 30 Prozent von frei verkäuflichen Immobilien und bei zirka 40 bis 50 Prozent der amtlich fixierten Verkehrswerte.

Schwierige Prognose von Preisen und Kosten

Wenn jährlich zur Versteigerung rund zehn Milliarden Euro Verkehrswerte aufgerufen wurden, liegt folglich auch das Volumen an Provisionen, die für den Makler und Servicer entfallen, bei rund 400 Millionen Euro im Jahr. Diese Beträge fallen zusätzlich als Verfahrenskosten an. Wird kein Dienstleister beauftragt, so fallen vergleichbare Kosten in den Abwicklungsabteilungen an.

Dank der über viele Jahre gepflegten Datenbank, in der Verkehrswertfestsetzungen und die Verfahrensdauer geokodiert verknüpft werden, können Banken sehr präzise vorhersagen, wie sich die Preise auf dem Zwangsversteigerungsmarkt in einer bestimmten Region, einer Stadt oder gar einem Straßenzug entwickeln.

Die Verfahrensdauer schwankt heute von Amtsgericht zu Amtsgericht und für die einzelne Objektart außerordentlich stark. Schon bei der Beleihung eines Neugeschäfts müsste man die Kosten risikoadjustiert einpreisen. In Berlin zum Beispiel bestimmt die Adresse, ob schnell oder langsam versteigert wird.

Beim benachbarten Amtsgericht wird der Kapitalrückfluss mit unter mindestens ein Jahr schneller realisiert. Dies nur deshalb, weil die postalische Zugehörigkeit über den Versteigerungsort entscheidet. Also hängt das Verwertungsrisiko nicht nur am Kreditnehmer beziehungsweise der Immobilie, sondern auch am Gericht.

Um ein Angebot eines Kaufinteressierten bewerten zu können, sollte die Bank wissen:

1. wie aktuell Zwangsversteigerungsobjekte bewertet werden (zeitnahe Gutachtenwerte heranziehen),

2. wie lange ein Verfahren durchschnittlich dauert (barwertige Abzinsung mit realistischen Annahmen über den Kapitalrückfluss),

3. wie lange es bei einer Nichtannahme des Gebotes bis zu einem neuen Termin dauert: Berechnung des weiteren Mietausfalls, Zinsausfalls, Verfahrenskosten, Versicherungskosten,

4. wie hoch die Verfahrenskosten im Hause oder beim Servicer sind, und 5. ob die Preistendenz fallend oder steigend ist (heute verkaufen oder auf die Preisentwicklung setzen?).

Nur wenn man die erwarteten Erfolge der Kredit-Servicer und Abwicklungsabteilungen nicht an den quotalen Erlösen vom Verkehrswert beurteilt, sondern an den aktuellen Bewertungen, kann man zu optimalen Zwangs versteigerungserlösen kommen.

Regulatorische Anforderungen an die Bewertung

Für ein bestehendes NPL-Immobilienportfolio können neue Beleihungswerte ermittelt werden, wenn man den bisherigen Verkehrswerten die Preisentwicklungen aus aktuellen Begutachtungen gegenüberstellt. Damit können Bilanzansätze unterlegt und gegebenenfalls weiterer Abschreibungsbedarf verhindert werden. Will man der Vergleichswertberechnung nachkommen, benötigt man vergleichbare Daten, die sich allerdings nicht bei den Gutachterausschüssen finden lassen. Geliefert werden können sogenannte Comparabels aber aus dem Versteigerungsmarkt, sodass man zum Beispiel für die Postleitzahl, Objektart und Baujahr Daten beziehen kann, die für Vergleichswerte Anerkennung finden.

Die EU-Bankenverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) fordert Marktschwankungsanalysen. Durch die Loslösung des Zwangsversteigerungsmarktes sind die Marktschwankungen des normalen Marktes tendenziell nicht geeignet, um auf das NPL-Portfolio übertragen zu werden, da sie den Zwangsversteigerungsmarkt nicht abbilden.

Die Marktschwankungen, wenn die Gutachter die Bewertungen ändern, sind geeignet, die geforderten Analysen transparent abzubilden. Die CRR fordert barwertige Betrachtung, Hardtests und eine zügige Verwertung.

Datenbank liefert Bewertungsindikatoren

Eine realitätsnahe Beurteilung der Erlöserwartung einzelner Immobilien ist schon bei Einleitung der Verwertung gefragt. Gerade die geforderte barwertige Beurteilung bedingt korrekte Zeitfaktoren, die zur Ermittlung von Wertberichtigung bei Banken und Versicherungen von elementarer Bedeutung sind. Die durchschnittliche Verfahrensdauer schwankte 2012 von 264 Tagen bis 1 535 Tagen bei den zirka 500 Amtsgerichten.

Nur wer diese je Amtsgericht kennt, kann richtig bewerten. Zudem stellt sich die Frage, wie oft benötigt man einen Zweit- oder Folgetermin je Objektart und wie lange dauert es dann bis zum nächsten Termin? Solche bewertungsrelevanten Indikatoren lassen eine professionellere Verwertung zu. Die pauschalen Wertermittlungsfaktoren der Banken sind häufig ungenau, da der Zeitfaktor vom Zwangsversteigerungsvermerk bis zum Verteilungstermin nur geschätzt wird. Wenn ein Portfolio mit Immobilien notleidender Darlehen zur Kaufpreisfindung ansteht, ist es wichtig, schnell relevante Informationen zur Bewertung zu bekommen. Ein Portfolio enthält in der Regel viele unterschiedliche Objektarten und ist meist bundesweit verteilt. Alle Objekte durch Gutachter bewerten zu lassen, ist zu zeit- und kostenaufwendig. Die Besichtigung vor Ort durch eigene Mitarbeiter ist für ausgewählte Objekte sinnvoll und notwendig, doch für die komplette Beurteilung nicht durchführbar.

Um trotzdem bewerten zu können, braucht es neben den Immobiliendaten auch Marktdaten, wie Bodenrichtwerte, Liegenschaftszinsen und Kennziffern, wie Kaufkraftindex, Arbeitslosenquote, Trends zum Wohnungsneubau, Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung sowie aktuelle Comparables auf Kauf- und Mietebene. Eine intelligente Datenlieferung hilft, um zu einer realitätsnahen Beurteilung der Objekte zu gelangen.

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