Schwerpunkt: Hypothekenprocessing

Prozessgestaltung zwischen Bank und Kreditfabrik

Der deutsche Markt für Immobilienfinanzierungen ist aufgrund der Größe einer der interessantesten in Kontinentaleuropa und entsprechend stark umkämpft. Ausländische Anbieter, die die Chancen dieses attraktiven Marktes erschließen möchten, müssen angesichts des wachsenden Konkurrenz- und Margenkampfs den deutschen Kunden einen besonderen Mehrwert bieten.

Der GMAC-RFC Bank GmbH, einem Tochterunternehmen der international tätigen GMAC Financial Services-Gruppe, ist es innerhalb weniger Jahre gelungen, sich als Produktführer für Immobilienfinanzierungen mit hohen Beleihungsausläufen zu etablieren und sich mit der Baufilligenz-Produktfamilie einen Namen als Produktinnovator zu erarbeiten. Wichtiger Bestandteil des Erfolgsrezepts für diesen Markterfolg ist die konsequente Konzentration auf die Kernkompetenzen, die das Unternehmen klar in der Entwicklung und im Vertrieb neuer Produkte für die private Baufinanzierung definiert hat (Monoproduktanbieter).

Definition der Kernkompetenzen

Um diese Position von Anfang an konsequent umzusetzen, entschied sich GMAC-RFC, vom Zeitpunkt des Markteintritts an in Deutschland im Jahr 2004 mit einem Partner in der Kreditbearbeitung zusammenzuarbeiten. Es sollte kein eigener Personalstamm für das Kreditprocessing aufgebaut werden, sondern die Flexibilität und das Know-how einer Kreditfabrik genutzt werden. Bei der Auswahl des Servicers ließ sich GMAC-RFC von der Markterfahrung, den Referenzen und dem spezialisierten Knowhow von Hypotheken-Management überzeugen, die dem Baufinanzierer Zugang zu spezifisch deutschem Proces-sing-Know-how bot.

Hypotheken-Management war 1999 als Tochterunternehmen der Aareal Bank AG gegründet worden und bietet modulare Processing- und Consulting-Services für Banken, Immobilienfinanzierer, Versicherungen sowie weitere Finanzdienstleistungsunternehmen. Seit dem 1. Januar 2006 gehört Hypo-theken-Management zur VR Kreditwerk AG, die Processing- und Beratungsdienstleistungen für die Unternehmen des genossenschaftlichen Finanzverbunds anbietet.

Aufgrund des gestiegenen Antragsvolumens und sich wandelnder Marktbedingungen starteten die beiden Unternehmen im Jahr 2006 ein Projekt, um die gemeinsame Prozesslandschaft an die veränderten Voraussetzungen anzupassen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass sich die GMAC-RFC Bank nach der Start-Up-Phase unter Markteintrittsbedingungen zu einem etablierten Anbieter im Markt gewandelt hatte. Dabei haben Mandant und Kreditfabrik die Zusammenarbeit nicht nur auf eine neue technologische und prozessuale Stufe gehoben, sondern die Zusammenarbeit auch organisatorisch neu gestaltet. Die Bank hat aufgrund ihres Geschäftsmodells und ihrer Produktpalette besondere Anforderungen an Prozesse in der Kreditbearbeitung. Außerdem hatte sie den Anspruch, schnell auf Veränderungen im Markt und sich wandelnde geschäftliche Anforderungen flexibel reagieren zu können. Dieser Anspruch wurde in den letzten Jahren insbesondere mit der Einführung der Produktfamilie "Baufilligenz" umgesetzt.

Dynamisches Marktumfeld erfordert flexible Prozesse

Am Anfang des Projekts zur Neugestaltung der Zusammenarbeit stand der Wunsch, die Prozesse insgesamt straffer und schlanker zu modellieren und den Grad der Automatisierung zu erhöhen. Gleichzeitig hatten die Bank und der Processor die Vision, eine "lernende Organisation" zu schaffen, in der Erfahrungen noch effizienter gespeichert und für alle Prozessbeteiligten noch einfacher zugänglich gemacht und Schlussfolgerungen gezielt umgesetzt werden.

Ziele waren eine zusätzliche Effizienzsteigerung und die Senkung der Komplexität der Prozesse. Eine fortlaufende kritische Betrachtung und Weiterentwicklung der gemeinsamen Prozesse wurde dabei von Anfang der Zusammenarbeit an als wichtiger Erfolgsfaktor betrachtet. Eine Besonderheit bestand darin, das Geschäftsmodell der GMAC-RFC Bank zu berücksichtigen. So werden zum Beispiel die zugesagten Darlehen gebündelt und über True-Sale-Verbriefungen am Kapitalmarkt platziert.

Das Projekt

Im November 2006 fiel der Startschuss für das gemeinsame Projekt "Neue Prozesslandschaft". Dazu wurde neben der Projektleitung ein paritätisch besetztes Kernprojektteam gebildet, in dem nahezu alle entscheidenden Funktionen des Kreditprozesses abgebildet waren. Dieses Kernprojektteam erhielt vom Lenkungsausschuss weitreichende Kompetenzen, um die ambitionierte Themen- wie auch Zeitvorstellung zu realisieren.

Die Zielformulierung des Auftrages und der starke Praxisbezug der Arbeit im Kernprojektteam, das später durch ein Fachteam ergänzt wurde, sicherten eine hohe Lösungsorientierung. Optimierungsmaßnahmen entwickelten die Mitarbeiter der Bank und des Servicers aus ihrer täglichen Arbeit heraus, sodass sich praktikable Lösungen ergaben, die zügig implementiert werden konnten.

In teamübergreifenden Workshops konkretisierten die Fachkollegen die Anforderungen ihrer Bereiche und brachten diese miteinander in Einklang. Auf diesem Weg konnte sichergestellt werden, dass über die gesamte Projektlaufzeit eine einheitliche Prozesssicht beibehalten wurde. Ende Juli 2007 konnte die neue Processlandschaft inklusive neuer Technologien nach einer dreiwöchigen Testphase und nach einer Projektlaufzeit von neun Monaten planmäßig und erfolgreich produktiv gehen.

Eleminierung unnötiger Bearbeitungsschritte

Die Basis eines erfolgreichen Outsour-cing-Projekts ist das Wissen über die vorhandenen Prozesse vom Erstkontakt bis zur vollständigen Rückzahlung. Auf Basis der genauen Kenntnis von Kosten, Abläufen und Prozesszeiten lassen sich Optimierungspotenziale gezielt identifizieren. Die übergreifende Analyse der Prozesse vor Beginn der Neustrukturierung durch die GMAC-RFC Bank und Hypotheken-Management brachte ein hohes Maß an Transparenz. Die Bank und die Kreditfabrik gestalteten die neuen Prozesse so schlank wie möglich und eliminierten nicht notwendige Bearbeitungsschleifen.

Indem beide Partner ihre Stärken und Kernkompetenzen zu einem effizienten Kreditprozess kombinieren und entsprechend ihre Arbeitsteilung gestalten, werden Reibungsverluste verhindert und kürzere Durchlaufzeiten erreicht. Beispielsweise gehört die Unterlagenprüfung zur Kernkompetenz des Processors, und nur bestimmte Unterlagen werden bei der Bank geprüft.

Mit der neuen Prozesslandschaft erzielten die Bank und die Kreditfabrik auch eine größere Transparenz in der Messbarkeit der Prozesse und Teilprozesse und somit in der Kostenstruktur. Das Kreditinstitut kann nun jedem Prozessschritt genaue Kosten zuordnen. Gemeinsam definierten Mandant und Servicer einen Standardprozess, der ausschließlich die stets erforderlichen Prozessschritte enthält. Zusatzprozesse, die vom Standardangebot abweichen, werden einzeln vergütet. Das betrifft zum Beispiel Änderungen im Kreditvertrag, die nicht regelhaft anfallen. Durch diese anfallsbezogenen Preise hat die Bank die genaue Kontrolle ihrer Kosten und kann aktiv ihre Prozesse steuern.

Zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren bei einem Outsourcing gehören anforderungsgemäße Schnittstellen. Die Einrichtung einer elektronischen Schnittstelle zwischen den Systemen der Bank und der Kreditfabrik führt zu einer signifikanten Senkung der Durchlaufzeiten.

Statt der manuellen Datenerfassung und damit verbundenen potenziellen Fehlerquellen werden die Daten im Neugeschäft nun automatisch vom Kreditentscheidungssystem der Bank an das Bearbeitungssystem der Hypotheken-Management übermittelt. Somit ist ein ununterbrochener Datenfluss von den wichtigsten Vertriebspartnern über GMAC-RFC an den Kreditprocessor sichergestellt.

Darüber hinaus werden nun eindeutig definierte Datensätze zur weiteren Verarbeitung an den Mandanten übermittelt, die aktuellere und interpretationsfreiere Analysen im Rahmen des Unternehmensreportings möglich machen.

Um den Kreditbearbeitungsprozess zu beschleunigen und Fehlerquellen zu eliminieren, integrierte Hypotheken-Management außerdem den Automatic Loan Processor (ALP) in die Prozesslandschaft. Mithilfe dieses IT-Moduls konnte der Entscheidungsprozess bei Kreditzusagen weiter automatisiert werden. Beim ALP handelt es sich um ein automatisches Antragsbearbeitungssystem für Hypothekenkredite im SAP-Umfeld. Mit der Anpassung der IT-Architektur der Hypotheken-Management konnte der manuelle Aufwand in der Kreditbearbeitung seitens Hypotheken-Management nochmals reduziert werden. Verschiedene, automatisch ablaufende Prüfstufen machen zusätzliche individuelle Absicherungsschleifen überflüssig.

Spezielles Gremium sucht Optimierungspotenziale

Für den beidseitigen Erfolg eines Outsourcings ist eine einheitliche Sicht der Organisation und Prozesslandschaft notwendig sowie der stete Austausch über Entwicklungs- und Optimierungspotenziale. Ein wichtiges Instrument dazu wurde zu Beginn des Projekts geschaffen: Ein sogenanntes Regelgremium, das über die Projektphase hinaus besteht und mit je zwei Vertretern der Bank und der Kreditfabrik fest besetzt ist, koordiniert die gesamte Zusammenarbeit. Fachthemen bearbeitet das Regelgremium, das alle vier bis fünf Wochen zusammenkommt, gemeinsam mit Kollegen aus den Fachabteilungen.

Das Regelgremium verfügt über Kompetenzen hinsichtlich notwendiger Änderungsprozesse, die in den vertraglich vereinbarten Service Level Agreements genau definiert sind.

Gleichzeitig implementierten die Bank und der Kreditprocessor ein umfassendes gemeinsames Dokumentationssystem, das vorher in dieser Form nicht vorhanden war. Diese Dokumentation wird fortlaufend aktualisiert. Daraus ergibt sich eine Organisationsbibliothek, die zu jedem Zeitpunkt die in der Praxis geltenden Regeln und Verfahrensweisen abbildet.

Eine Outsourcing-Partnerschaft kann nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn die aus dem Veränderungsprozess und der laufenden Arbeit gewonnenen Erkenntnisse genutzt und umgesetzt werden. Auf der Basis der geschaffenen, messbaren Prozesse im regelmäßigen Abgleich mit den Anforderungen der jeweiligen "Anspruchseigentümer" (zum Beispiel Produktmanagement, Vertrieb, Abwicklungseinheit) ergeben sich die anfallenden Veränderungsanforderungen. Dieser regelmäßige Abgleich wird ebenfalls über das Regelgremium koordiniert.

Kleine Modifikationen mit großen Wirkungen

In der Zusammenarbeit hat sich gezeigt, dass bereits kleine Modifikationen in den Prozessen signifikante Effekte auf Durchlaufzeiten und Kundenzufriedenheit haben: So werden nun beispielsweise Erinnerungsschreiben an Kunden automatisch durch den Prozess so gesteuert, dass ein Versand erst dann erfolgt, wenn der Sachbearbeiter alle den Fall betreffenden Posteingänge bearbeitet hat. Überschneidungen und Rückfragen entfallen. Im Kundencenter der Bank manifestierte sich dies sehr effektvoll mit einem deutlichen Rückgang der Kundenanrufe.

Mit Hilfe der Dokumentation, die auch der Speicherung von Erfahrungen und von Wissen innerhalb der Organisation dient, entwickelt sich das Wissen laufend weiter. Dadurch können die Bank und ihr Servicer mandantenspezifische Schlussfolgerungen für weitere Optimierungen ableiten. Damit alle Beteiligten fortwährend über einen einheitlichen Informationsstand verfügen, richtete die GMAC-RFC Bank eine spezielle Intranet-Plattform ein, auf die auch die Kollegen der Hypotheken-Management zugreifen. Auf dieser Plattform haben die Beteiligten jederzeit Zugang zu Protokollen, To-Do-Listen, Change Requests, Service-Level-Agreements und der Dokumentation der Prozesse, genauso wie zu Entscheidungsdokumentation und Bearbeitungsrichtlinien sowie zu den verwendeten Dokumenten. Gleichzeitig werden mit Hilfe dieses Mediums die folgenden Aktivitäten transparent gemacht.

Fortlaufende Qualifikationskontrolle

Um die Qualität der Kreditprozesse detailliert dokumentieren und kontrollieren zu können, entwickelten die GMAC-RFC Bank und Hypotheken-Management ihr Outsourcing-Controlling weiter. Im Rahmen eines vertraglich festgelegten Reportings werden die Prozesse und Aufgaben hinsichtlich ihrer Qualität und Erfüllung laufend gemessen und analysiert.

Damit steht sowohl dem Mandanten als auch dem Servicer ein effektives Kontroll- und Steuerungsinstrument zur Verfügung, beide profitieren von transparenten und ausführlichen Informationen. Die Funktionsweise der Prozesse ist lückenlos nachprüfbar, Ursachen für Probleme können identifiziert und behoben werden. Die Bank erhält die Möglichkeit, daraufhin Prozesse zu steuern; die Kreditfabrik kann beispielsweise ihre Ressourcen effizienter planen.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit und Optimierung der Prozesslandschaft von der GMAC-RFC Bank und Hypotheken-Management sind Beispiele dafür, dass eine Kreditfabrik genauso Partner für die Optimierung von Standardprozessen wie auch für die Weiterentwicklung individualisierter Prozesse sein kann, und zwar unabhängig von der Größenordnung der zu bearbeitenden Mengen. Gemeinsam erarbeiten Kreditfabrik und Mandant flexible und anforderungsgemäße Lösungen.

Voraussetzung ist, dass Mandant und Kreditfabrik von Beginn an eine gemeinsame Sicht der Prozesse entwickeln und die jeweiligen Stärken und Kompetenzen des Partners bestmöglich im Prozess kombiniert werden. Werden Erfahrungen und Lerneffekte in einem permanenten Dialog gesichert und gezielt umgesetzt, profitieren beide Partner von der ständigen Optimierung der Prozesse. Dies führt letztendlich zu einer permanent steigenden Lernkurve und somit in beiden Häusern zu entsprechenden Skaleneffekten.

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