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Risikomanagement bei internationalen Immobilienanlagen - worauf kommt es an?

Die Einführung der EU-Richtlinie zu Managern alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers Directive, AIFMD) im Juli dieses Jahres hat einige Kommentatoren zu der Behauptung veranlasst, Risikomanagement sei etwas Neues am Immobilienmarkt. Das ist eine Fehlannahme. Für Immobilienanleger und -manager ist das Risikomanagement seit langem integraler Bestandteil ihrer Aktivitäten. In England zum Beispiel enthielten die sogenannten "Pattern Books" im 17. Jahrhundert bereits Faustregeln für die Steuerung der Bewertungsrisiken beim Erwerb Londoner Immobilien. Jüngere Beispiele aus Deutschland sind die 2001 in Kraft getretene "Anlageverordnung - AnlV" und das 2003 umgesetzte "Investment Gesetz - InvG".

Diese Rechtsvorschriften regulieren unter anderem auch die Immobilienanlagen von Versicherungsgesellschaften und verlangen die Anwendung solider Risikomanagementtechniken und Kontrollmechanismen, um die strategische, taktische und operative Einhaltung der definierten Anlageziele zu garantieren.

Damit ist das Risikomanagement im Immobilienmanagement sozusagen eine alte Kunst. Neu sind der wissenschaftlichere Ansatz und die Entwicklung des Risikomanagements zu einer eigenen Unternehmensfunktion.

Definition und Zweck

Stärkere Verbreitung fanden Methoden der Risikoquantifizierung wie Value-at-Risk erst in den 1990er und 2000er Jahren. Zur gleichen Zeit richteten auch immer mehr Banken eigene Risikomanagementfunktionen ein. Mit Umsetzung der OGAW IV Richtlinie (OGAW - Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) im Jahr 2011 wurden einige dieser traditionellen "Sell-Side"-Risikomanagementkonzepte effektiv auf die "Buy-Side" verlagert. Zu einem gewissen Grad will AIFMD für "alternative Anlagen" wie Immobilienfonds das gleiche erreichen.

Was also bedeutet "Risikomanagement" im Immobilien-Investmentmanagement vor dem Hintergrund der neuen regulatorischen Anforderungen und Best-Practice-Entwicklungen? Einfach ausgedrückt hat das Risikomanagement zum Ziel sicherzustellen, dass ein Investmentportfolio dauerhaft im Einklang mit der jeweiligen Anlagestrategie und dem betreffenden Risikoprofil steht. Damit darf das Portfolio nur Risiken enthalten, die der Anleger bereit ist einzugehen. So sollen die Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden Rendite minimiert werden.

Bei Festlegung der Aufgaben des Risikomanagers müssen das Management und die Kontrolleure eines Portfoliomanagers daher auch ein klares Risiko-Rendite-Profil beschreiben. Dieses hängt natürlich von den jeweiligen Gründen für das Engagement in Immobilien ab (zum Beispiel höhere Rendite, Diversifikation über Aktienanlagen hinaus, Inflationsabsicherung). Nachdem die Strategie und die Risiko-Rendite-Ziele der "ersten Verteidigungslinie" - der Portfolio- und Immobilienmanager - festgelegt sind, bilden die Risikomanager eine "zweite Verteidigungslinie". So soll sichergestellt werden, dass das Portfolio und die einzelnen Investments nicht von den festgelegten Leitlinien abweichen.

Zu diesem Zweck müssen die Risikomanager das Gesamtrisiko des Portfolios genauso identifizieren, messen und kommunizieren wie dessen Aufteilung in "bekannte" und "unbekannte" Risikofaktoren, die sich potenziell reduzieren lassen könnten. Auf diese Weise leistet der Risikomanager einen positiven Wertbeitrag zum Investmentprozess, indem er Risiken transparent und nachvollziehbar für die Risikonehmer macht und dazu beiträgt, dass die Anlageergebnisse nie "zufällig" sind.

Risikomessung bei Immobilienanlagen

Wie also kann das Risikomanagement seinen Aufgaben im Immobilienbereich optimal nachkommen? Der modernen Portfoliotheorie zufolge lässt sich das Marktrisiko eines Portfolios am besten anhand der Standardabweichung, also der Schwankungsbreite der Renditen/ Volatilität, messen. Dahinter steht die Annahme, dass bestimmte Vermögenswerte in einem Portfolio unterschiedlich stark miteinander korreliert sind, sowohl negativ als auch positiv. Aus diesem Grund sollte das Gesamtrisiko eines diversifizierten Portfolios niedriger sein als die Summe der Einzelrisiken der Vermögenswerte. Im Umkehrschluss erhöht eine starke Konzentration die Wahrscheinlichkeit ungewöhnlich hoher Verluste oder Gewinne.

Auf diesem Prinzip basierende Anlagemodelle zielen zumeist auf eine optimale Vermögensaufteilung auf Basis der in der Vergangenheit beobachteten Renditen, Preisschwankungen und Korrelationen. Ein solcher Ansatz mag gut funktionieren, wenn umfangreiche historische Datensätze vorliegen. Die mit Immobilien verbundenen Risiken sind auf diese Weise jedoch nur schlecht abzubilden.

Aufgrund der vergleichsweise unregelmäßigen Immobilienbewertungen würde die Standardabweichung der Renditen hier generell unterschätzt werden. Da Erträge aus Immobilienanlagen zumeist klumpenartig auftreten und idiosynkratisch sind, bietet sich eine rollierende Fünfjahresbetrachtung als aussagekräftigere Periode an, um das Risiko-Ertrags-Verhältnis zu bewerten und zu bestimmen, ob Erträge auf die Kompetenz des Portfoliomanagers (Alpha) oder die Marktentwicklung (Beta) zurückzuführen sind.

Darüber hinaus ist es nicht immer sinnvoll zu erwarten, dass künftige Renditen die gleiche Verteilung aufweisen wie in der Vergangenheit. Vor der Subprime-Krise hatte es zu keiner Zeit ein derart großes Volumen an ausstehenden verbrieften Hypothekenkrediten gegeben. Daher wäre es auch nicht möglich gewesen, die historische Verlustverteilung aus einem solchen Ereignis abzubilden.

Die Volatilität der Renditen ist nicht unbedingt ein ausreichendes Risikomaß, wenn über einen langen Zeitraum jedes Jahr positive Renditen erzielt werden und wenn den Investoren vor allem am Kapitalschutz gelegen ist. Umso wichtiger ist es, die Ursachen negativer Überraschungen zu verstehen.

Aufgrund dieser Schwächen der modernen Portfoliotheorie basieren Investments in Immobilien auf eigenen Portfoliomodellen mit quantitativen und qualitativen Elementen. Gewöhnlich werden diese Modelle durch Top-Down-Makround Marktanalysen ergänzt, die über vierteljährliche/jährliche Performancedaten hinausgehen (zum Beispiel transaktionsbasierte Indizes) und mit objektspezifischen Bottom-Up-Analysen verknüpft werden.

In diesem Zusammenhang hängt das Risikomanagement nicht nur von den quantitativen Risikobewertungsmodellen eines Unternehmens ab, sondern auch von seiner Risikomanagement-Kultur und deren Einbettung in den Investmentprozess.

Analysekomponenten

Bei Invesco Real Estate setzt das Risikomanagement bei den Risikonehmern an - den Transaktions- und Portfoliomanagementteams, die Risiken mit Hilfe eines robusten Investmentprozesses und regelmäßigen Kontrollen reduzieren (erste Verteidigungslinie). Im Rahmen des Investmentprozesses wird die Anlagechance im Hinblick auf den Makro- und Mikrostandort, die Gebäudequalität und die baulichen Spezifikationen, den Mietermix, die Mietlaufzeiten, die Betrachtung der verschiedenen Einnahme- und Kostenfaktoren sowie die Berechnung eines Businessplans analysiert und bewertet. Mit Hilfe von Cash-Flow-Prognosen und Sensitivitätsanalysen wird getestet, wie sich die verschiedenen Performancetreiber auf das Investment auswirken: der geschätzte Mietwert (Estimated Rental Value, ERV), die Mietlaufzeit, Veränderungen der Exit-Rendite, Veränderungen bei den Investitionsausgaben und Instandhaltungskosten oder Veränderungen der Fremd- und Eigenkapitalquote.

Zu den geläufigsten Techniken, die für die proaktive Steuerung des Investments und die Bewertung der Auswirkungen von Marktfaktoren genutzt werden, gehören Sensitivitäts- und Diversifikationsanalysen, Szenario- und Halten/ Verkaufen-Berechnungen. Mittels einer SWOT-Analyse werden die Stärken und Schwächen beziehungsweise Chancen und Risiken eines Vorhabens identifiziert. In diesem Zusammenhang werden mikro- und makroökonomische Daten sowie immobilienspezifische, lokale Marktkenntnisse eingesetzt, um die Positionierung eines Immobilienprodukts am Markt zu ermitteln und möglichst genau zu analysieren.

Verbindung unterschiedlicher Techniken

Jorion (2005) definiert Risiko als die "Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit des Eintretens eines Schadens, ..., Verlustes oder sonstigen negativen Ereignisses, das durch externe oder interne Sensibilitäten verursacht wird und durch Präventivmaßnahmen neutralisiert werden kann". In diesem Zusammenhang liegt der Fokus des Risikomanagementteams von Invesco Real Estate - der zweiten Verteidigungslinie - auf der Identifizierung, Analyse und Messung von Risiken anhand eigens entwickelter Modelle sowie der transparenten Abbildung, Kontrolle und Überwachung dieser Risiken durch Präventivmaßnahmen wie Anlagebeschränkungen und Stresstests.

Die beschriebenen Probleme bei der Anwendung von Quantifizierungsmodellen aus dem Investmentbanking auf Immobilienanlagen adressiert unser Risikomodell, indem es Elemente bekannter qualitativer (Scoring) und quantitativer (Value-at-Risk, Standardabweichung, Simulationsanalyse und Sharpe Ratio) Techniken verbindet und die Synthese der von der ersten Verteidigungslinie bereitgestellten Top-Down- und Bottom-Up-Analysen nutzt.

Nächster Schritt im Risikomanagementprozess ist die Einrichtung einer Funktion für die Cash-Flow-Bewertung unter Berücksichtigung der von den Immobilienexperten durchgeführten Analyse (Bottom-Up). Ausgehend von einem normalen Geschäftsverlauf und unter Anwendung der von den Research-Experten bereitgestellten Daten (Top-Down) werden verschiedene Szenarien durchgespielt. Dabei werden die bereits identifizierten Risikofaktoren auf unterschiedliche Weise abgebildet, einige weggelassen und andere noch nicht untersuchte Risikofaktoren hinzugenommen. Die Tabelle gibt einen Überblick über einige der in der Risikomatrix abgebildeten Risikotypen und -faktoren.

Im Anschluss werden weitere Simulationen durchgeführt, Sensitivitäten getestet und der Grad der Korrelationen zwischen den Faktoren abgeschätzt. Nach mehr als 1 000 Simulationen wird eine "Was wäre, wenn"-Risikomatrix produziert. Diese bildet eine Reihe unterschiedlicher Renditen nach den angegebenen unkorrelierten Risikofaktoren ab. Diese Risikomatrix gibt dem Risikomanager ein besseres Verständnis der Performancetreiber und ermöglicht eine bessere Bewertung des Risikos negativer Abweichungen. Sie hilft ihm, die Ergebnisse effektiv gegenüber der Unternehmensführung zu kommunizieren, das Bewusstsein für diese Risiken zu erhöhen und die Risiken besser nachvollziehbar und transparenter zu machen.

Darüber hinaus werden Stresstests durchgeführt, welche die Risiken adressieren, die durch potenzielle Veränderungen unter ungünstigen Marktbedingungen entstehen und sich negativ auf das Investment auswirken könnten. Ein Beispiel für einen derartigen Stresstest wäre die Simulation der Auswirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das Investment.

Der hier beschriebene Prozess ist kein einmaliger Vorgang. Es werden regelmäßig Aktualisierungen und neue Testläufe durchgeführt sowie neue Faktoren untersucht. Damit ist das Risikomanagement ein kontinuierlicher Prozess, der eine ständige Überwachung des Marktes und der Investments umfasst.

Frühwarnindikatoren und Limitsetzung

Ein praxisorientierter Ansatz, um Risiken laufend zu überwachen und zu reduzieren, ist die Festlegung von Anlagebeschränkungen und Frühwarnsignalen auf Basis des beschriebenen eigens entwickelten Modells. Diese müssen natürlich mit den konkreten, mit den Investoren vereinbarten Risiko-Rendite-Zielen übereinstimmen. In diesem Zusammenhang liegt der Fokus der Markt- und Liquiditätsrisikokategorien typischerweise auf Faktoren wie den Immobilientypen (zum Beispiel Büro, Logistik, Handel), den geografischen Standorten (zum Beispiel nationale Region, Land), der Risikoklassifizierung oder dem Lebenszyklus (zum Beispiel Core, Value-added, opportunistisch), dem Einzelobjekt- oder Einzelmieterrisiko, der Branche und Kreditqualität des Mieters, den Mietrückständen, der Mietrestlaufzeit, den nicht durch Mietgarantien abgedeckten Leerständen, der Zusammensetzung der Anlegerbasis und den Anteilsrückgabetrends.

Neben Markt- und Liquiditätsrisiken gibt es auch für das Verschuldungsrisiko und das Kontrahentenrisiko Anlagebeschränkungen oder Frühwarnsignale. Der Beleihungswert (Loan-to-Value, LTV) ist die am häufigsten verwendete Kennzahl für die Überwachung des Verschuldungsgrads eines Immobilienportfolios. Allerdings bildet der LTV nicht die Auswirkungen der Fremdfinanzierungsquote auf die Rendite oder den Cash-Flow ab.

Daher ist das Verhältnis von Nettomietertrag zu den Kosten des Schuldendienstes (Zinsdeckung) ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Genauso wichtig ist das Verhältnis von Nettomietertrag zur Darlehenssumme (Fremdkapitalverzinsung): Es zeigt, wenn die Verschuldung bedingt durch niedrige Zinsen oder Wertsteigerungen ansteigt. Der Risikomanagementprozess endet mit einem stringenten Backtesting-Prozess, durch den die durchgeführten Simulationen, Stresstests, Anlagebeschränkungen und Frühwarnsignale validiert werden sollen.

Nur weil die Rolle des "Mittelfeldspielers" von den Fußballvereinen erst in den vierziger Jahren offiziell anerkannt wurde, bedeutet das nicht, dass die Mittelfeldposition bis dahin unbesetzt blieb. Das gleiche gilt für das Risikomanagement und dessen Herausbildung zu einem klar definierten, formalisierten Prozess bei Immobilienanlagen. Die Analogie lässt sich noch weiterführen. Einige Mittelfeldspieler unterstützen häufiger den Sturm, während sich andere eher in Richtung Abwehr orientieren. Darüber hinaus hängen die Anzahl der Mittelfeldspieler in einem Team sowie die ihnen zugewiesenen Rollen von der Aufstellung des Teams ab. In ähnlicher Weise kann sich die genaue Rolle des Risikomanagements im Immobilienfondsmanagement in Abhängigkeit von der Governance- und Risikokultur der betreffenden Gesellschaften unterscheiden.

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