Eigenheim-Rente

Umkehrhypotheken - Marktpotenzialstudie Deutschland

Reich an Realvermögen, doch klamm bei Kasse. So geht es vielen Senioren heute schon und ihre Zahl dürfte weiter steigen. Als eine Möglichkeit, das in den selbst genutzten Wohnimmobilien gebundene Kapital zu aktivieren, wird seit Jahren die sogenannte Umkehrhypothek nach angelsächsischem Vorbild diskutiert und nunmehr auch von verschiedenen Anbietern erprobt. Entscheidend für deren Erfolg wird einerseits sein, wie groß der Markt überhaupt ist, andererseits wie gut es gelingt, die potenziellen Kunden anzusprechen und von dem Produkt zu überzeugen. Die Autoren zeigen, dass der Bedarf für das Produkt durchaus beträchtlich ist, ein Teil der möglichen Interessenten jedoch bislang nur unzureichend durch Finanzdienstleister erreicht wird. (Red.)Während sich der Markt für Umkehrhypotheken in den angelsächsischen Ländern etabliert hat und in den USA sogar eine staatliche Förderung erfährt, befindet er sich in Deutschland noch weitgehend in einer Entwicklungsphase. Allerdings sind in den letzten Jahren auch hierzulande die Anzahl an privaten Anbietern und die Vielfalt an Produkttypen stark angestiegen. Zudem besteht laut Angaben der Anbieter in der Bevölkerung eine rege Nachfrage nach Umkehrhypotheken. Nachfolgende Untersuchung gibt einen Einblick in das Absatzpotenzial des deutschen Marktes. Ein demografisch bedingter Rückgang der gesetzlichen Rente in den kommenden Jahrzehnten und die sich daraus ergebende Erfordernis einer zusätzlichen Eigenvorsorge deuten auf einen starken Wachstumsmarkt hin. Über innovative Finanzprodukte wie Umkehrhypotheken (englisch: Reverse Mortgages) wird es Wohneigentümern ermöglicht, ihr Immobilienkapital zu liquidieren und dieses als Renteneinkommen zu verwenden. Dazu wird die Immobilie mit einem Kredit belastet, der entweder als gleichbleibender, periodisch wiederkehrender Betrag (Annuität), als Einmalzahlung oder flexibel als Kreditlinie an den Rentnerhaushalt ausgezahlt wird. Das Eigentum an der Immobilie bleibt beim Ruheständler, die Kreditschuld wird erst beim Ableben des Rentenempfängers oder beim Auszug aus der Immobilie, beispielsweise durch die Verwertung der Immobilie, beglichen. Tilgungszahlungen erfolgen während der Laufzeit nicht. Der Mechanismus einer Umkehrhypothek ermöglicht älteren Wohneigentümern den Zugang zu ihrem Immobilienvermögen und erhöht damit ihre Liquidität. So kann deren Portfolio diversifiziert werden, anstatt einen bedeutenden Anteil des Vermögens in einer einzigen Anlage, der Immobilie, zu halten. Neben dem Vorteil einer lebenslangen Einkommenssicherung liegt ein weiterer positiver Effekt von Umkehrhypotheken darin, dass der Konsum von älteren Wohneigentümern gesteigert werden kann, ohne dass die Immobilie verkauft werden muss und ein Umzug erforderlich wird, da ihnen mehr liquide Mittel zur Verfügung stehen. Darüber hinaus können Umkehrhypotheken eine entscheidende Bedeutung bei Erbschaften einnehmen, indem die Möglichkeit geschaffen wird, einen Teil des Immobilienvermögens in liquider Form zu vererben. Des Weiteren kann durch die Verrentung der Immobilie, besonders bei kinderlosen Wohneigentümern, das Risiko von ungewollten Erbschaften reduziert werden. Als potenzielle Kunden lassen sich somit folgende Zielgruppen identifizieren: - Wohneigentümer, deren regelmäßige Einkünfte nicht ausreichen, und die deshalb auf zusätzliche liquide Mittel angewiesen sind, um ihren täglichen Ruhestandsbedarf zu decken. - Personen, die mit steigendem Alter hohe Gesundheitsausgaben decken oder Ausgaben durch altengerechte Umbaumaßnahmen, Instandhaltung oder Reparaturen an der Immobilie tragen müssen. - Kinderlose oder Personen, deren Erben nicht auf die Vererbung der Immobilie angewiesen sind, sowie Personen, die das Immobilienvermögen nur zu einem Teil oder in liquider Form zu vererben wünschen. - Haushalte ohne finanzielle Engpässe, die ihren Lebensstandard verbessern oder liquide Mittel zur Finanzierung von Konsumbedürfnissen wie zum Beispiel für Reisen nutzen wollen. Von den Anbietern in Deutschland werden grundsätzlich ein weitgehend schuldenfreies Immobilienvermögen von mindestens 100000 Euro sowie ein Mindestalter von 60 Jahren gefordert. Dies kann als allgemeine Voraussetzung für den Abschluss einer Umkehrhypothek angesehen werden. Einen Überblick über die Zugangskriterien und weiterere Charakteristika der Anbieter gibt Abbildung 1. Empirische Untersuchung zum Marktpotenzial Ausgehend von den beschriebenen Prämissen lässt sich das Marktpotenzial für den deutschen Markt ableiten. Zur Analyse des Marktpotenzials wird auf Wohneigentümer von über 60 Jahren zurückgegriffen. Da in Deutschland gemäß Statistischem Bundesamt knapp 6,5 Millionen Wohneigentümer in einem Alter von mindestens 60 Jahren leben, stellt diese Zahl somit auch die Obergrenze des Marktpotenzials dar. Zur weiteren, detaillierten Eingrenzung des Marktpotenzials wird auf den Save-Datensatz 2010 des MEA Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (Mannheim Research Institute for the Economics of Aging) mit Informationen zu 540 Haushalten zurückgegriffen. Eine hohe Repräsentativität des Datensatzes hinsichtlich des Einkommens und der Haushaltsgröße ist durch entsprechende Gewichtungsfaktoren gegeben. Zudem finden Daten des Statistischen Bundesamtes Berücksichtigung. Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, geben Anbieter in Deutschland als kritische Grenze weitgehend ein schuldenfreies Immobilienvermögen von mindestens 100000 Euro an. Daher setzt die Marktpotenzialuntersuchung, nach einem allgemeinen Überblick zur finanziellen Situation der Immobilieneigentümer, an dieser Grenze an. Die Verteilung des Nettoimmobilienvermögens unter den Wohneigentümern lässt erkennen, dass die Immobilienvermögen relativ gleichmäßig verteilt sind. Dies ist unter anderem deswegen der Fall, weil oftmals Vermögen durch Vererbung und nicht aus eigener Leistung geschaffen werden. Mehr als jeder fünfte Haushalt erhielt seine Immobilie aus einer Schenkung oder aus einer Erbschaft. Zudem nimmt das Immobilienvermögen mit zirka 80 Prozent das größte Gewicht am Bruttogesamtvermögen ein. Das Finanzvermögen liegt damit weit hinter dem Realvermögen zurück. Bei der einkommensschwachen Hälfte der Wohneigentümer, das heißt der Zielgruppe mit dem wahrscheinlich dringendsten Kapitalbedarf, nimmt das Immobilienkapital mit knapp 88 Prozent vom Bruttogesamtvermögen einen noch höheren Anteil des Vermögens ein. Darüber hinaus verfügt knapp die Hälfte der Befragten lediglich über ein Finanzvermögen von weniger als 25000 Euro. Dies stellt für die meisten Wohneigentümer eine unzureichende Rücklage für finanzielle Notfälle dar. Ein beachtliches Marktpotenzial ergibt sich folglich aus der Tatsache, dass eine hohe Anzahl an älteren Personen existiert, die auf werthaltige Immobilienvermögen zurückgreifen kann und zugleich über relativ niedrige Finanzvermögen verfügt. Knapp 73 Prozent der Wohneigentümer verfügen über ein Immobilienvermögen (netto) von über 100000 Euro. Dies entspricht einem Marktpotenzial von knapp 4,7 Millionen (73 Prozent von 6,5 Millionen) Wohneigentümern im Alter von über 60 Jahren. Da einige Anbieter als primäre Zielgruppe "liquiditätsbeschränkte Wohneigentümer mit geringen Einkünften" ansehen und bei dieser Zielgruppe der Bedarf an zusätzlichen Einkünften erwartungsgemäß am höchsten ist, wird zur Bestimmung des Marktpotenzials auch die Differenz zwischen Einkommen und Konsum ermittelt. Nettoeinkommen 13 Prozent der Wohneigentümer verbleibt nur etwas vom Einkommen, wenn zusätzliche Einkünfte hinzukommen. Knapp jedem fünften Haushalt reicht das Einkommen oft nicht (13 Prozent) oder nie (vier Prozent). Demnach können etwa 30 Prozent der Wohneigentümer im Rentenalter den alltäglichen Bedarf nicht mit den laufenden Einkünften decken. Sie konsumieren ihre Einkommen vollständig und bauen zum Teil Vermögen ab, um zusätzliche Liquidität zu generieren. Die Zielgruppe der liquiditätsbeschränkten Wohneigentümer entspricht somit einem Marktpotenzial von knapp 1,95 Millionen (30 Prozent von 6,5 Millionen). Interessant hierbei ist, dass dazu nicht nur Bezieher niedriger Einkommen zählen, sondern auch ein wesentlicher Anteil der einkommensstarken Wohneigentümer sich hier zuordnen lässt. Dies verdeutlicht, dass das Marktpotenzial nicht ausschließlich bei den Einkommensschwachen zu suchen ist. Psychologische Motive Verschiedene individuelle und psychologische Motive beeinflussen das Potenzial hinsichtlich der Nachfrage. Insbesondere die Motive der Vererbung, der Vorsorge und des Vorsichtssparens nehmen dabei eine besondere Bedeutung ein und können weiteren Aufschluss bezüglich des Marktpotenzials geben. Sind Erbschaftsmotive niedrig und zugleich das Altersvorsorge- und Vorsichtsmotiv hoch ausgeprägt, deutet dies auf ein hohes Marktpotenzial hin. Denn diesbezüglich ist die Liquidität von Vermögensanlagen von großer Bedeutung. Werden Rücklagen vor allem gebildet, um unvorhersehbaren Ereignissen begegnen zu können, ist es notwendig, bei Bedarf auf das Vermögen zurückgreifen zu können. Eine Umkehrhypothek zur Konvertierung des Immobilienvermögens in sofort verfügbare Liquidität kann in diesem Fall dazu beitragen, das nötige Kapital zu schaffen. Die herausragende Bedeutung des Vorsichts- und Vorsorgemotivs in Kombination mit einem weniger stark ausgeprägten Erbschaftsmotiv lassen auf ein beachtliches Marktpotenzial für Immobilienrenten als Versicherungs- beziehungsweise Altersvorsorgeprodukt schließen (Abbildung 3). Denn eine Konvertierung der Immobilie kann diesen Motiven gleichzeitig gerecht werden. Auffallend und für die Immobilienverrentung von besonderer Bedeutung ist bei den Sparmotiven die geringe Wertschätzung der Vererbungsintention der älteren Wohneigentümer. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass der Anteil der Befragten, welcher das Vererbungsmotiv in diesem Kontext als unwichtig erachtet (etwa 60 Prozent), deutlich höher ist als der Anteil der Kinderlosen. Bei letzteren handelt es sich um rund elf Prozent der Wohneigentümer. Dies macht deutlich, dass die Vermeidung von ungewollten Erbschaften nicht ausschließlich für Kinderlose von Interesse ist. Somit besteht hier ein Marktpotenzial von 715000 kinderlosen Wohneigentümern im Alter von über 60 Jahren. Die Entscheidung zum Abschluss einer Umkehrhypothek wird wesentlich von der Einstellung zur Kreditaufnahme beeinflusst. So können informationsökonomische Probleme und psychologische Aspekte die Bereitschaft zum Abschluss einer Umkehrhypothek hemmen. Daher werden die Sparneigung der Wohneigentümer und die Einstellung zu einer Verschuldung im Ruhestand analysiert. Bei finanziellen Engpässen greifen mehr als die Hälfte der älteren Wohneigentümer (59 Prozent) auf die eigenen Ersparnisse zurück, ein knappes Drittel (31 Prozent) überzieht sogar das Girokonto. Eine Finanzierung in Form von langfristigen Krediten, sei dies in Form eines Bankkredits oder eines Kredits von Freunden, ist hierbei von untergeordneter Bedeutung (7,7 Prozent). Die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, wird demnach recht sorgfältig bedacht. Zumindest könnte eine kostspielige, kurzfristige Finanzierung via Girokonto mit einer Umkehrhypothek umgangen werden. Der Anteil an Profiteuren kommt einem Marktpotenzial von knapp zwei Millionen (31 Prozent von 6,5 Millionen) gleich. Potenzielle Nachfrager einer Umkehrhypothek müssen allerdings auch von den Anbietern erreicht werden. Da Umkehrhypotheken in Deutschland sich noch in einer Phase der Entwicklung befinden, ist in diesem Kontext zu klären, von wem potenzielle Nachfrager informiert und beraten werden können. Die Untersuchung verdeutlicht, dass insbesondere Banken und Versicherungen sowie Verwandten bei der Beratung der älteren Wohneigentümer und somit der Verbreitung von Umkehrhypotheken eine große Bedeutung zukommt. So wird weniger als die Hälfte der Wohneigentümer (38 Prozent) von institutionellen Investoren erreicht. Dies bedeutet einerseits, dass 2,5 Millionen (38 Prozent von 6,5 Millionen) direkten Zugang zu angebotsseitigen Informationen erhalten, andererseits existiert aber auch ein noch unerreichtes und zu mobilisierendes Potenzial von vier Millionen Wohneigentümern. Diese Personengruppe gilt es zukünftig durch verstärktes Marketing und bessere Informationskanäle zu gewinnen, um das Marktwachstum voranzutreiben. Die Untersuchung weist auf ein beachtliches Marktpotenzial für Umkehrhypotheken in Deutschland hin. 80 Prozent des Vermögens der über 60-jährigen Wohneigentümer ist in Immobilien gebunden. Knapp 4,55 Millionen der über 60-Jährigen in Deutschland besitzen Immobilienvermögen von über 100000 Euro, wovon bei knapp 2,3 Millionen das Finanzvermögen unter 25000 Euro liegt. Insgesamt haben 2,2 Millionen öfter finanzielle Engpässe. Außerdem sind knapp 715000 der über 60-jährigen Wohneigentümer kinderlos. Steigerung der Bekanntheit Ein Großteil der Wohneigentümer reduziert den Alterskonsum, um Rücklagen zu bilden. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem die Motive des "Vorsichtssparens" und der zusätzlichen Alterssicherung. Das Vererbungsmotiv tritt bei der Konsum-Spar-Entscheidung hingegen in den Hintergrund. Dies verdeutlicht, dass Umkehrhypotheken den Bedürfnissen der älteren Haushalte entsprechen dürften. Denn eine Konvertierung des Immobilienvermögens trägt dazu bei, sich einerseits diverse Konsumbedürfnisse zu erfüllen und ermöglicht anderseits, sich gegen Risiken abzusichern, ohne einen Konsumverzicht hinnehmen zu müssen. Zudem können durch eine Immobilienverrentung ungewollte Erbschaften vermieden werden. Bei knapp 6,5 Millionen Haushalten der über 60-Jährigen mit Wohneigentum lassen diese Ergebnisse auf ein beachtliches Marktpotenzial für Umkehrhypotheken in Deutschland schließen. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass nur knapp die Hälfte regelmäßig Kontakt zu Finanzintermediären aufnimmt. Damit potenzielle Nachfrager von Umkehrhypotheken von den Anbietern erreicht werden, sind verstärkte Vertriebsanstrengungen bei den Anbietern erforderlich.

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