Im Blickfeld

Vermietung nicht um jeden Preis

Immobilieneigentümer freuen sich über hohe Vermietungsstände, doch wenn bei der Auswahl der Mieter Kompromisse gemacht werden, ist der Preis, der dafür zu zahlen ist, oft sehr viel höher als bei einem vorübergehenden Leerstand. Der Wert einer Immobilie, ob nun eines Büroobjektes oder eines Shoppingcenters, bemisst sich eben nicht nur nach der Bauqualität, der Architektur, der Ausstattung und der Lage, sondern vor allem auch nach der Qualität der Mieterschaft.

Und gerade hier werden von ungeduldigen Eigentümern und Investoren allzu oft Kompromisse gemacht, die sich erst später rächen. Ein Beispiel sind Einkaufszentren. Natürlich sind vorübergehende Leerstände nicht schön. Eine gewisse Durststrecke mit einem Leerstand durchzustehen ist jedoch allemal besser als Zugeständnisse bei der Qualität der Mieterschaft zu machen. Es kann richtig sein, auf sehr gut zahlende Mieter zu verzichten, wenn diese eine Klientel anziehen, die die "Corporate Culture" stört.

Das Image einer Gewerbeimmobilie wird maßgeblich auch vom Image der Mieterschaft bestimmt. Wer im Extremfall 1-Euro-Shops akzeptiert, sollte sich die Frage stellen, welche Kundschaft diese anziehen und ob diese Kundschaft den anderen Mietern genehm ist. Wer hier Zugeständnisse macht, nur um "den Laden vollzubekommen", muss damit rechnen, dass sich die anderen - qualitativ hochwertigeren Mieter - darüber ärgern und sich mittelfristig nach Alternativen umschauen. Mit dem Leerstandsabbau von heute ist damit der Leerstand von morgen bereits programmiert. Diese "Nebenwirkungen" einer Vermietung um jeden Preis sind nicht sofort sichtbar, und genau darin liegt die Gefahr.

Käufer von Gewerbeimmobilien, die ein noch nicht voll vermietetes Objekt mit einer Erstvermietungsgarantie erwerben, sollten darauf achten, ob die Interessen zwischen ihnen als Käufer und dem Verkäufer identisch sind. Der Verkäufer hat möglicherweise nur das Interesse, das Objekt möglichst rasch zu einer möglichst hohen Miete zu vermieten, zumal dann, wenn der Kaufpreis als ein Vielfaches der Jahresmiete vereinbart wurde. Dem Erwerber des Objektes dagegen ist vor allem an einem langfristig optimierten Mietermix gelegen.

Deshalb sollte der Investor darauf achten, wie der Verkäufer - beispielsweise ein Projektentwickler - in der Vergangenheit seine Mieter ausgewählt hat, und er sollte auf sehr strikten Kriterien für die Auswahl der Mieter bestehen, falls er die Vermietung nicht selbst durchführt, sondern diese noch vom Verkäufer durchführen lässt. Andernfalls kann es zu erheblichen Konflikten zwischen beiden Seiten kommen.

Sinnvoll ist es, beispielsweise bei einem Büroobjekt eine sehr präzise Beschreibung der derzeitigen Mieter zur Basis einer Vereinbarung zu machen und festzuschreiben, dass nur solche neuen Mieter akzeptiert werden, die zu dieser Struktur passen und die die gleichen Anforderungen erfüllen. Und dies gilt nicht nur für die Bonität der Mieter - was sich ja von selbst versteht -, sondern auch für deren Image.

Professionelle Immobilieninvestoren schauen sehr genau auf das Image und die Zusammensetzung der Mieterschaft und sind durchaus bereit, für eine Immobilie, die auch in dieser Beziehung hochwertig ist, einen höheren Preis zu bezahlen als für eine Immobilie, bei welcher ein ungeduldiger Projektentwickler oder Vorbesitzer in dieser Hinsicht Zugeständnisse gemacht hat.

Heute ist viel von "Nachhaltigkeit" in der Immobilienwirtschaft die Rede. Gerade bei der Auswahl der Mieterschaft zeigt sich jedoch, ob das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit wirklich ernst gemeint ist, oder ob nur die kurzfristige Optimierung des Mietertrages im Vordergrund steht. Es ist nicht zuletzt auch im Interesse eines Projektentwicklers, der eine Immobilie mit einem bestimmten Leerstand verkauft, die restliche Vermietung so durchzuführen, dass es danach nicht zu Konflikten mit dem Erwerber kommt, weil man unterschiedliche Vorstellungen von der Qualität der Mieterschaft hat. Denn unter Investoren spricht sich herum, wer sich auch nach dem Abschluss eines Kaufvertrages die gleiche Mühe gibt wie zuvor - und wer nicht.

Georg Glatzel, Vorsitzender des Vorstandes (CEO), IFM Immobilien AG, Heidelberg

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