Konzernstrategie

"Es ist wichtig, die Kontrolle über alle Kernprozesse zu behalten"

Herr Metz, Sie sind nun seit gut einem halben Jahr Vorstandschef von Schwäbisch Hall und schon gibt es ein neues Strategieprojekt. Warum?

Unser Strategieprojekt Future, das wir 1999 aufgelegt hatten, wurde bis Ende 2005 erfolgreich umgesetzt. Die daraus resultierende positive Unternehmensentwicklung ist die Basis, auf der unser neues Strategieprogramm, dem wir den Namen Primus gegeben haben, in Zukunft aufbaut. Wir haben damit eine sehr klare und eindeutige Antwort auf die Herausforderungen und Veränderungen des Wettbewerbs gefunden.

Und Veränderungen haben sich nicht nur durch das aggressive Auftreten der Direkt- und Internetbanken ergeben, sondern auch bei großen Wettbewerbern wie Wüstenrot oder BHW. Gerade als Marktführer muss man sich immer wieder selbst hinterfragen und darf sich nicht zurücklehnen.

Welchen der beiden großen Wettbewerber, Wüstenrot beziehungsweise Postbank/BHW, betrachten Sie aufmerksamer?

Es hilft nicht, wenn man nur auf andere schaut. Ein Unternehmen muss die eigene Kraft und Substanz sehr genau kennen und einschätzen können. Uns hilft der ständige Kontakt zu den Genossenschaftsbanken. So spüren wir strukturelle Veränderungen im Markt sehr früh und können entsprechend handeln. Aber wir beobachten unsere Wettbewerber natürlich aufmerksam. Wüstenrot wie BHW sind intensiv bemüht, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern.

Als eine Reaktion auf den Wettbewerb will Schwäbisch Hall den eigenen Außendienst bis 2010 um 1 500 Mitarbeiter ausbauen. Reicht das Vertriebsnetz der Volks- und Raiffeisenbanken nicht mehr aus?

Eine Besonderheit des genossenschaftlichen Finanzverbundes ist sicherlich die große Präsenz und Kraft in der Fläche und die traditionelle Schwäche in den Ballungszentren. In den Großstädten liegen die Marktanteile der Primärbanken im Schnitt bei zehn Prozent. In der Folge ist auch Schwäbisch Hall hier im Hinblick auf Anzahl der Außendienstmitarbeiter und bei der Marktausschöpfung unterrepräsentiert. Das heißt, hier bieten sich bei den Kunden außerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes noch erhebliche Potenziale. Und obwohl wir bei diesen rund 50 Millionen potenziellen Kunden eine vergleichbare Markenbekanntheit haben, kann keine ähnlich gute Abschlussquote erzielt werden wie im Verbund: Gerade mal 30 Prozent der Nicht-Verbund-Kunden verfügen über einen Bausparvertrag.

Von diesen 15 Millionen Kunden wiederum haben nur 1, 5 Millionen ihren Bausparvertrag bei Schwäbisch Hall. Um dieses Potenzial für den genossenschaftlichen Verbund zu erschließen, wird der Außendienst um 1500 Mitarbeiter aufgestockt, die je zur Hälfte dem Stammvertrieb, der eng mit den Genossenschaftsbanken zusammenarbeitet, und einem speziellen Neukundenvertrieb für Ballungszentren zugeordnet werden.

Aber kann das nicht als lästige Konkurrenz zu den ansässigen Primärbanken verstanden werden?

Nein, der geplante Ausbau des Stammvertriebs beträgt gerade mal fünf Prozent pro Jahr. Das steht im Einklang mit den mittelfristigen Planungen der Ortsbanken zur Steigerung der Marktdurchdringung. Und in den Großstädten ist die Wahrscheinlichkeit, auf einen Genossenschaftskunden zu treffen, deutlich geringer. Selbstverständlich binden wir in jedem Fall die betroffenen Banken von Beginn an mit ein, und die Entscheidung, ob wir beispielsweise in Hamburg oder Berlin aktiv werden, wird nur in Abstimmung mit der ortsansässigen Primärbank getroffen.

Welche Regeln oder Absprachen gibt es, wenn der Außendienst auf einen Kunden der Primärbank trifft?

Sehr klare, denn es darf gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass wir etwas an den Banken vorbei machen. Von uns akquirierte Kunden werden der genossenschaftlichen Organisation vor Ort zugeführt. Unsere Aktivitäten sind also immer auch im Interesse der Primärbank. Unser Beratungsansatz beschränkt sich nicht nur auf das Bausparen, er umfasst auch die Baufinanzierung und die private Altersvorsorge, wo zusätzlich zu den Produkten der Bank auch die Angebote von Union Investment oder R+V eingebunden werden.

Hier besteht erhebliches Cross-Selling-Potenzial. Und das wollen und werden wir gemeinsam heben. Die Bank kann unseren Außendienst als ihren eigenen mobilen Vertrieb nutzen. Schwäbisch Hall bietet zentral den erforderlichen Service im Hintergrund an, doch schon die Auswahl der Außendienstmitarbeiter erfolgt in Absprache mit der Bank.

Woran messen Sie den Erfolg der Außendienstmitarbeiter und wer ist die Benchmark?

Natürlich an seiner Vertriebsleistung. Die kann mit entsprechenden Produktivitätskennziffern gemessen werden. Da liegt unser Außendienst bundesweit schon im vorderen Drittel vergleichbarer Vertriebsorganisationen. Die Vertriebsleistung unseres Außendienstes darf natürlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch den Nutzen für die ansässigen Banken einbeziehen. Zurzeit liegt die Relation im Überkreuzvertrieb bei eins zu eins, das heißt, für ein Bausparprodukt wird ein zusätzliches Produkt für die Banken oder Verbundpartner vermittelt.

Wer ist die Zielgruppe?

Im Wesentlichen die niedrigen und mittleren Einkommensschichten, die wir über das Bausparen zu Wohneigentum führen wollen.

Welchen Schaden richtet gerade da die Streichung der Wohnungsbauprämie an?

Die Diskussion um die Wohnungsbauprämie ist für uns unverständlich. Dieses effiziente Förderinstrument, das mit geringem Einsatz das Elffache an Sparleistung erzielt, bewegt gerade junge Menschen und Familien zum Bausparen und damit in Richtung Wohneigentum. Eine Abschaffung würde zu schweren Einbußen bei der Ersparnisbildung führen.

Braucht Bausparen überhaupt Förderung?

Es braucht stabile Rahmenbedingungen. Die waren über Jahrzehnte gegeben - in letzter Zeit werden sie immer wieder in Frage gestellt. Das sorgt für eine Verunsicherung der Verbraucher.

Wie reagieren Sie auf Angebote einer 100- beziehungsweise 120-Prozent-Finanzierung?

Solche Angebote kommen immer mal wieder, zeugen aber von wenig Erfahrung in diesem Geschäft. Das damit verbundene Risiko trifft nicht nur den Anbieter, sondern insbesondere auch den Kunden. Daher sind diese Angebote vor allem für den typischen Baufinanzierungskunden nicht sinnvoll. Die Auswirkungen wird man erst in vier bis fünf Jahren sehen, wenn sich erfahrungsgemäß die Frage der dauerhaften Leistungsfähigkeit des Kunden stellt.

Wie nützlich ist es, vom Finanzvorstand zum Vorstandsvorsitzenden aufzurücken, Sie kennen das Unternehmen sehr genau? Ist das hilfreich?

Solange man den Wald vor lauter Bäumen noch sieht - ja! Es kann manchmal auch hinderlich sein, wenn man zu viele Detailkenntnisse hat. Ich empfinde es aber als sehr gute Kombination. Denn ich habe ja auch als Finanzvorstand schon die strategische Ausrichtung des Hauses mitbegleitet und weiß, was wir auf der Basis unserer Substanz leisten können. Die Zusammenarbeit mit meinen Vorstandskollegen Gerhard Hinterberger und Ehrhard Steffen ist eine exzellente Konstellation, die von einer ausgesprochen starken Führungsmannschaft unterstützt wird. Bei Schwäbisch Hall stimmt also nicht nur die finanzielle Substanz, sondern auch die personelle Basis.

Was haben Sie schon verändert?

Ich halte nicht viel von grundlegenden Veränderungen um der Veränderungen willen, vor allem, wenn es gut läuft.

Dennoch gibt es immer Optimierungspotenzial. Beispielsweise haben wir die Kommunikation unserer betriebswirtschaftlichen Entwicklung verändert, um mehr Transparenz zu erreichen. Bisher stand ausschließlich das Teilbetriebsergebnis im Vordergrund. Dieses stellt zwar das operativ erzielte Ergebnis dar, aber vor Risikovorsorge. Wir haben pro Jahr 40 bis 50 Millionen Euro an Ausfällen, wenn auch granularer Art, zu verkraften. Das muss bei der zukünftigen Betrachtung berücksichtigt werden.

Hinzu kommt die gesetzlich zu Recht bestehende Verpflichtung, den bauspartechnischen Fonds mit drei Prozent der Einlagen zu dotieren. Als Marktführer wollen wir dieses Ziel möglichst schnell erreichen. Schwäbisch Hall hat per Ende 2005 eine Quote von 2,1 Prozent. Diese nur um 0,2 Prozentpunkte zu verbessern, was bei einem wachsenden Einlagenbestand nicht so einfach ist, bedeutet die Zuführung von 90 Millionen Euro versteuerter Mittel.

Welche Rolle spielt da die Unternehmenssteuerung?

Eine große Rolle. Denn mit unserer Unternehmenssteuerung haben wir es geschafft, uns ein Stück weit von der Kapitalmarktentwicklung abzukoppeln. Durch einen integrierten Ansatz können wir unsere Geldanlagepolitik gesamthaft also den Liquiditäts- und den Zinsüberschuss - steuern. Natürlich sind wir dadurch nicht gegen jede Veränderung der Zinstrukturkurve gewappnet. In der seit einigen Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase sind wir tendenziell auch in längere Laufzeiten gegangen.

Steigt nun das Zinsniveau abrupt an, werden kurzfristig stille Lasten aufgebaut, die schlagend werden, wenn wir bei zinsinduziert verstärkter Kreditnachfrage der Kunden Liquidität benötigen. Neben Kreditrisiko und Dotierung des bauspartechnischen Fonds ist das Werteverlustrisiko damit die dritte Risikokategorie, die wir verkraften und steuern müssen. Daneben müssen noch Steuern bezahlt und auch die Aktionäre wollen mit einer Ausschüttung bedacht werden.

Hat die Bedeutung der Anlagepolitik in den letzten Jahren zugenommen? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, heißt das eindeutig ja?

Vielleicht ist der Begriff Anlagepolitik zu eng. Wir müssen eine Konsistenz in der Unternehmenssteuerung erreichen, die die kompletten Fragen rund um das ökonomische Kapital und das entsprechende Risikokapital umfasst. Ein Baustein davon ist in der Tat der Komplex Geldaufnahme - Geldanlage. Wenn man sich nur auf den Aspekt Geldanlage beziehen würde, wäre das zu kurz gegriffen. Früher hat man das Bausparkollektiv getrennt von dem außerkollektiven Bereich betrachtet. Daraus lassen sich keine nachhaltigen Steuerungsimpulse ableiten.

Um das gemeinsam steuern zu können, brauchten Sie aber die Ausnahmegenehmigung vom Amt?

Richtig, denn früher wurde das sehr restriktiv gehandhabt. Erst als die BaFin den weiterentwickelten Ansatz der Branche und unser integriertes Modell akzepziert hatte, wurde die Beschränkung aufgehoben. Das hat uns die Möglichkeit eröffnet, unser gesamtes Geschäft nach einer einheitlichen Systematik zu steuern.

Noch mal zum Verhältnis Zinsüberschuss zu Provisionsüberschuss. Ist das bei Schwäbisch Hall richtig so?

Es muss in der Balance sein. Das ist bei Schwäbisch Hall auf den ersten Blick nicht der Fall, da wir einen stark negativen Provisionssaldo haben. Diesen höheren negativen Saldo, also die höhere Provisionsausschüttung, können wir nur deswegen leisten, weil wir sowohl in der Steuerung als auch im täglichen Geschäft gut aufgestellt sind.

Ohne das wäre es nicht möglich, zusätzliche Erlöse am Markt zu generieren, mehr Provisionen zu zahlen und gleichzeitig Substanz zuzuführen sowie höhere Ausschüttungen zu leisten.

Erträge sind hier nur die eine Seite, die andere sind die Kosten. Wie sind Sie hier unterwegs?

Beim Verwaltungsaufwand werden wir Ende dieses Jahres wieder das Niveau von 1996 erreichen. Das ist beachtlich und war nur möglich, weil wir rechtzeitig eine ganze Reihe von Optimierungsprozessen in Gang gesetzt haben. Wir hatten aber zu keiner Zeit eine Sanierung zu bewerkstelligen. Wir mussten dem in den neunziger Jahren aufkommenden Trend zu sinkenden Margen bei gleichzeitig steigenden Kosten gegensteuern. Das Outsourcen von Teilbereichen war dazu ein Schlüssel. Wir haben das komplette Processing an das Kreditwerk und sehr viele Verwaltungstätigkeiten wie das Catering oder die Gebäudeverwaltung an die Schwäbisch

Hall Facility Management ausgelagert. Deren Haustarifverträge liegen bis zu 20 Prozent unter dem Bankentarif. Kontinuierliche Effizienzverbesserungen haben dazu geführt, dass wir mittlerweile einen Verwaltungsaufwand von 2, 50 Euro je 1 000 Euro Bausparsumme haben. Unsere Mitbewerber liegen im Schnitt rund einen Euro höher.

Wie lange ist der Prozess des Outsourcing fortsetzbar. Gibt es Dinge, die Sie noch machen können?

Möglich ist vieles. Wir haben die großen und wichtigen Aufgaben erledigt. Dennoch werden wir das Thema Kosteneffizienz im Auge behalten. Aber es gilt auch für Kontinuität zu sorgen. Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit ihrer Arbeit und ihrem Unternehmen identifizieren, sind ein unschätzbarer Wettbewerbsfaktor. Man muss darüber hinaus immer sehr genau die Kosten und den Nutzen von Outsourcing-Maßnahmen abwägen. Denn aufsichtsrechtlich müssen diese Schritte nach §25 KWG auch entsprechend überwacht werden. Das bedeutet zusätzlichen Komplexitätsaufwand.

Wie geht es weiter beim Kreditwerk?

Wir haben uns mit der DZ Bank darauf verständigt, dass Schwäbisch Hall die Mehrheit am Kreditwerk behält. Knapp zwei Drittel des gesamten Umsatzes des Kreditwerks resultiert derzeit aus der Geschäftsbeziehung zur Bausparkasse. Für uns ist es entscheidend, die Kontrolle über alle unsere Kernprozesse zu behalten. Ein effizientes und kostengünstiges Processing im Bauspargeschäft ist neben der Produktkompetenz und dem schlagkräftigen Vertrieb seit jeher ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, macht die Zufriedenheit unserer Kunden aus und ist damit ein wesentlicher Teil unseres Geschäftserfolgs.

Aber was ist mit der Mutter DZ Bank, die hat ebenfalls ein Transaktionsinstitut?

Die DZ Bank will dieses interessante Geschäftsfeld ausbauen. Das ist verständlich und absolut richtig. Daher wird das Kreditwerk künftig innerhalb der DZ Bank-Gruppe dem Geschäftsfeld Trans-action-Banking zugeordnet.

Das Kreditwerk hat sich seit der Gründung weiterentwickelt. Ging es zunächst vor allem darum, Effizienzen für die Muttergesellschaften zu heben, stehen heute das Processing für Genossenschaftsbanken und für Dritte auf der strategischen Agenda. Durch den Kauf der Hypotheken-Management aus dem Aareal-Konzern wurde das Hypothekenprocessing sinnvoll ausgebaut und die Mandantenfähigkeit deutlich verbessert. Zum 1. Januar 2007 überträgt die DZ Bank die Bearbeitung aller Förderkredite, die sie von der KfW und anderen Förderinstituten durchleitet, auf das Kreditwerk.

Stichwort Neugeschäft: Da nehmen die Platz-Banken angesichts der Zinslage mehr und mehr Finanzierungen auf die eigenen Bücher?

Das ist aus Sicht der Banken verständlich. Im Sparkassensektor zeigt sich dasselbe Phänomen. Auch da erodieren die Bankbilanzen und die Institute vor Ort nehmen das Geschäft lieber in die eigenen Bücher. Die flache Zinsstrukturkurve belastet das Zinsergebnis zusätzlich.

Worauf zielt die neue Vertriebsoffensive von Schwäbisch Hall: Eine bessere Durchdringung der Kunden aus dem eigenen Sektor oder Neukundengewinnung aus anderen Sektoren?

Unsere Strategie zielt in beide Richtungen. Wir können auch im genossenschaftlichen Verbund noch einen besseren Job machen und wesentlich mehr erreichen. Eine Hauptstoßrichtung aber besteht darin, außerhalb des Verbundes zusätzlich Kunden für die Genossenschaftsbanken und für unser Haus zu gewinnen, damit sich der Verbund im Wettbewerb mit Direkt- und Onlinebanken sowie anderen Vertriebsorganisationen behaupten kann. Durch eine stärkere Vertriebskooperation kann Schwäbisch Hall einen guten Beitrag leisten, die Mittel- und Kundenabflüsse bei den Primärbanken zu stoppen.

Wobei die Direktbanken sehr stark über den Preis gehen?

Das ist richtig. Aber Nichtstun bedeutet, der Entwicklung eines Erosionsprozesses zuzuschauen. Neben dem Preis ist die Produkt- und Beratungsqualität entscheidend, beides Punkte, bei denen wir eine Spitzenstellung einnehmen und uns weiter verbessern wollen.

Das heißt, Ihre Angebote sind auch vom Preis her gesehen wettbewerbsfähig?

Selbstverständlich. Wir haben mit dem Kreditwerk die wichtigste Voraussetzung, kostengünstig anbieten zu können. Schwäbisch Hall ist eine Erfolgsgeschichte, die nun schon über 75 Jahre andauert. Wir fühlen uns gut gerüstet, diesen erfolgreichen Kurs mit neuen Akzenten fortzuführen.

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