Zinskommentar

Zinsprognosen werden schwieriger

Am 2. Oktober entschied die Führungsriege der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzins weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 0,5 Prozent zu belassen. Begründet wurde die Entscheidung mit der weiterhin mittelfristig geringen Inflationsgefahr und der leichten wirtschaftlichen Erholung bei nach wie vor verhaltenen Finanz- und insbesondere Kreditmärkten.

Europas Wirtschaft zeige einen kontinuierlichen Anstieg im Wachstum, der durch die Geldpolitik unterstützt werde, erläuterte EZB-Präsident Mario Draghi, die Zinsentscheidung der EZB. Die Inflationsrate liegt mit 1,1 Prozent unter der von der EZB angestrebten Marke von zwei Prozent. Trotz starker Aktienmärkte ist die konjunkturelle Dynamik weltweit und in Deutschland gering. Dies senkt die Inflationserwartungen. Aus Sicht der EZB liegt sie damit am unteren Ende des avisierten Preiskorridors und somit im grünen Bereich.

In diese Bewertung wurden von ihr die wirtschaftliche Lage, die aktuellen Energiepreise und der Wechselkurs einbezogen. Das Verschuldungsproblem der USA und die Unfähigkeit politische Lösungen zu finden wirkten sich auf den Wechselkurs aus: In den letzten Wochen wertete der Euro gegenüber dem Dollar deutlich auf und belastete die schon angeschlagene Wettbewerbssituation der südeuropäischen Länder. Steigende Rohstoffpreise sowie zunehmender Aufwand des administrativen Staatsapparates oder der indirekten Steuern könnten die Inflation wieder nach oben treiben, während ein zu schwaches Wirtschaftswachstum sie weiter senken könnte.

Die Dynamik der Kreditmärkte ist weiterhin gedämpft, weil Banken zu wenige Darlehen an Privatpersonen und Firmen weitergeben. Zwar stockten sie ihr Eigenkapital unter dem Druck der verschärften Regulierungen auf, noch ist es aber zu gering für eine Ausweitung der Risikoaktiva. Auch die Nachfrager sind aufgrund der noch hohen wirtschaftlichen Unsicherheit eher risikoscheu. Zwar sei viel unternommen worden, um die Situation der Banken und der Krisenstaaten zu verbessern, aber um einen optimalen Kreditfluss zu ermöglichen, müsse die Fragmentierung der Märkte sinken, sagte Draghi.

Nach einem kontinuierlichen Anstieg seit Mai bewegten sich die Baufinanzierungszinsen in den vergangenen vier Wochen seitwärts. "Europa kann und wird sich bei den kurzen Zinsbindungen mittelfristig kein höheres Zinsniveau leisten", sagt Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG. "Die Baufinanzierungszinsen sind aber nicht direkt von der EZB beeinflussbar, weshalb wir Privatkunden raten, sich das aktuelle Zinsniveau langfristig zu sichern." Die Entwicklung der Baufinanzierungszinsen in Deutschland wird weiterhin durch die unsichere Situation in den USA und die Wechselkurssitua tion des Euro beeinflusst. Obwohl Ben Bernanke wider Erwarten im September an seiner ultralockeren Geldpolitik festhielt, verharren die Renditen für amerikanische Staatsschulden auf erhöhtem Niveau. Dazu tragen das US-Haushaltsdebakel und die Debatte um die Verschuldungsgrenze bei. Sollte es dort zu keiner Einigung kommen, wären noch weit höhere US-Zinsniveaus vorstellbar.

Diese Entwicklung trieb nicht nur den Euro nach oben, sondern verhinderte auch weitere Zinssteigerungen in Deutschland. Umgekehrt könnten jedoch bei einer Einigung die Kapitalströme wieder aus dem Euro fließen und die Renditen für Bundesanleihen und damit die Baufinanzierungszinsen wieder steigen. "Solange unklar ist, ob sich die Regierungsparteien in den USA einigen können, wie die Länder Südeuropas ihre Verschuldungssituation bewältigen und wer in Deutschland regiert, unterliegen Prognosen zur Zinsentwicklung erneut höchster Unsicherheit", sagt Stephan Gawarecki und ergänzt "Wenn sich die Lage stabilisiert und sich die konjunkturellen Lichtblicke festigen, ist mit einem weiteren Zinsanstieg zu rechnen". Privatkunden sollten nicht auf weiter sinkende Zinsen spekulieren, sondern die Situation nutzen, um sich langfristig das nach wie vor historisch niedrige Zinsniveau zu sichern. Dr. Klein & Co. AG

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