Immobilienrecht

Stresstest für die türkische Immobilienwirtschaft

Sabri D. Kamiloglu, LL.M., Rechtsanwalt, KL-Kanzlei für Immobilienrecht, Frankfurt

Quelle: privat

Mitte April fand in der Türkei eine Volksabstimmung über eine Änderung der türkischen Verfassung statt, bei der eine sehr knappe Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt hat. Das Verhältnis zur Europäischen Union und Deutschland ist nicht zuletzt hierdurch angespannt, die Lage in den südöstlichen Nachbarländern ist instabil und teils katastrophal. Die Verfassungsänderung sieht schwerwiegende Umstrukturierungen bei der staatlichen Gewaltenteilung vor, bedeutet aber keine grundsätzliche Abschaffung der Demokratie.

Milliardenschweres Investitionsprogramm

Die Investoren im In- und Ausland sind aufgrund der politischen Entwicklungen verunsichert. Viele Unternehmen, die mit der im Land verbotenen Gülen-Bewegung in Bezug gebracht werden, wurden seit dem Putschversuch geschlossen oder werden durch staatliche Sachwalter fortgeführt. Teilweise haben hierdurch deutsche Unternehmen ihre Geschäftspartner verloren. Die ausländischen Unternehmen sind aber dennoch nicht rechtlos. Die staatlichen Maßnahmen beziehen sich meist auf den strafrechtlichen Bereich. Deutsche Unternehmen können ihre Rechte auf zivilrechtlichem Wege national und international beanspruchen. Zudem sind sie weiterhin willkommen und genießen ein freundliches Investitionsklima.

Die türkische Wirtschaft leidet an den Folgen der politischen Entwicklung, auch wenn beispielsweise die Bereiche Immobilien, Bauwesen und Energiesektor nicht direkt betroffen sind. Wirtschaftsexperten befürchten jedoch, dass das Ergebnis des Referendums Investoren aus dem Ausland zukünftig abschrecken könnte. Das Wirtschaftswachstum, der Handel und die Direktinvestitionen haben sich bereits abgeschwächt. Die Weltbank rechnet für das Jahr 2017 mit einem Wirtschaftswachstum von nur noch 2,7 Prozent, für 2018 mit 3,5 Prozent und für 2019 mit 3,7 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass zwischenzeitlich alle drei großen Ratingagenturen den Ausblick bezüglich der Kreditwürdigkeit auf den Status negativ gesetzt haben.

Die türkische Regierung versucht indes die negative Entwicklung durch verschiedene Maßnahmen abzuwenden. Dazu zählen neue Gesetze zur Ausweitung von projektbezogenen Investitionsförderungen und zur Gründung von staatlichen Vermögensfonds zur Stützung von Investitionen in Infrastrukturprojekte. Die türkische Wirtschaft reagiert bei alledem demonstrativ gelassen. Schließlich präsentieren die wirtschaftlichen Investitionen im Inland ein anderes Bild, denn trotz der ungünstigen Situation im In- und Ausland zeigt die türkische Wirtschaft weiterhin eine nicht unbeachtliche Stabilität. Der Immobilien- und Verkehrsinfrastruktursektor wächst ungebremst fort. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim kündigte beispielsweise für die Provinzen in Ost- und Südostanatolien ein 62 Milliarden Türkische Lira schweres Investitionsprogramm für die Jahre von 2017 bis 2020 an, die - zumeist als Public Private Partnerships (PPP) strukturiert - 78 Milliarden an Privatinvestitionen nach sich ziehen sollen.

Grundstückserwerb trotz Bürokratie möglich

Das türkische Immobilienrecht hat in den letzten Jahren zahlreiche Neuerungen erfahren, obschon sie nach wie vor sehr von Bürokratie geprägt ist. Der Erwerb durch Ausländer ist grundsätzlich möglich. Er wird vom türkischen Staat begrüßt und ist leichter als in vielen europäischen Staaten. Im Grundsatz bestehen jedoch einige Beschränkungen. So ist der Erwerb beispielsweise in territorialer Hinsicht derart beschränkt, dass nicht mehr als zehn Prozent des erwerbbaren Grund und Bodens einer Gemeinde in ausländischer Hand sein dürfen. Insgesamt dürfen ausländische Personen in der gesamten Türkei nicht mehr als eine Fläche von insgesamt 30 Hektar erwerben.

Eine weitere Erwerbsbeschränkung gilt unter anderem für militärische Sicherheitszonen. Sofern ein Grundstück ohne Bebauung erworben wird, müssen dem Ministerrat innerhalb von zwei Jahren Projektunterlagen bezüglich der baulichen Nutzung vorgelegt werden. Bei ausländischen Unternehmen ist die Nationalität des Kapitalgebers ausschlaggebend. So unterliegen beispielsweise nach Artikel 36 des Grundbuchgesetzes auch türkische Unternehmen den Beschränkungen, wenn mindestens 50 Prozent ausländisches Kapital vorliegt. Nach der Reformierung des Handelsgesetzbuches aus dem Jahr 2012 können Ausnahmen zugelassen werden, sofern beteiligte türkische Unternehmen das Direktionsrecht besitzen.

Notarielle Urkunden sind nicht ausreichend

Beachtet werden sollte insbesondere, dass der Grundstückserwerb nur direkt vor dem Grundbuchamt möglich ist. Notarielle Urkunden sind insofern nicht ausreichend. Das in Deutschland gültige Abstraktionsprinzip ist in der Türkei nicht relevant. Dieser Umstand wird meist durch ausländische Privatinvestoren beziehungsweise Ferienhauskäufer missachtet, sodass finanzielle Schäden mangels Eigentumsübertragung die Folge sind.

Der Immobilienerwerb stellt keine größeren Hürden und kann sich noch lohnen, da eine langfristige Markterholung als wahrscheinlich gilt. Die Immobilienwirtschaft wächst aufgrund der Maßnahmen weiter, Großprojekte sind in der Pipeline, das Immobilienrecht gewährleistet sichere Rahmenbedingungen, obschon die äußeren Einflüsse unverkennbar einem Stresstest gleichen. Die wirtschaftlichen Reformen der türkischen Regierung helfen zwar das Investitionsklima zu verbessern. Von maßgeblicher Bedeutung wird aber letztendlich sein, ob politische Ruhe und stabile Verhältnisse einkehren und das Land endlich zur Tagesordnung übergehen kann.

Autor: Sabri D. Kamiloglu, LL.M., Rechtsanwalt, KL-Kanzlei für Immobilienrecht, Frankfurt am Main

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