Die Angst vor Immobilien

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

Es sind die zwei Seiten derselben Medaille. Die Deutschen investieren trotz der stetig steigenden Preise für Grundstücke, Objekte oder das Bauen immer mehr Geld in Immobilien. Zum Ende des ersten Quartals des Jahres 2021 belief sich die Summe der von den Banken für den Wohnungsbau vergebenen Kredite laut Deutscher Bundesbank auf insgesamt rund 1,59 Billionen Euro. Ende 2019 waren es 1,47 Billionen Euro, Ende des Jahres 2018 nur 1,39 Billionen Euro. Das aktuelle Baufi-Barometer der ING Deutschland, für das die Kundendaten der vergangenen sechs Jahre ausgewertet wurden, zeigt einen sehr stabilen Darlehensbestand, der im November bei rund 56 500 Darlehensverträgen stand. Sechs Jahre zuvor (2016) waren es 55 300. Parallel stieg die Zinsbindungsdauer bei den Baufinanzierungen im gleichen Zeitraum von durchschnittlich 10,7 auf 12,4 Jahre an. Dabei werden laut ING Immobilien vermehrt als Kapitalanlage genutzt. Waren 2016 noch 80,4 Prozent aller ING-finanzierten Objekte für die eigene Nutzung vorgesehen, so ist dieser Wert 2021 auf 74,8 Prozent gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil bei den vermieteten Immobilien von 15,9 auf 21,8 Prozent.

Für die deutsche Bankenaufsicht wird dieser "Traum von der Immobilie", der natürlich gut für die deutsche Kreditwirtschaft ist, hält das doch in Zeiten von Null- und Negativzins wenigstens über Volumensteigerungen die Rückgänge des Zinsergebnisses einigermaßen in Grenzen, immer mehr zum Albtraum. Die Bundesbank warnt seit vielen Jahren in den Finanzstabilitätsberichten vor den Risiken, die von überteuerten Immobilien ausgehen. Aktiv geworden sind die Aufseher aber noch nicht, die makroprudenziellen Instrumente sind nach vor in der Schublade, nicht zuletzt weil diese einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstellen.

Die BaFin unter ihrem neuen Präsidenten Mark Branson ist da weniger zimperlich. Zum Entsetzen der kreditwirtschaftlichen Verbände plant sie den antizyklischen Kapitalpuffer, der seit 2020 wegen der Bewältigung der Corona-Pandemie ausgesetzt war, zeitnah wieder zu aktivieren. Doch statt 0,25 Prozent der risikogewichteten Aktiva auf inländische Risikopositionen müssen die Institute den Plänen zufolge nun stolze 0,75 Prozent zurücklegen. Hinzu kommt nach den BaFin-Plänen ein "sektoraler Systemrisikopuffer" von 2,0 Prozent der risikogewichteten Aktiva auf mit Wohnimmobilien besicherte Kredite. Das erhöht die Kapitalanforderungen enorm. Für den antizyklischen Kapitalpuffer müssen rund 17 Milliarden Euro zusätzlich aufgewendet werden, für den sektoralen Systemrisikopuffer noch einmal 5 Milliarden Euro. Laut BaFin können die Institute die Anforderungen, die voraussichtlich ab 2023 vollständig zu erfüllen sind, fast vollständig aus bestehendem Überschusskapital erfüllen können, nur bei wenigen Instituten ergebe sich ein zusätzlicher Kapitalbedarf in geringer Höhe, heißt es.

"Mit diesen Kapitalpuffern tragen wir nicht nur den zyklischen Risiken Rechnung, sondern begegnen auch zielgenau den spezifischen Finanzstabilitätsrisiken am Wohnimmobilienmarkt, wo Preis- und Kreditwachstum momentan sehr stark sind", begründet Branson die Maßnahme. Ergänzend zu den Kapitalmaßnahmen mahnt die Aufsicht Banken, Versicherungsunternehmen und andere Kreditgeber, angesichts der aktuellen Entwicklungen am Markt für Wohnimmobilien bei der Neukreditvergabe besonders vorsichtig zu sein. Sie erwartet eine konservative Bewertungs- und Kreditvergabepraxis, die Finanzierungen mit hohem LTV restriktiv behandelt und eine solide Schuldentragfähigkeit der Kreditnehmer dauerhaft, also auch in Stressphasen wie bei steigenden Zinsen, sicherstellt.

Genau das ist es aber doch, was die Deutsche Bundesbank den Banken und Sparkassen im Finanzstabilitätsbericht zugutehält. "Zwar steigt die Verschuldung der Haushalte bereits seit einigen Jahren, aktuell sehen wir aber keine stark nachlassenden Kreditvergabestandards", sagte Vizepräsidentin Claudia Buch bei der Vorstellung des Berichts im November 2021. Aber auch die Bundesbank fürchtet, dass das Bewusstsein für Risiken in der aktuellen Phase abnehmen könnte. So habe sich der Frühwarnindikator der Bundesbank, der die Wahrscheinlichkeit von Finanzkrisen signalisiert, während der Pandemie weiter erhöht. Entsprechend hält auch die Deutsche Bundesbank die Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers für richtig. Anders als die Bankenlobbyisten, die die Entscheidung scharf kritisieren und die Finanzierung des Aufschwungs in Gefahr sehen.

Ganz so schlimm wird es wahrscheinlich nicht kommen. Aber ein Geschmäckle hat es schon, dass die Bankenaufsicht Entwicklungen kritisiert, für die die Zentralbanken selbst verantwortlich zeichnen. Gäbe es über den Zins Anlagealternativen, würde sicherlich weniger Geld in den Immobilienmarkt fließen. Aber solange sich an der Geldpolitik nichts ändert, wird die Nachfrage weiterhin das Angebot übersteigen, was der Sorge vor einem Platzen der vermeintlichen Immobilienblase einiges an Kraft nimmt. P.O.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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