Wie die deutsche Politik zur Enteignung der Sparer beiträgt

Jakob Mähren, Vorsitzender des Vorstands, Mähren AG, Berlin

Vor Kurzem hat sich Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) verabschiedet. Draghi, der die EZB seit 2011 geführt hat, genießt nicht den allerbesten Ruf in Deutschland - schließlich war es seine radikale Niedrigzinspolitik, durch die das in der Bundesrepublik so geliebte Sparbuch vollends unrentabel geworden ist. Oft wird der EZB-Politik, vielleicht nicht ganz zu Unrecht, deshalb vorgeworfen, dass sie die deutschen Sparer enteigne. Die Kritik an der EZB ist aber scheinheilig, solange hierzulande systematisch alternative Anlagestrategien nicht unterstützt beziehungsweise sogar erschwert werden. Erst dadurch schließlich wird der deutsche Sparer tatsächlich enteignet: indem man ihm trotz Niedrigzinsen keinen Ausweg aus der Misere aufzeigt, sondern alle Auswege mit Hürden verstellt.

Ein Beispiel ist der Aktienkauf. Es ist heutzutage so einfach wie nie, am Aktienmarkt teilzunehmen; vor allem durch den Siegeszug der ETF, aber auch durch immer geringere Depotgebühren sind selbst Kleinsparer in der Lage, ein breit diversifiziertes Aktienportfolio zu halten und somit mit langfristig darstellbarem Risiko vom Wachstum der Unternehmen zu profitieren. Man sollte meinen, dass diese Form der privaten Kapitalanlage politisch unterstützt wird, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Bundesfinanzminister plant die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, auch Börsensteuer genannt. Sie wird schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert, vor allem als Reaktion auf die Finanzkrise, um Finanzspekulationen stärker zu besteuern. Die Pläne jetzt sehen allerdings vor, nur Aktien, aber keine riskanteren Derivate zu besteuern. Noch dazu wird Luxemburg die Steuer nicht einführen, für viele institutionelle Investoren wird sie also gar kein Thema sein. Doch ausgerechnet der Kleinsparer, der sich um ein paar Prozent Rendite bemüht, wird als gieriger Spekulant gebrandmarkt, den es zu bekämpfen gilt.

Apropos "gieriger Spekulant": Als solcher gilt inzwischen auch jeder, der in Deutschland über Wohneigentum verfügt. Das Thema Immobilien wird hierzulande ja nur noch als Kampf zwischen Mieter (gut) und Vermieter (böse) erzählt; nicht aber, wie es eigentlich sein sollte, als sinnvolle Investition, egal ob als Kapitalanlage oder zur Selbstnutzung, die mit hoher Effizienz vor Altersarmut schützt. Kein Wunder, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland seit vielen Jahren auf unterstem Niveau stagniert. Gefördert wird Wohneigentum hierzulande erst recht nicht, mal abgesehen vom zeitlich und was die Förderberechtigung angeht eng begrenzten Baukindergeld. Stattdessen wird aber die Grunderwerbsteuer ständig erhöht, die Immobilienkäufer von ihrem Eigenkapital zahlen müssen und die den Erwerb von Wohneigentum deshalb enorm erschwert.

Wer in Deutschland privat vorsorgen will, muss also eine ganze Menge Schwierigkeiten und Vorurteile aus dem Weg räumen. Das führt übrigens auch zu einer ungerechteren Vermögensverteilung. Wer nämlich über Aktien- oder Immobilienvermögen verfügt, profitiert von den niedrigen Zinsen, weil Aktien- und Immobilienwerte dadurch tendenziell steigen. Wer dagegen weiter auf Sparbuch und Lebensversicherung baut, so wie es die deutsche Politik für die normalen Bürger offenbar vorsieht, verliert real Geld. Es ist doch völlig klar, dass die Vermögensschere immer weiter aufgeht, wenn Privathaushalte aktiv von einer sinnvollen Geldanlage abgehalten werden. Erleben wir derzeit also eine Enteignung des deutschen Sparers? Ja, die Hauptschuld daran trägt aber nicht Mario Draghi oder die EZB, sondern vor allem die deutsche Politik.

Jakob Mähren, Vorsitzender des Vorstands, Mähren AG, Berlin

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