Knight Frank auf Abwegen?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Wohnen ist zu einem Rohstoff geworden: Seit der Finanzkrise haben sich Wohnimmobilien zu einem komplexen Investitionsvehikel entwickelt, das große Summen aus Fonds und Unternehmen anzieht." Nein, dieser Satz stammt nicht aus dem Manifest der Bürgerinitiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" oder dergleichen. Zu lesen ist er stattdessen in dem jüngsten Report ("Urban Futures - Affordable Living Solutions for Economic Longevity") aus dem Hause Knight Frank, deren Researcher erstmals die Erschwinglichkeit von Wohnraum auf der globalen Ebene anhand von 32 Städten untersucht haben. Das ist insofern kurios, als Knight Frank bislang vor allem mit Publikationen wie dem "Wealth Report", der das hochpreisige Luxusimmobiliensegment beleuchtet, auf sich aufmerksam gemacht hat. Solche Dimensionen hat die Wohnungskrise inzwischen also angenommen, dass Immobilieninvestoren aus dem eigenen Lager Anfeindungen ertragen müssen. Doch vor voreiligen Schlüssen sei gewarnt: Das rege Interesse von Profianlegern an der Assetklasse Wohnen wird in der Analyse nur als einer von diversen Faktoren zur Erklärung der vielerorts angespannten Wohnungsmärkte herangezogen. So bekommen natürlich auch die Politiker ihr Fett ab: Angeprangert werden die zumeist völlig rückständigen Vorgaben bei der Ausweisung neuer Grundstücke sowie die weit verbreitete Doppelmoral, bezahlbaren Wohnraum lautstark zu propagieren, am Ende aber oftmals doch finanziell attraktiveren gewerblichen Projektentwicklungen den Vorrang zu geben.

Alles in allem sind die von Knight Frank ermittelten Konsequenzen dramatisch: Im Mittel lag das Preiswachstum von Wohnimmobilien in den 32 analysierten Städten rund um den Globus in den vergangenen fünf Jahren bei 24 Prozent, während das Realeinkommen der ansässigen Bevölkerung im selben Zeitraum nur um acht Prozent stieg. In Summe betrug im Jahr 2018 der Abstand für bezahlbaren Wohnraum gemessen an der Differenz zwischen Hauspreisen und Einkommen weltweit geschätzte 740 Milliarden US-Dollar. Zieht man das Verhältnis von Mieten und Einkommen heran, so ergibt sich ein ähnliches Bild. An einer Fortsetzung dieses Trends könne niemand Interesse haben. Denn - ähnlich wie der ZIA in seinem aktuellen Frühjahrsgutachten - erachtet Knight Frank die rasant steigende Kluft zwischen Wohnkosten und Einkommen zusehends als Gefährdung der ökonomischen Entwicklung der Metropolen. Als aktuelles Beispiel wird auf Seattle verwiesen, wo Amazon jüngst angekündigt hat, seine mit Milliardeninvestitionen verbundene Expansion andernorts zu verwirklichen.

Angespannt ist die Lage mittlerweile auch im Silicon Valley: "Wenn wir die Wohnungs- und Transportprobleme nicht lösen können, wird Silicon Valley bald nicht mehr Silicon Valley sein", wird der ehemalige Facebook-Kommunikationschef Elliot Schrage zitiert. Welche Maßnahmen sollten zur Überwindung der Misere also ergriffen werden? Knight Frank verweist unter anderem auf eine Studie der Berkeley Universität, wonach die US-Wirtschaft um 13,5 Prozent stärker wachsen könnte, wenn "alle bestehenden Barrieren beim Wachstum der Städte beseitigt würden". Die Devise muss demnach lauten: "Deregulierung anstelle weiterer staatlicher Interventionen." Das klingt doch schon wieder eher nach Knight Frank und dürfte somit auch die Stammkundschaft halbwegs versöhnlich stimmen. ph

 

 

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