Regulierung gefährdet langfristige Finanzierungen

Dass die Regulierung die langfristige Finanzierung gefährdet, ist schon lange keine Geheimnis mehr. Nun wird das vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) quasi amtlich bestätigt. Im Auftrag des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) untersuchten Prof. Hüther und seine Mitautoren die möglichen Auswirkungen und kommen zu den erwarteten Ergebnissen: Die beiden Hauptregulierungswerke Basel III und Solvency II setzen Anreize, eher kürzere Laufzeiten anzubieten. Damit sinkt zwar das Risiko von Zinsänderungen für Banken, es wird dafür aber auf Haushalte und Unternehmen verlagert, die dieses Risiko deutlich schlechter auffangen können. Die wesentliche volkswirtschaftliche Funktion der Banken, die Fristentransformation, wird mit den neuen Regeln deutlich schwieriger. Durch Basel III soll die Kapitalgrundlage der Banken sicherer werden. Langfristig besteht aus Sicht des IW die Gefahr, dass Kredite insgesamt teurer werden, da die Eigenkapital- über den Fremdkapitalkosten liegen. Ein unmittelbarer negativer Effekt auf den Anteil der langfristigen Finanzierungen ist jedoch nicht erkennbar.

Die neuen Vorschriften beinhalten auch eine risikounabhängige Verschuldungskennziffer, die Leverage Ratio. Für diese wird das Kernkapital in das Verhältnis zur gesamten Bilanzsumme gesetzt und soll mindestens drei Prozent betragen. Gerade klassische Langfristfinanzierer geraten aufgrund der Leverage Ratio unter Anpassungsdruck. Da die langfristige Immobilien- und Staatsfinanzierung ein besonders sicheres, aber auch margenarmes Geschäft ist, haben diese Institute häufig geringe Eigenkapitalquoten. Schon seit einiger Zeit fahren Realkreditinstitute ihre Kommunalfinanzierungen und andere margenarme Geschäfte zurück, um sich für die Leverage Ratio zu wappnen. Eine einheitliche und risikounabhängige Eigenkapitalquote steht aus Sicht des IW in Konflikt mit der Langfristfinanzierung. Die Politik und die Regulatoren haben die Problematik der vereinheitlichten Kennziffer erkannt und auf die Möglichkeit der Differenzierung nach Geschäftsmodellen hingewiesen. Ein denkbarer Kompromiss wäre, die Leverage Ratio als Beobachtungskennzahl zu nutzen, die seitens der Banken zwar der Aufsicht gemeldet werden müssen. Sie muss aber nicht verbindlich einen festen Wert erreichen.

Neben der Leverage Ratio könnten auch die neuen Liquiditätsstandards (Liquidity Coverage Ratio/LCR und Net Stable Funding Ratio/NSFR ) die Zukunft der Langfristfinanzierung verändern. Auf der Aktivseite setzt die NSFR beispielsweise Anreize, die Kreditlaufzeiten zu verkürzen, da nach bisherigen Vorstellungen der Refinanzierungsbedarf bei kurzfristigen Krediten niedriger ist als bei langfristigen. Eine praktikable Reformmöglichkeit wäre, den Schwellenwert auf 95 (statt 100) Prozent zu setzen.

Die Analysten des IW sind der Meinung, dass den Banken, die ihre langfristigen Finanzierungen zurückfahren oder verteuern dürften, andere Finanzintermediäre als Wettbewerber entgegentreten werden. Dazu zählen beispielsweise Versicherungen, Pensionsfonds und Kreditfonds. Diese werden teilweise von der Regulierung bevorzugt. Fraglich ist jedoch, ob sich die alternativen Finanzintermediäre auch in der Langfristfinanzierung engagieren werden. Aus Sicht des IW ist ein einheitlicher Wettbewerbsrahmen dringend erforderlich, da sonst einzelne Intermediäre regulatorisch bevorzugt werden und es zu Verzerrungen im Markt kommen kann. In der Konsequenz kumulieren sich im Schattenbankensektor - zunächst unbeobachtet - Risiken, die zu neuen Krisen führen können. Es sprechen aus Sicht des IW mehrere Gründe dafür, die Vergabe langfristiger Bankkredite regulatorisch nicht noch weiter zu belasten. ber

Noch keine Bewertungen vorhanden


X