Wohntürme - Symbol nach haltiger Stadtplanung?

Die Wohntürme sind zurück. Nach Jahrzehnten, in denen Häuser mit mehr als fünf oder sechs Stockwerken in Deutschland als Ausdruck sozialer Ausgrenzung galten, faszinieren sie uns auf einmal wieder: Hochhäuser von 80, 100 oder gar 150 Metern Höhe, spektakulär gestaltet, herausragende Architektur im Wortsinne - und das nicht in Shanghai oder New York, sondern in Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf. Das Wohnen in luftiger Höhe ist auf einmal im Trend.

So sehr man die Abneigung gegen die Sünden der Stadtplanung teilen kann, die uns in den sechziger und siebziger Jahren jene Hochhaussiedlungen auf der grünen Wiese beschert haben - so sehr ist dem Urteil gegenüber dem Hochhaus als Irrweg der Architektur an sich zu widersprechen.

Wir hängen Poster mit der Skyline von New York an die Wand, wir reisen nach Shanghai oder nach London, um uns von den Werken berühmter Architekten beeindrucken zu lassen - und fordern zugleich, die Häuser in unserem Quartier dürften die Traufhöhe der Jugendstil-Bauten nicht überschreiten. Die stammen aber auch noch aus einer Zeit, als die Menschen mit der Pferdekutsche durch die Stadt fuhren. Wenn die Münchner noch 2004 in einem Bürgerentscheid festlegten, Häuser in ihrer Stadt dürften nicht höher sein als die Türme der Frauenkirche mit ihren 99 Metern, dann bekommt das Wort von der Kirchturmpolitik, das wir für engstirnige Entscheidungen kennen, eine ganz neue Bedeutung.

Denn diese Politik hat sich überlebt. Der Wohnturm ist eine zeitgemäße Antwort auf soziale, demografische und ökologische Herausforderungen unserer Epoche. Immer mehr Menschen streben in die Städte, die Urbanisierung hat ihren Höhepunkt noch lange nicht erreicht. In den Kernbereichen der Städte gibt es nur noch wenige freie Grundstücke, zu exorbitant hohen Quadratmeter preisen.

Da ist es ein Gebot der Vernunft, nicht mehr in die Fläche zu bauen, sondern in die Höhe. Reden wir also nicht mehr in Schablonen - Wohntürme versus kleine Einheiten -, sondern reden wir über Qualität. So wie es großartige Beispiele von Wolkenkratzern gibt, gibt es natürlich auch misslungene. Das gilt für jede Form von Architektur.

Wenn also lebenswerte Städte entstehen sollen, wenn Bauen und Wohnen nachhaltig geplant werden soll, dann sollten neue Konzepte nicht anhand der Gebäudehöhe gemessen, sondern stattdessen an der sinnvollen Entwicklung des Standorts überprüft werden, also an der Fassadengestaltung, dem Nutzungs- und Energiekonzept, dem Grundriss der Wohnungen, dem Komfort. Wie sagte Norman Foster über eines seiner Hochhausprojekte: "Eigentlich ist dieser Turm ein kleines Stadtquartier mit allem, was dazugehört, mit Wohnungen, Hotels, Büros, einem Kino und Läden und Gärten. Nur ist es eben ein vertikales Stadtquartier."

Björn Dahler, Geschäftsführer, Dahler & Company, Hamburg

Noch keine Bewertungen vorhanden


X