Die Anspannung steigt

Realkredite: Konditionen April 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Die Investoren auf dem falschen Fuß erwischt hat die US-Notenbank Mitte März. Sie hat zwar erwartungsgemäß das Wort "geduldig" aus ihrem Wortschatz bezüglich der ersten Zinserhöhung seit dem Ausbruch der Finanzkrise gestrichen, aber gleichzeitig ihre bisherige Zinsprognose leicht nach unten revidiert. Damit ist zwar eine Zinserhöhung im Juni weiterhin nicht ausgeschlossen, die Notenbank geht aber jetzt im Durchschnitt nur noch von einer Fed Funds Rate von 0,625 Prozent am Jahresende 2015 aus. Bisher lag die Erwartung bei einem Satz von 1,125 Prozent. Für Ende 2016 erwarten die Notenbanker 1,875 und für Ende 2017 prognostizieren sie 3,125 Prozent. Die Schätzungen liegen damit auch für die Folgejahre deutlich über den bisherigen Annahmen. Die Folge waren heftige Turbulenzen am Devisenmarkt und auch Aufruhr an den Aktien- und Anleihemärkte. Der Euro schoss gegenüber dem US-Dollar um über drei Prozent von etwa 1,07 auf 1,105 US-Dollar nach oben. Für eine Leitwährung ist dies durchaus eine gewaltige Bewegung. Kräftige Avancen verzeichnete auch der Ölpreis, der um fünf Prozent zulegte. Die amerikanischen Aktien drehten gleichzeitig von minus 0,5 auf 1 Prozent. Dies zeigt die Anspannung, die auf den Märkten lastet. Eine "falsche" Zahl oder eine "falsche" Bemerkung eines Notenbankers genügen, um eine kleine Panik auszulösen.

Überrascht hat die Marktteilnehmer auch, dass die US-Notenbank das Niveau der Arbeitslosenquote, ab der steigender Inflationsdruck zu erwarten ist, von 5,5 auf 5 Prozent gesenkt hat. Sie will sich scheinbar des Drucks entledigen, den ihr die auf 5,5 Prozent gesunkene Quote für die Erwerbslosen beschert hat. Angesichts des Erreichens dieses Wertes für Vollbeschäftigung hätte sie eigentlich handeln müssen. Gehandelt hat sie aber nur, indem sie einfach die Referenzgröße gesenkt hat. Es ändert jedoch nichts daran, dass dieses Jahr die Fed an der Zinsschraube drehen wird. Daneben hat sie auch dem Markt zu erklären, wie sie sukzessive die in den vergangenen Jahren in den Markt gepumpte Liquidität zurückführt. Sobald die Notenbank sicher ist, dass die amerikanische Konjunktur auf Wachstumskurs bleiben wird, dürfte die Aktion beginnen und die Nerven der Marktakteure vor eine Zerreißprobe stellen. Dem Markt weniger Liquidität zu spenden ist die eine Sache, Liquidität aus dem Markt zu nehmen, eine ganz andere. Das wird die größte Herausforderung für die US-Notenbanker um ihre Chefin Janet Yellen werden, dies ohne massive Marktturbulenzen zu bewältigen.

Vor diesem Problem steht Europa derzeit nicht. Hier pumpen Draghi und Co. praktisch unbeschränkt Geld in die Märkte. Das ist das einzig bewegende Thema, für Fundamentaldaten besteht kaum Nachfrage. Den Ton und die Zinsrichtung geben Draghi und Co. mit ihren am 9. März gestarteten Käufen von europäischen

Staatsanleihen an. Befristet bis September 2016 sollen jeden Monat staatliche Titel im Wert von 60 Milliarden Euro erworben werden. Begleitet wird die Aktion von ersten "Erfolgsmeldungen" seitens der EZB, dass ihre Politik sukzessive Früchte trägt und zu einem besseren Wirtschaftswachstum beitragen wird.

Da Draghi angekündigt hat, nur Anleihen mit einer Rendite von maximal minus 20 Basispunkten zu erwerben, fragen sich die ersten Marktteilnehmer, wo er die dafür benötigten Bundesanleihen eigentlich auftreiben will. Zur Lösung des Problems wird dem "Politbüro" sicher etwas einfallen. Bei den Bundesanleihen gibt es nur noch für die ganz langen Titel eine gewisse Verzinsung. Bei den kürzeren Laufzeiten haben Investoren Zinsen zu bezahlen. Sogar bei den Langläufern der schwächeren Länder gibt es nur noch ein wenig mehr als einen Prozent, was in keinster Weise dem Risiko entspricht.

Im Gefolge der gefallenen Renditen deutscher Staatsanleihen gaben auch die Pfandbriefrenditen deutlich nach. Auch sie profitieren von einem eigenen Aufkaufprogramm. Nach Angaben des Finanzdienstleisters Dr. Klein & Co. bieten Kreditinstitute immer günstigere Immobilienkredite an. So fiel der Zinssatz in den vergangenen sechs Monaten bei einer 10-jährigen Zinsbindung um zirka 0,6 Prozentpunkte. Kunden, die heute eine Baufinanzierung abschließen, sollten sich bewusst sein, dass die momentan sehr niedrigen Baufinanzierungszinsen eine absolute Sondersituation darstellen. ber

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