Auf zu neuen Heldentaten

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Als sich Mitte September die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zum zehnten Mal jährte, rückte automatisch auch das darauffolgende Krisenmanagement der wichtigsten Notenbanken wieder ins Gedächtnis. Mit bis dato nicht gekannten und höchst unkonventionellen Liquiditätshilfen, radikalen Zinssenkungen und umfangreichen - in einigen Fällen bis heute andauernden - Wertpapierankäufen zogen sie alle Register, um den drohenden Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Als "Helden der Krise" bezeichnete IWF-Chefin Christine Lagarde die Zentralbanker vor einigen Jahren angesichts dieses zweifellos entschlossenen Handelns. Dass die Fed in den Jahren zuvor mit ihrer lockeren Geldpolitik einen nicht unwesentlichen Anteil an den Exzessen gehabt haben dürfte, sollte dabei aber nicht vergessen werden. Das gilt umso mehr mit Blick auf die Gegenwart, denn noch immer halten viele Notenbanken ihre Geldschleusen (zu) weit geöffnet.

Zwar ist dabei - entgegen so mancher Untergangsprophezeiung - eine Hyperinflation ausgeblieben. Dafür machen sich an anderen Stellen durchaus beunruhigende Nebenwirkungen der ultraexpansiven Geldpolitik bemerkbar. Nach einer aktuellen Untersuchung von McKinsey etwa ist die staatliche und private Verschuldung zwischen 2007 und 2017 weltweit von 97 auf 169 Billionen US-Dollar gestiegen - auch aufgrund der historisch niedrigen Leitzinsen, die denkbar ungünstige Anreize für Schuldenkonsolidierungen setzen. Genau verfolgt werden müssen darüber hinaus natürlich auch die dynamischen Entwicklungen - manch ein Experte spricht eher von Auswüchsen und Übertreibungen - in vielen Assetklassen, seien es Immobilien, Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen schlechter Qualität.

Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, wäre es also wichtig, dass der von einigen Zentralbanken nun so vorsichtig eingeschlagene Kurswechsel zurück zur geldpolitischen Normalisierung nicht verlassen wird. Eine Prise der "heldenhaften" Entschlossenheit auf dem Höhepunkt der Finanzkrise würde den Notenbanken - insbesondere der EZB - dabei gut zu Gesicht stehen. Denn während die Fed schon durchaus beachtliche Fortschritte erzielt hat, steht die EZB bekanntlich noch ganz am Anfang dieses langen und steinigen Weges, den sie allem Anschein nach auch nur im Schneckentempo zu beschreiten gedenkt. Auf der jüngsten September-Ratssitzung wurde die bereits im Juni verkündete Forward Guidance, wonach mit Leitzinsanhebungen nicht vor dem Herbst 2019 zu rechnen ist, nochmals bekräftigt. Und das trotz anhaltend guter Arbeitsmarktdaten (Juli 2018: 8,5 Prozent) sowie der Rückkehr von Inflation (August 2018: 2,0 Prozent) und Lohnwachstum (2. Quartal 2018: 1,9 Prozent) in der Eurozone. Das gleichzeitige Festhalten an der Entscheidung, ab Oktober die Nettoanleihekäufe im Rahmen des Expanded Asset Purchasing Programme (EAPP) auf monatlich 15 Milliarden Euro zu halbieren und zum Jahresende zu beenden, muss da nolens volens schon als mutig gewürdigt werden.

Mutig beziehungsweise unabhängig im wahrsten Sinne präsentiert sich derweil die türkische Notenbank: Trotz des massiven Drucks von Staatspräsident Erdogan hob sie im September den Leitzins kräftig von 17,75 auf 24 Prozent an. Die Erleichterung an den Finanzmärkten war im Anschluss groß, wenn wohl auch nur von vorübergehender Natur. Das von Finanzminister Albayrak vorgestellte Wirtschaftsprogramm wurde aufgrund mangelnder Details zur Überwindung der Krise von Investoren enttäuscht beurteilt. Für die Lira ging es bei Redaktionsschluss deshalb wieder auf Talfahrt und die türkische Notenbank wird ihre Unabhängigkeit zeitnah voraussichtlich erneut unter Beweis stellen müssen.

Nur geringfügige Veränderungen gibt es unterdessen im Bereich der Baufinanzierungszinsen zu vermelden. Laut der Qualitypool GmbH sind die Bestzinsen für zehnjährige Darlehen zuletzt leicht auf 1,03 Prozent gesunken. Baufinanzierungen mit fünfzehnjähriger Zinsbindung hingegen stiegen minimal auf 1,49 Prozent. Mit Blick auf die Fremdkapitalseite herrschen also unverändert hervorragende Finanzierungsbedingungen für deutsche Häuslebauer - wären da nur nicht die infolge galoppierender Immobilienpreise so stark gestiegenen Eigenkapitalanforderungen. ph

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